Chronologie Lokalnamen

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Aazheimerhof belassen oder ändern in Oozemerhof ?

Ausgangslage

  • Es geht darum, ob die bisherige Schreibweise eines Hofes in der Gemeinde Neuhausen Kt. SH belassen oder geändert wird. Es handelt sich dabei um ein Beispiel, welches für die künftige Schreibweise der Lokalnamen in der Schweiz Modellcharakter hat.
    • Personen unter 70 sprechen in der Gemeinde Neuhausen "Aazheimerhof"
    • einzelne bejahrte Neuhauser sprechen "Ozemerhof"
  • In der Amtlichen Vermessung und in heutigen Karten und Plänen steht "Azheimerhof". Die Amtliche Vermessung enthält heute einen Flurnamen "Azheim" und es existieren mehrere Gebäudeadressen "Azheimerhof 8212 Neuhausen am Rheinfall"
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    • 74 Einträge für "Azheimerhof"
    • keine Einträge für "Ozemerhof"
  • Soll nun bei einer Überarbeitung der Hofname "Aazheimerhof" belassen werden oder in "Ozemerhof" verändert werden?


Unterschied Weisungen 1948 und Entwurf Leitfaden Toponymie 2006

Weisungen 1948

Grundsatz 2.
Für die Festlegung der Schreibweise ist von der ortsüblichen Sprechform, nicht von der Etymologie oder einer herkömmlichen Schreibung auszugehen; Rückbildungen abgeschliffener und verdunkelter Formen sowie andere Konstruktionen sind abzulehnen. Man schreibe deshalb Hostet, wo so gesprochen wird, nicht Hofstatt. Nicht volkstümliche Zusammensetzungen und unnötige Beifügungen, wie Blackialp oder Alp Blacki, Juchhof, wo bloss Blacki, Juch gesprochen wird, sind zu vermeiden. Bei verschiedenen Sprechformen ein und desselben Namens ist die bodenständigere, in Zweifelsfällen und wo zweckmässig die weiter verbreitete für die Schreibweise massgebend.


Entwurf Leitfaden Toponymie 2006 Ausgangslage: Schreibweise nach ortsüblicher Sprechform

  1. Für die Festlegung der Schreibweise ist in erster Linie auszugehen von der ortsüblichen Sprechform und nicht (zwingend) von der Etymologie oder einer herkömmlichen Schreibform. Etymologische Sachkenntnis, historisch belegbare Fakten und/oder sinnstiftende kulturelle Zusammenhänge können neben praktischen Bedürfnissen (z.B. allgemeiner Zweck der Karten oder der Datenbanken) die Schreibweise mit beeinflussen. (Präzisierungen zu diesem Hauptgrundsatz s. GS 7).
  2. Mundartnamen sollen nicht in die Schriftsprache übertragen werden.
  3. Zur Eruierung der ortsüblichen Sprechform sollen primär alteingesessene und ortskundige, möglichst der älteren Generation angehörige, mit dem Namenstand gut vertraute (sich beruflich in der Natur bewegende) Gewährspersonen (z.B. Bauern, Älpler, Förster, Wildhüter, Bannwarte, Jäger, Fischer) befragt werden.
  4. Bei verschiedenen Sprechformen ein und desselben Namens ist die bodenständigere (d.h. von der älteren Generation noch verwendete) und, wo diese nicht (mehr) eindeutig feststeht, allenfalls die weiter verbreitete („geläufigere") für die Schreibweise massgebend.


Zwischen Weisungen 1948 und Entwurf Leitfaden Toponymie 2006 bestehen auf den ersten Blick nur Nuancen. Aber genau diese Nuancen bewirken, ob die heutige Schreibweise "Aazheimerhof" geändert werden muss oder nicht.

  • Weisungen 1948 "Aazheimerhof" bestehen lassen, da es die ortsübliche (verbreitete) Sprechform und auch im Zweifelsfall die geläufigere Sprechform ist. Falls sowohl die Sprechweise "Azheimerhof" (z.B. von neu zugezogenen Personen) als auch "Ozemerhof" (z.B. einheimische Bevölkerung) verbreitet wäre, würde jede vernünftig handelnde Nomenklaturkommission entsprechend den Grundsätzen der Weisungen 1948 "Aazheimerhof" belassen und nur eine extrem dialektologisch ausgerichtete Nomenklaturkommission würde "Ozemerhof" schreiben.
  • Entwurf Leitfaden Toponymie 2006: "Oozemerhof" wäre für Flurnamen die richtige Schreibweise, da im Entwurf Leitfaden Toponymie 2006 die allgemeine Bedeutung von ortsüblich (verbreitet) in bodenständig (einheimische Bevölkerung) mit Priorisierung der älteren Bevölkerung und Berufsgattungen wie Bauern usw. uminterpretiert wird, selbst wenn diese Sprechform nicht verbreitet ist. Die verbreitete Form kommt nur gerade in Frage, wenn die bodenständige Form nicht eindeutig feststeht (z.B. wenn die einen Leute "Oozmerhof" und die anderen "Ozemerhof" sprechen ? Ev. müsste noch geregelt werden was, "eindeutig" heisst).


Verzicht auf Entwurf Leitfaden Toponymie 2006

  1. Unterschiede Diese kleinen Nuancen sind typisch für die Unterschiede zwischen Weisungen 1948 und Entwurf Leitfaden Toponymie 2006. Bei den Weisungen 1948 waren Sprachwissenschafter und Benutzer am Werk und es wurde eine Kompromisslösung gefunden, welche auch die pragmatische Sicht berücksichtigt. Beim Entwurf Leitfaden Toponymie hingegen waren nur ganz wenige (u.a. auch extrem dialektologisch orientierte Personen) am Werk und eine kritische, pragmatische Sicht wurde leider weitgehend ausgeschlossen.
  2. Widersprüche Die swisstopo wirft vor, dass die Weisungen angeblich Widersprüche enthalte (ohne diese jemals konkret veröffentlicht zu haben), dabei werden bei bisher klaren Regeln umgekehrt neue Widersprüche im Entwurf Leitfaden Toponymie 2006 geschaffen. Für die Definition der ortsüblichen Sprechform werden folgende Faktoren widersprüchlich vermischt: Verbreitung, Bodenständigkeit, Alter und Berufsgattungen.
  3. Legitimation des Leitfadens Toponymie 2006: Bei den toponymischen Richtlinien scheint die Ausmerzung von Widersprüchen der Weisungen 1948 nur ein Vorwand zu sein, um das Verlassen eines ausgewogenen Kompromisses zwischen Anlehnung an Schriftsprache und Mundart, zugunsten einer mundartnahen Schreibweise zu ermöglichen. In den Weisungen 1948 wird nirgends postuliert, dass mundartnah geschrieben werden soll, sondern es werden im Gegenteil Schranken für eine massvolle Schreibung der Lokalnamen aufgestellt.Von Nomenklaturkommissionen, welche mundartnahe Schreibung und den Leitfaden Toponymie 2006 propagieren, wird kaum daran gedacht, dass das Ändern von Flurnamen Aufwendungen bei Adressen, Registern, Dokumenten usw. verursacht. Wenn man die Regeln des Leitfadens Toponymie 2006 konsequent anwenden würde, müssten in der Schweiz im Gegensatz zu den Weisungen 1948 Zehntausende von Lokalnamen auf eine "bodenständige" Form geändert werden. Das ganze sieht dabei nach Arbeitsbeschaffung für Mitglieder von Nomenklaturkommissionen aus.
  4. Verzicht auf den Leitfaden Toponymie: Der Entwurf Leitfadens Toponymie 2006 lässt mehr Mundart für eine kleine Minderheit zu. Wird auf diese einseitige Ausrichtung verzichtet, kann auf den Leitfaden Toponymie 2006 verzichtet werden: vgl. dazu Zitat ausReferat von Alfred Richli, anlässlich Herbsttagung SGK vom 3.11.2006 Schaffhausen "Man kann ja wahrhaftig nicht gleichzeitig die bodenständige mündliche Form und die durch Lesegewohnheit erhärtete schriftliche wollen. Wenn die letztere die Richtschnur abgeben sollte, dann würde sich nämlich der ganze Aufwand für neue Richtlinien erübrigen."


Ungereimtheiten im Entwurf Leitfaden Toponymie 2006

  1. Gilt der Leitfaden auch für Hofnamen? Wahrscheinlich gilt wegen der grossen Kritik am Entwurf den Toponymischen Richtlinien (als Vorgängerregelung) der Entwurf Leitfaden Toponymie 2006 nicht mehr für Weiler- und Hofnamen. Was gilt dann? Heute werden Weiler- und Hofnamen gemäss Weisungen 1948 geschrieben. Es ist davon auszugehen, dass Nomenklaturkommissionen den Leitfaden Toponymie 2006 auch für Hof- und Weilernamen anwenden, wie im Kanton Schaffhausen. Mit Leitfaden Toponymie 2006 wird es sehr grosse Abgrenzungsprobleme zu Weiler- und Hofnamen geben.
  2. Zusammenspiel Hof- und Flurnamen Im Beispiel Azheimerhof gibt es einen Flurnamen "Azheim". Wie passt dieser Flurname mit dem Hofnamen zusammen?
    • Heute in der Amtlichen Vermessung: Azheimerhof und Azheim
    • Künftige Varianten
      • Ozemerhof und Ozheim?
      • Ozemerhof und Azheim?
      • Azheimerhof und Ozheim?
      • Ozemerhof (ev. verschwindet Flurname Aazheim)
    Diese Beispiele zeigen, dass Hof- und Flurnamen gesamthaft betrachtet werden müssen.
  3. Ungereimtheiten zwischen pragmatischer Schreibweise und Mundartnähe resp. Bodenständigkeit. Im oben erwähnten Grundsatz des Entwurfs Leitfadens Toponymie 2006 heisst es im 1. Punkt: Etymologische Sachkenntnis, historisch belegbare Fakten und/oder sinnstiftende kulturelle Zusammenhänge können neben praktischen Bedürfnissen (z.B. allgemeiner Zweck der Karten oder der Datenbanken) die Schreibweise mit beeinflussen. Diese aus Sicht der Benutzer gut gemeinten Tipps, taugen (wie man im Kanton Schaffhausen erkennt) nicht, eine pragmatische Schreibweise gemäss Weisungen 1948 zu erreichen, wenn der Leitfaden Toponymie 2006 gleichzeitig die Schleusen für sehr mundartnahe Schreibweise öffnet.
  4. Schlussfolgerungen Pragmatische Schreibweise gemäss Weisungen 1948 und mundartnahe Schreibweise gemäss Leitfaden Toponymie 2006 sind unvereinbar. Die Gefahr, dass in der Schweiz unsinnig Zehntausende von Lokalnamen im Sinne des Leitfadens 2006 mit grossen Kostenfolgen verändert werden ist so gross, dass die Arbeiten am Leitfaden Toponymie 2006 sofort eingestellt werden sollte und die Weisungen 1948 weiterhin zwingend als Richtschnur gelten müssen.