Geografische Namen Test

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Rothbühl / Roopel

Rotbühl oder Roopel ?


Worum geht es?

Diese Seite beinhaltet die Argumente und Hintergründe der Benutzer von Orts- und Lokalnamen in Bezug auf die Schreibweise und Schreibregeln in der Deutssprachigen Schweiz. Es geht im Wesentlichen um folgendes:

  • Auf 1.1.2008 ist die Inkfraftsetzung des eidgen. Geoinformationsgesetz geplant, welches in der Sitzung am 6.3.2007 vom Nationalrat mit 156:3 Stimmen gutgeheissen wurde. Eine der Verordnungen betrifft geografische Namen: Verordnung über geogfrafischen Namen (GeoNV) als Ablösung der bisherigen Verordnung über Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen.
  • Geografischen Namen wie Orts- und Lokalnamen (Flurnamen) kommt heute eine sehr grosse Bedeutung zu. Praktisch jeder Einstieg in eine digitale Karte erfolgt mit geografischen Namen (z.B. Gemeindename und Adressen). Ausserhalb des Baugebietes werden Flurnamen als Adressen zur Raumlokalisation verwendet. Bei digitalen Daten spielt die exakte, durchgängige Schreibweise (vertikale Harmonie) geografischer Namen eine noch grössere Rolle als bei analogen Karen und Plänen. Geografische Namen sollen nicht nur in verschiedenen Ebenen gleich geschrieben werden, sondern wegen dem grossen Anpassungsaufwand in Registern und Datenbanken auch über die Zeit möglichst konstant bleiben. Die Regeln zur Schreibweise von Flurnamen dürfen daher keinesfalls geändert werden.
  • Das Bundesamt für Landestopgrafie hat am 24. Mai 2006 einen Entwurf für neue Schreibregeln (Leitfaden Toponymie 2006) veröfftnlicht, welche extrem mundartliche Schreibweise von Lokalnamen nicht nur zulassen, sondern sogar empfehlen und obigen Bestrebung völlig zuwider läfut. Diese Regeln sanktionieren die extrem mundartliche Praxis in den Kantonen Thurgau und Schaffhausen, welche vom bestehenden Standard Weisungen 1948 massiv abweichen und etablieren einen neuen Standard.


Forderungen der Benutzer als Änderung und Ergänzung des Artikels 7, Absatz 2 Verordnung über geografische Namen (GeoNV):

  • Es wird kein Leitfaden Toponymie 2006 erlassen.
  • Die Weisungen 1948 werden beibehalten
  • Die heutige Schreibweise der Lokalnamen (Flurnamen) bleibt unverändert. Es gelten die beiden folgenden Ausnahmen:
  1. Ausnahme: Die heutige Schreibweise eines Lokalnamens (Flurnamen) für eine bestimmte Örtlichkeit wird verändert, wenn die Schreibweisen auf Landeskarte, Grundbuch- und Übersichtsplan nicht übereinstimmen.
  2. Ausnahme: Die Schreibweise eines Lokalnamens (Flurnamen) für eine bestimmte Örtlichkeit wird nötigenfalls verbessert, wenn die heutige Schreibweise bisher noch nie nach den Weisungen 1948 bearbeitet worden ist.


vgl. dazu auch Stellungnahmen zur Verordnung über geografische Namen (GeoNV)


Die SOGI schätzt die Folgekosten für Umstellungen in Registern, Grundbücher, Datenbanken usw. auf weit über 100 Mio. Franken. Allein eine Umstellung eines einzigen Lokalnamens wie «Matterhorn» auf «Matterhore» würde Dutzende Millionen von Franken kosten (es ist natürlich davon auszugehen, das man das in diesem Fall nicht macht, allein im Google ist «Matterhorn» über 3 Millionen Mal zu finden ....)


Stellungnahme Bundesrat Schmid anlässlich Behandlung GeoIG im Nationalrat vom 6. März 2007 Ich stehe zu dem, was ich soeben gesagt habe, nämlich, dass die Bezeichnungen so weitergeführt werden sollen, wie sie bis jetzt in der Praxis verwendet wurden. Im Übrigen nehme ich mich dieses Problems gerne an.

[weitere Statements aus der Nationalratssitzung vom 6. März 2007 vgl. hier]

Management Summary

Anzahl «Orts- und Lokalnamen» in der Schweiz

  • über ca. 350'000 in der Amtlichen Vermessung, davon ca. 240'000 in der Deutsprachigen Schweiz
  • ca. 150'000 in den Landeskarten


Geschichtlicher Hintergrund

  • In den Dufour- und Sigfriedkarten des 19. Jh. wurden Orts- und Lokalnamen vorwiegend in Schriftsprache geschrieben
  • Nach 1900 begann man allmählich Lokalnamen (Flurnamen) mundartlich zu schreiben
  • Da die Mundartschreibweise viele Freiheitsgrade aufweist, wurde nach Standards für eine gewisse Vereinheitlichung gesucht
  • 1947 hatte die Eidgenössische Vermessungsdirektion extrem mundartliche Schreiregeln entworfen, welche verworfen wurde.
  • 1948 wurde ein Standard für die kartengerechte Schreibweise der Orts- und Lokalnamen für die Deutschsprachige Schweiz festgesetzt.
  • 2005 hat das Bundesamt für Landestopgrafie den Entwurf Topoynmische Richtlinien publiziert, welche eine extrem mundartlichen Schreibweise empfehlen
  • 2006 obwohl die Benutzer ausdrücklich gefordert hatten, beim bisherigen Standard Weisungen 1948 zu bleiben, wurde als Nachfolgeversion der Leitfaden Toponymie 2006 entworfen, welcher immer noch extrem mundartliche Schreibweise empfiehlt.




Orts- und Lokalnamen

Bei Orts- und Lokalnamen ist zu unterscheiden zwischen den Aspekten

  • Namengebung
  • Festsetzung der Schreibweise
  • Schreibregeln


Namengebung

In Schönenberg wurde z.B. ein aus dem Jahre 1955 stammender Namen «Säubad» (wo Schweine baden) im Jahre 1906 in ein «Neubad» umgetauft und der Name «Lölismüli» in Hütten wurde in «Neumüli» geändert.

Diese Frage ist heute eigentlich kaum ein Thema mehr, da die Lokalnamen in der Schweiz längst ihre Namen erhalten haben und Änderungen wie oben erwähnt nur sehr selten sind.

Bisher: Verordnung über Orts-, Gemeinde und Stationsnamen Neu: Entwurf Verordnung über geografische Namen (GeoNV)
Art. 2 Die Erhebung der Ortsnamen, ihrer Schreibweise und Bedeutung sowie der Gebietszuordnung erfolgt anlässlich der Parzellarvermessung durch den ausführenden Ingenieur-Geometer im Einvernehmen mit den Kantons- bzw. Gemeindebehörden. Art.5 Das Erheben, Festsetzen, Nachführen und Verwalten der geografischen Namen der amtlichen Vermessung ist Aufgabe der amtlichen Vermessung.

Die alte und die neue Verordnung unterscheiden sich nicht. Die Namengebung ist Sacher der Amtlichen Vermessung, wo die Gemeine einen grossen Einfluss hat.


Schreibweise

Geschichtlicher Hintergrund

  • In den Dufour- und Sigfriedkarten des 19. Jh. wurden Orts- und Lokalnamen vorwiegend in Schriftsprache geschrieben
  • Nach 1900 begann man allmählich Lokalnamen (Flurnamen) mundartlich zu schreiben
  • Da die Mundartschreibweise viele Freiheitsgrade aufweist, wurde nach Standards für eine gewisse Vereinheitlichung gesucht
  • 1947 hatte die Eidgenössische Vermessungsdirektion extrem mundartliche Schreiregeln entworfen, welche verworfen wurde.
  • 1948 wurde ein Standard für die kartengerechte Schreibweise der Orts- und Lokalnamen für die Deutschsprachige Schweiz festgesetzt.
  • 2005 hat das Bundesamt für Landestopgrafie den Entwurf Topoynmische Richtlinien publiziert, welche eine extrem mundartlichen Schreibweise empfehlen
  • 2006 obwohl die Benutzer ausdrücklich gefordert hatten, beim bisherigen Standard Weisungen 1948 zu bleiben, wurde als Nachfolgeversion der Leitfaden Toponymie 2006 entworfen, welcher immer noch extrem mundartliche Schreibweise empfiehlt.


Zuständigkeiten für die Festsetzung der Schreibweise

Bisher: Verordnung über Orts-, Gemeinde und Stationsnamen Neu: Entwurf Verordnung über geografische Namen (GeoNV)
Art. 3 Insbesondere haben die Kantone eine kantonale Kommission

(Nomenklaturkommission) aus drei bis fünf Mitgliedern zu bestellen, welche die vom ausführenden Ingenieur-Geometer erhobenen Namen auf ihre Richtigkeit prüft und deren Schreibweise festsetzt.

Art. 6 Die zuständige kantonale Behörde setzt die Schreibweise sowie die Gebietszuordnung in Zusammenarbeit mit den kantonalen Nomenklaturkommission und den Gemeinden fest.

Für die Festsetzung ist gemäss alter und neuer Verordnung der Kanton zuständig. In der neuen Verordnung wird neu Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit den Gemeinden gefordert.


Schreibregeln

Zuständigkeiten für die Festsetzung von Schreibregeln

Bisher: Verordnung über Orts-, Gemeinde und Stationsnamen Neu: Entwurf Verordnung über geografische Namen (GeoNV)
Art. 3 Das Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement stellt Grundsätze zur Schreibweise auf. Art. ? 1 Das Bundesamt für Landestopografie erlässt allgemeine Regeln für die geografischen Namen der amtlichen Vermessung und der Landesvermessung.

2 Die allgemeinen Regeln bestehen aus:

a. den Allgemeinen Toponymischen Richtlinien;

b. den Regelungen für die unterschiedlichen Regionen der Landessprachen;

3 Die Eidgenössische Vermessungsdirektion legt Art und Umfang der Umsetzung der allgemeinen Regeln für die geografischen Namen der amtlichen Vermessung fest.

Art. 3 Nach Massgabe der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement aufzustellenden Grundsätze erlassen die Kantone nähere Vorschriften über die Erhebung und Schreibweise der Ortsnamen. Art 8 Ergänzende Regeln. Der Kanton kann auf der Grundlage der allgemeinen Regeln des Bundes ergänzende und präzisierende Regeln erlassen.


Sowohl in der alten wie in der neuen Verordnung sind der Bund für die übergeordnete Regelung und der Kanton für die präzisierende Regelung zuständig. Es bestehen hier jedoch ein grosser Unterschied, indem in der alten Verordnung der Bund hätte Regeln aufstellen sollen und die Kantone darauf aufbauende Regeln. Da dies jedoch nicht geschehen ist, sind die Weisungen 1948 heute immer noch rechtskräftig, welche Grundsätze und Regeln umfassen.


Bisher effektiv: Weisungen 1948 Stand 1977 Bisher theoretisch: Verordnung über Orts-, Gemeinde und Stationsnamen 1970 Neu: Entwurf Verordnung über geografische Namen (GeoNV) 2008
Bund hat mit Weisungen 1948 Grundsätze und Regeln erlassen. Die Kantone können Regeln erweitern und bedürfen die Zustimmung des Bundes (vgl. Art 7 Weisungen 1948). Bund erlässt Grundsätze. Kantone erstellen Regeln. Bund erlässt Allgemeine Regeln (und auch Grundsätze?). Kantone können ergänzende und präzisierende Regeln erlassen.
Zuständigkeit für die Weisungen 1948: Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement Zuständigkeit für die Grundsätze: Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement Zuständigkeit für die Allgemeinen Regelen: Bundesamt für Landestopografie


Weisungen 1948

Heute gelten immer noch die Weisungen 1948. Auf der Homepage des Bundesamtes für Landestopografie wird dies richtig festgehalten

heutiger Standard Weisungen 1948
Die Weisungen 1948 haben anscheinend keine Rechtsgrundlage mehr gemäss Bemerkungen im Entwurf Leitfaden Toponymie 2006: «Die Weisungen haben sich abgestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 22.2.1938. Dieser wurde aufgehoben mit dem Bundesratsbeschluss vom 5.2.1954 über Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen, welcher seinerseits durch die Verordnung über die Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen vom 30.12.1970 ausser Kraft gesetzt wurde. Damit haben die Weisungen 1948 keine Rechtsgrundlage mehr.»Charakteristik Weisungen 1948
  • moderate
  • gemässigten
  • kartengerechten
  • mundartliche Schreibweise (nicht Mundartschreibweise)

Leitfaden Toponymie 2006

(als «verbesserte» Version der Toponymischen Richtlinien 2005) Das Bundesamt für Landestopografie hat am 24. Mai 2006 den [Leitfaden Toponymie 2006] in die Vernehmlassung gegeben.


  • Vernehmlassungsfrist: 24. Juli 2006
  • Bis heute ist noch keine Auswertung der Vernehmlassung bekannt geworden obwohl schon über ein halbes Jahr verstrichen ist ausser einer Ad Hoc Information des Bundesamtes für Landestopografie zu den Stellungnahmen zum Leitfaden:
    • Die Kantone äussern sich uneinheitlich. Gesamtbild: 50% positiv / 50% negativ
    • Fachorganisationen: äussern sich fast einheitlich negativ.
    • Experten (welche?): äussern sich fast einheitlich positiv


Der Leitfaden Toponymie legitimiert die Kantone, welche von den Weisungen 1948 abgewichen sind, weiterhin lautnahe extrem mundartlich zu schreiben und gibt dies im Sinne einer Harmonisierung dies als Empfehlung ab, wobei die Schreibweise gemäss Weisungen 1948 als Übergangslösung toleriert werden.

weitere Details zum Entwurf Leitfaden Toponymie 2006 sind hier zu finden


Vergleich der beiden Schreibstandards

Gemäss Einschätzungen der SOGI (vgl. Stellungnahme SOGI Anhang1 2.1) entsprach die Schreibweise der Lokalnamen auf dem Landeskartenblatt 1073 Wil 1:25 000, Ausgabe 1978, weitgehend dem Standard Weisungen 1948. In der Ausgabe 2004 hat sich von rund 540 Lokalnamen die Schreibweise deren 290 (54%) geändert. Berücksichtigt man die Restriktionen des Leitfadens Toponymie 2006 für Dehnungen wie z.B. «Huse» anstelle «Huuse» usw., wären es trotzdem immer noch rund 240 Lokalnamen (44%), dessen Schreibweise entsprechend dem neuen Standard Leitfaden Toponymie 2006 gegenüber Standard Weisungen 1948 ändern.


Kriterium Weisungen 1948 Leitfaden Toponymie 2006
Allgemein bekannte Namenwörter(Kompromiss) In der schriftsprachlichen Form sind in der Regel zu belassen: allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, z.B. Berg, Feld, Weg, Grat (nicht Bärg, Fäld, Wäg, Grot) Es wird empfohlen, Namen, deren zugrunde liegendes Wort in der Hoch- oder Standardsprache vorkommt (allgemein bekannte Namenwörter), wie alle übrigen Toponyme zu behandeln und nach der ortsüblichen Sprechform zu notieren. Also z.B. Bärg, Fäld, Stäg, Wäg, Zälg, Räge, Rein, Mei, Boum etc. (wo so gesprochen wird) und nicht – oder nur dort, wo dies die ortsübliche Sprechform ist – Berg, Feld, Steg, Weg, Zelg, Baum etc. – Demnach (z.B. im Kt. BE): Breitfäld, Höje Stäg, Räbbärg/-wärch, Chärderbärg, Chirschboummatte, Meigüetli.
Stummes -n Soll in der Regel geschrieben werden Es wird grundsätzlich empfohlen, das stumme -n wegzulassen
Ortsüblich wird im Gegensatz zur Etymologie verstanden und nicht speziell lautnah Wird als lautnah verstanden und erst noch als bodenständig, dass d.h. historische Sprechform (z.B. «Roopel» anstelle von «Rotbühl», obwohl man seit über 40 Jahren nicht mehr so spricht)
Vermeidung von Zwitterbildung durch gemässigte Mundart durch extreme Mundart


Zwitterformen

Zwitter = Mischung zwischen Standardsprache und Mundart

  • Zwitterform als Mischung zwischen Standardsprache und gemässigter Mundart: etwas störend, aber in der Schweiz nicht immer ganz vermeidbar
  • Zwitterform als Mischung zwischen Standardsprache und extremer Mundart: störend aber vermeidbar, wenn auf extreme Mundart verzichtet wird anstelle Empfehlung Leitfaden -bärg, -fäld usw. zu schreiben


Strassennamen sind grundsätzlich in enger Anlehnung an Standardsprache geschrieben

  • Standard: ...-strasse, ...-weg
  • zu vermeiden: ...-strass, ...-wäg


Lokalnamen lehnen sich sowohl an Mundart wie auch an Standardsprache an (Kompromiss der Weisungen 1948). Bei den Lokalnamen gilt bezüglich Zwitterformen ähnliches wie bei Strassennamen

  • Weisungen 1948 als Standard: ...-berg, ...-feld, usw.
  • im Leitfaden Toponymie 2006 zugelassen: ...-bärg, ...-fäld, usw.


Problematik Zwitterformen

  • Lösungsansatz Weisungen 1948
    • Zwitterformen sollen gemäss Weisungen 1948 möglichst vermieden werden --> Weisungen 1948 zwingen zur Schreibung einer gemässigten Mundart.
    • Vermeidung von Zwitterbildung durch Mässigung des Mundartteils
    • stummes -n beibehalten
  • Lösungsansatz Toponymische Richtlinien 2005, Leitfaden Toponymie 2006
    • Zwitterformen vermeiden, indem mehr Mundart als Weisung 1948 zugelassen wird
    • häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, z.B. Berg, Feld, Weg, Grat als Bärg, Fäld, Wäg, Grot schreiben
    • stummes -n weglassen


  • In der Schweiz lassen sich gewisse Zwitterformen nie ganz vermeiden, unabhängig, welcher Lösungsansatz gewählt wird!
  • Eine der Ursachen für Zwitterbildungen sind jedoch nicht die Weisungen 1948 selbst, sondern wenn die Weisungen 1948 nicht konsequent befolgt werden, indem anstelle einer gemässigten Mundart eine extreme Mundart verwendet wird.
  • Das Problem kann durch Belassung der gemässigten Mundart wesentlich besser gelöst werden als durch Zulassung von extremer Mundart. Es werden damit mehr Probleme geschaffen als gelöst (abgesehen von den verheerenden Folgen eines Wechsels). Bei der Lösung mit mehr Mundart werden die Abgrenzungsprobleme zwischen an Standardsprache ausgerichteten Namen und Mundartnamen wesentlich verschärft und eine mit Weisungen 1948 ermöglichte Harmonie wird zerstört. Beispiel Lauenen:
    • Ortschaft: Lauenen
    • Tal: Lauenental
    • Flurname: Lauenen (gemäss Weisungen 1948); Lauene (entgegen Weisungen 1948)
    • See: Lauenensee (gemäss Weisungen 1948); Louwenesee (entgegen Weisungen 1948)
    • Horn: Lauenenhorn (gemäss Weisungen 1948); Lauenehore (entgegen Weisungen 1948)
  • Da Lokalnamen für die Bildung verschiedener abgeleiteter Namen (in Standardsprache) verwendet werden, sind dort die Zwitterformen störend, wenn Lokalnamen in extremer Mundart geschrieben werden.


  • Die Frage der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen darf nicht nur innerhalb eines einzelnen Namens gesehen werden, sondern muss gesamtheitlich betrachtet werden! Das Nebeneinader von Namen von Ortschaften, Weilern, Höfen, Fluren, Gelände und Gewässer ist ebenso wichtig. Diese lehnen sich je nachdem ob sie lokal oder unbedeutend sind an die Mundart oder in den übrigen Fällen an die Standardsprache an.
  • Die Weisungen 1948 bestehen nicht aus einer Ansammlung einzelner Schreibregeln, sondern bilden ein durchdachtes und aufeinander abgestimmtes Gesamtregelwerk
  • Die Variante gemässigte Mundart gemäss Weisungen 1948 ergibt ein wesentlich besseres Gesamt Erscheinungsbild einer Karte oder eines Planes als gemäss Leitfaden Toponymie 2006 mit extremer Mundart!

In der Stellungnahme der Schaffhauser, verfasst vom späteren Regierungsrat Hermann Wanner, steht zu lesen: Ohne Benützung phonetischer Zeichen wird es nie gelingen, der reichen Vielfalt der Mundart gerecht zu werden mit all den Vokalen, Umlauten, verschieden ausgesprochenen Konsonanten und auch der Betonung. So wird auch eine konsequente Mundartschreibung in den Karten in jeder Hinsicht unbefriedigend sein, weil es den einen zu weit geht und unverständlich bleibt und den Verfechtern der Mundartschreibung doch wieder nicht genügen kann.


Über all diese Fragen kann lange diskutiert werden; massgebend ist, dass 1948 ein Entscheid gefällt wurde, welcher heute nicht umgestossen werden kann oder sonst verheerende Folgen hat.


Föderalismus

Bewangen oder Beewange? Steinenbach oder Steinebach?
Bewangen.jpg
Steinenbach.jpg


Kulturgeschichte und Sprachwissenschaft

Die Lokalnamen sind ein wichtiges Kulturgut, welches erhalten werden muss. Mit den Weisungen 1948 kann es sogar viel besser als harmonisches Gefüge (vom Name der grössten Stadt bis zum kleinsten Bächlein) erhalten werden als mit den neuen Schreibregeln, wo grosse Abgrenzungsprobleme zwischen Namen in Anlehnung an die Standardsprache und extremer Mundart bestehen. Das Kulturgut besteht in erster Linie im Namen selber, nicht in der Schreibweise. Ob in der Schreibweise ein «-n» weniger oder ein «ä» statt ein «e» verwendet wird, erhöht nicht den Wert des Kulturgutes, sondern macht es höchstens weniger attraktiv. Wenn die Schreibweisen ins Spiel mit Kulturgut gebracht werden, muss eher die Frage aufgeworfen werden, ob allenfalls die nach Weisungen 1948 geschriebenen Namen als eingebürgerte Schrifttradition selber ein erhaltenswertes Kulturgut darstellen.

Für sprachwissenschaftliche und kulturgeschichtliche Belange können andere, viel besser geeignete Gefässe wie Namenbücher (ev. kombiniert mit Multimedialösungen und thematischen Geoinformationen) verwendet werden, in welchen die ganze Entwicklung der Namen inklusiv der kulturgeschichtlichen Bedeutung, Aussprache und phonetischer Notierung aufzeigt werden können.


Anfrage Frau Riklin beim Bundesrat bezüglich extrem mundartliche Schreibweise von Orts- und Lokalnamen

Antwort des Bundesrates vom 24. Mai 2006

«Der Bundesrat teilt die Auffassung, wonach die bisherigen Schreibregeln Weisungen 1948 einen sinnvollen Kompromiss zwischen berechtigter Schrifttradition und reiner Lokalsprache darstellen. Der darin in Artikel 7 aufgestellte Grundsatz, Namen von geringer, lokaler Bedeutung seien in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache zu schreiben, ist auch heute unbestritten». In den Erläuterungen ist zu finden «Die Toponymischen Richtlinien stellen keine Kehrtwende in der bisherigen Nomenklaturpraxis dar. Sie führen auch zu keiner grossflächigen Überarbeitung der Nomenklatur und bleiben in enger Anlehnung an die Weisungen 1948».


Stellungnahme der Benutzer

Die Benutzer begrüssen die Antwort des Bundesrates. Einzig muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Toponymischen Richtlinien wie auch der am 24. Mai 2006 publizierte Leitfaden Toponymie 2006 in wesentlichen Grundsätzen im krassen Widerspruch zu den Weisungen 1948 stehen. Wenn ca. 50% aller Lokalnamen im Kanton Thurgau in extreme Mundart ändern, kann nicht die Rede davon sein, dass die neuen Schreibregeln in enger Anlehnung an die Weisungen 1948 stehen.


Anträge der Benutzer

Anträge

Die SOGI und viele weitere schweizerische Fachorganisationen vgl. http://www.lokalnamen.ch/#29 fordern:

  • die Schreibweise der Lokalnamen grundsätzlich so zu belassen, wie sie sind
  • die bisherigen Schreibregeln Weisungen 1948 (allenfalls leicht revidiert) in der neuen Verordnung über geografische Namen (GeoNV) zu verankern


Begründung

Warum Verankerung obiger Forderungen in der GeoNV?

  1. Es besteht aufgrund des bisherigen Verhaltens der swisstopo bei dieser Thematik zu wenig Vertrauen.
  2. Während der Erarbeitung des GeoNV hat die swisstopo erklärt, dass sie zu den Weisungen 1948 zurückkehre. Öffentliche Vorträge der swisstopo und Veröffentlichungen im «Die Alpen 2/2007» zeigen jedoch, dass die swisstopo jedoch nach wie vor den Leitfaden Toponymie propagiert. Anfragen bei der swisstopo, was nun gelte, blieben bisher unbeantwortet!


Ohne diese Ergänzung im aktuellen Entwurf der Verordnung über geografische Namen (GeoNV), ist mit folgenden Negativfolgen zu rechnen:

  • Tausende von Lokalnamen werden weiterhin laufend in extrem mundartliche Schreibweisen geändert, mit Kostenfolgen gemäss Schätzungen von der SOGI von über 100 Mio. Fr.!
  • Von vielen Bürgern und Politiker wird die Veränderung der bestehenden Schreibweise von Lokalnamen als unsinnige Verschwendung von Steuergeldern kritisiert. Wir haben doch heute viel wichtigere Probleme zu lösen, z.B. Umwelt, Energie usw. als die vermeintliche Verbesserung (aus Sicht der Benutzer: Verschlimmbesserung) von Lokalnamen
  • es entstehen grossen Unsicherheiten bei der Ortung (z.B. Rettungsdienste) und grosse Anpassungen im Bereicht Adressen.
  • Lokalnamen als wichtige Geoinformationen haben ihren Hauptzweck zur Verständigung im schriftlichen, amtlichen Verlehr. Sie dürfen nicht zu sprachwissenschaftlichen Zwecken missbraucht werden.
  • Extrem mundartliche Schreibweisen von Orts- und Lokalnamen wirken vielfach äusserst lächerlich und geniessen keine allgemeine Akzeptanz, wie dies in der GeoNV gefordert wird.


Leider erfolgt die Umstellung auf extrem mundartliche Schreibweise von Lokalnamen ohne:

  • gesamtheitliche Betrachtung (man kann nicht Namen von Fluren, Höfen und Weilern losgelöst betrachten. Ein und derselbe Namen soll immer gleich geschrieben werden, wozu sich die gemässigte Mundart am besten eignet
  • ohne politische Abstützung
  • ohne plausible Gründe
  • ohne Untersuchung der Folgekosten
  • ohne Mengengerüst


Kritik

Bei der Etablierung von Weisungen 1948 fand im Vorfeld eine breit abgestützte, sehr heftige und ca. 1 Jahr dauernde Diskussion und wissenschaftliche Auseinandersetzung zur Problematik statt. Die Eidgenössische Vermessungsdirektion wollte ähnlich wie dies das Bundesamt für Landestopografie tat, extrem mundartliche Schreibweisen einführen. Namhafte Sprachwissenschafter und Benutzer nahmen an dieser Auseinandersetzung teil. Der berühmte ETH Professor für Kartografie hatte sich sehr für eine Kompromisslösung eingesetzt, welche auch heute noch Gültigkeit haben muss. Ein neuer Kompromiss kann kaum gefunden werden, da die Benutzer eigentlich sogar eher weniger Mundart als Weisungen 1948 bevorzugen würden.

Die Fragenstellung war fast dieselbe. Soll eine

  • gemässigte, kartengerechte Mundart gewählt werden oder
  • eine extrem mundartliche Schreibweise


Beim heutigen Versuch der Einführung extrem mundartlichen Schreibweise wird jeder wissenschaftlichen Diskussion und Auseinandersetzung bewusst ausgewichen. Während 1947 / 1948 offen gestritten und debattiert werde, versuchten die heutigen Verfechter der extremen Mundart eine die Opposition gegen extrem mundartliche Schreibweise auszuschalten, indem behauptet wurde, dass die Sprachwissenschaft alleine die Kompetenz hat, zu entscheiden, welche Schreibweisen die richtige seien.


Im Wissen, dass extrem mundartliche Schreibweise nur bei wenigen Leuten befürwortet wird, geschieht eine Umsetzung völlig versteckt und ohne Rechtsgrundlage. Man stellt fast den ganzen Kanton Thurgau um und merkt dann, dass die entsprechenden Regeln nichts taugen. Man stellt neue Regeln auf (Leitfaden Toponymie 2006) welche nicht viel besser sind als die Toponymischen Richtlinien und beginnt wieder neu zu experimentieren...


Weblinks