Rückänderungen der Schreibweise von Lokalnamen im Kanton Thurgau: Unterschied zwischen den Versionen

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* Im Kanton Thurgau hatte die Nomenklaturkommission die Änderung der Schreibweise der Orts- und Lokalnamen im Sinne der ausgeprägt mundartnahen Schreibweisen des Thurgauer Namenbuchs festgesetzt und ist dabei von den Schreibregeln Weisungen 1948 abgekehrt.
 
* Im Kanton Thurgau hatte die Nomenklaturkommission die Änderung der Schreibweise der Orts- und Lokalnamen im Sinne der ausgeprägt mundartnahen Schreibweisen des Thurgauer Namenbuchs festgesetzt und ist dabei von den Schreibregeln Weisungen 1948 abgekehrt.
 
* Man berief sich auf Weisungen 1948, faktisch wurde jedoch die Schreibweise gemäss Namenbuches mit Gutheissung des Regierungsrates höher gewichtet als die Schreibregeln Weisungen 1948 [http://www.lokalnamen.ch/#id_20040811 vgl. hier.]
 
* Man berief sich auf Weisungen 1948, faktisch wurde jedoch die Schreibweise gemäss Namenbuches mit Gutheissung des Regierungsrates höher gewichtet als die Schreibregeln Weisungen 1948 [http://www.lokalnamen.ch/#id_20040811 vgl. hier.]
* Die Schreibregeln Weisungen 1948, welche vom Mitautor des Thurgauer Namenbuches unterstützt wurden,  [http://www.lokalnamen.ch/#id_1952_bandle (vgl. hier)], forderten nicht eine mundartreue, sondern eine gemässigte mundartnahe Schreibweise von Lokalnamen. Es handelt sich als eine spezielle, auf den Zweck von amtlichen Karten und Pläne ausgerichtet Schreibweise. Im Thurgauer Namenbuch wurde dagegen eine ausgeprägt lautnahe Schreibweise verwendet, welche sich für den Zweck auf amtlichen Karten und Plänen weniger geeignet ist [[Normalisierung_geografischer_Mundartnamen| vgl. hier.]] sowie [http://www.lokalnamen.ch/bilder/2007_namenbuch_tg.pdf hier]
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* Die Schreibregeln Weisungen 1948, welche von Oskar Bandle, Mitautor des Thurgauer Namenbuches unterstützt wurden,  [http://www.lokalnamen.ch/#id_1952_bandle (vgl. hier)], fordern eine auf den Zweck von amtlichen Karten und Pläne ausgerichtete gemässigte, pragmatische Schreibweise, welche auch die traditionelle Schreibweise berücksichtigt. Im Thurgauer Namenbuch wurde dagegen eine konsequent lautnahe (für den Kartengebrauch extrem erscheinende) Schreibweise verwendet, mit dem Zweck, die Aussprache möglichst genau wiederzugeben [[Normalisierung_geografischer_Mundartnamen| vgl. hier.]]
 
* Die Frage, ob die traditionelle Schreibweise «Thurberg» und «Stelzenhof» belassen oder in eine mundartnahe Ausprägung geändert wird, hätte sich bei Beibehaltung der Schreibregeln Weisungen 1948 nicht gestellt, da nach Weisungen 1948 sich die mundartnahe Ausprägung von «Thurberg» und «Stelzenhof» sich nicht von der traditionellen Schreibform unterscheidet.   
 
* Die Frage, ob die traditionelle Schreibweise «Thurberg» und «Stelzenhof» belassen oder in eine mundartnahe Ausprägung geändert wird, hätte sich bei Beibehaltung der Schreibregeln Weisungen 1948 nicht gestellt, da nach Weisungen 1948 sich die mundartnahe Ausprägung von «Thurberg» und «Stelzenhof» sich nicht von der traditionellen Schreibform unterscheidet.   
  

Version vom 20. Februar 2011, 18:01 Uhr

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Thurberg Stelzenhof.jpg

Der Wegweiser bleibt: Die noch offiziellen Namen «Tuurbärg» und «Stelzehof» sollen zugunsten der

gebräuchlichen Form verschwinden.

Quelle: Thurgauer Zeitung (vgl. hier)



Allgemeines

Allgemeines zu Rückänderungen von Orts- und Lokalnamen vgl. hier


Situation Kanton Thurgau

2011 Thurgauer Gemeinden stützen den Entscheid zur Rückgängigmachung der Schreibweisen aller Siedlungsnamen und wichtiger Ortsnamen

Ausschnitt:

  • Keine Thurgauer Gemeinde will an der umstrittenen Mundartschreibweise für Siedlungen und Weiler festhalten. Sie tragen die Kehrtwende des Kantons mit.
  • Die Haltung der Thurgauer Gemeinden ist klar: Sie wollen, dass die Namen von Siedlungen und wichtigen geographischen Punkten in der geläufigen schriftsprachlichen Variante geschrieben werden. Keine will am Entscheid des Kantons rütteln, dass die umstrittene extreme Mundartschreibweise wieder abgeschafft wird.
  • Das ist das Ergebnis einer Vernehmlassung unter den Gemeinden. Der Kanton hatte ihnen die neue Schreibweise für 2'400 Siedlungen und Weiler zugestellt. Jede Gemeinde konnte zu den Namen auf ihrem Gebiet Stellung nehmen. Sie hätten 80 bis 90 Prozent der vom Kanton vorgeschlagenen Namen akzeptiert, sagt Andreas Keller, Generalsekretär des Departements für Inneres und Volkswirtschaft.


Überblick Medien

Überblick Medien vgl. hier


2010 Planung weiterer Rückänderungen gemäss Vorschlägen einer Arbeitsgruppe

Entscheid Chef Departement für Inneres und Volkswirtschaft

Das Departement für Inneres und Volkswirtschaft hat auf Grund der grossen Opposition aus dem ganzen Kanton eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche den beachtenswerten Bericht Orts- und Flurnamen vom 23. März 2010 mit folgendem Inhalt verfasst hat:



Auszug aus «28. Mai 2010, Mitteilung des Departementes für Inneres und Volkswirtschaft»

  • Auf Vorschlag einer Arbeitsgruppe hat der Chef des Departements für Inneres und Volkswirtschaft entschieden, die Ortsnamen wieder nach der traditionellen, schriftsprachlichen Schreibweise auszurichten. Dies soll auch bei Flurnamen möglich sein, die über das Lokale hinaus bekannt sind. Mit der Bereinigung der Orts- und Flurnamen wird eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, die ihre Arbeit bis Mitte 2011 beenden soll.
    • Gemäss den Empfehlungen der Arbeitsgruppe soll sich die Schreibweise der Ortsnamen, also der besiedelten Gebiete, wieder nach der traditionellen Schreibweise richten. Diese Schreibweise entspricht derjenigen, wie sie in den Gemeinden über Jahrzehnte hinweg für die Bezeichnung der Siedlungen verwendet wurde. Die traditionelle Schreibweise ist dementsprechend in der Bevölkerung bekannt und fest verankert. Sie entspricht bei den Ortsnamen mehr der Schriftsprache als der Mundart und ist damit einfacher schreib- und lesbar. Aus «Roopel» soll also wieder »Rotbühl» werden.
    • Als zweites sollen Flurnamen, die über das Lokale hinaus bekannt sind, denen ein allgemeines Interesse auch auswärtiger Personen zukommt und die teilweise über gleichnamige Restaurants verfügen, ebenfalls wieder in der traditionellen Schreibweise benannt werden. Dazu gehören beispielsweise Ausflugsziele und Naherholungsgebiete. So soll unter anderem aus «Nole» wieder «Nollen», aus «Stäälibuck» wieder »Stählibuck» und aus «Tuurbärg» wieder »Thurberg» werden.
  • Die Schreibweise der übrigen Flurnamen, also von unbesiedelten Gebieten ohne besondere Bedeutung, soll grundsätzlich in Mundart nach den bisher angewandten Schreibregeln erfolgen.


Erkenntnisse der Arbeitsgruppe

Die Arbeitsgruppe hält in ihrem Bericht unter Anderem fest (Zusammenfassung):

  • Die Mundartschreibweise im Kanton Thurgau weicht wesentlich von den Weisungen 1948 ab. Die Schreibweise ist von der Nomenklaturkommission konsequent zu Gunsten einer nicht nur mundartnahen (Weisungen 1948), sondern sogar einer möglichst mundartgetreuen und lautmalerischen Schreibweise (Thurgauer Namenbuch) festgelegt worden. Diese Praxis stehe aber im Gegensatz zu den Signalen, die aus der Bevölkerung zu vernehmen seien.
Die Arbeitsgruppe geht deshalb davon aus, dass die Bevölkerung in erster Linie an der Erhaltung der traditionellen und vertrauten Namen interessiert sei, ob diese nun mundartlich oder hochdeutsch geschrieben seien. Problematisch ist es, wenn kleine Weiler und Einzelhöfe ohne wirklich erkennbaren Grund umbenannt werden. Solche Ortsnamen sind mit einem Heimatgefühl verbunden, das sich die Bevölkerung ohne wichtige Gründe nicht nehmen lassen will. (vgl. 4.3 Beurteilung der bisherigen Thurgauer Praxis)
Anmerkung: vgl. auch Äusserungen von Ruedi Schwarzenbach bezüglich Bindung der Namen an die Bevölkerung


Die von der Arbeitsgruppe aufgezählten Kantone, welche das nicht gesprochene -n schreiben, wenden nicht Schriftsprache, wie es der Anschein macht, sondern eine an die traditionelle Schreibweise angepasste Mundart an (vgl. hier). Die Arbeitsgruppe stellt fest, dass die Schreibung der Orts- und Flurnamen in der Schweiz z.T. unterschiedlich ist. Nach Ansicht der Benutzerorganisationen ist dieser Umstand nicht darauf zurück zu führen, dass die Weisungen 1948 zu veraltet und zu offenen gehalten sind, sondern dass diese nicht immer angewandt wurden, da Seitens der Namenforschung z.T. ein Mundartschreibweise bevorzugt wurde, welche sich mehr an der Lautnähe anstelle des traditionellen Schriftbildes orientiert.


Weiteres Vorgehen

  • Die neue Arbeitsgruppe, die ebenfalls unter dem Vorsitz des Generalsekretärs des Departements für Inneres und Volkswirtschaft stehen wird, wird nun als erstes das Orts- und Siedlungsverzeichnis des Kantons Thurgau aktualisieren. Dieses Verzeichnis wurde von der Dienststelle für Statistik letztmals im Jahr 2005 herausgegeben. Das Departement für Inneres und Volkswirtschaft unterbreitet den Gemeinden anschliessend das überarbeitete Verzeichnis zur Vernehmlassung. Abschliessend werden die Ortsnamen in die amtliche Vermessung eingetragen.
  • Bezüglich Flurnamen erstellt die Arbeitsgruppe eine Liste der Flurnamen von allgemeinem Interesse. Auch zu dieser Liste können sich die Gemeinden vernehmen lassen.
  • Die Rechtsgrundlagen sollen so angepasst werden, dass Streitfälle in erster Instanz vom Amt für Geoinformation entschieden werden. Rekurse werden vom Departement für Inneres und Volkswirtschaft behandelt.


2004 Einzelne Rückänderungen von aus dem Namenbuch übernommenen Schreibweisen

Während 1962-1974 im Kanton Zürich einzelne Namen Richtung traditionelle herkömmliche Schreibweise zurückgeändert worden sind, wurden im Kanton Thurgau ab 1990 sehr viele Namen gemäss Thurgauer Namenbuch in lautgetreue Schreibweisen geändert. Es handelt sich bei den allermeisten Namen nicht um Rückänderungen zu historischen Schreibweisen, sondern um neue Schreibkreationen.


In der Landeskarte 1998 wurden die meisten Namen aus dem Thurgauer Namenbuch übernommen. Bereits 2004 wurden jedoch in der Landeskarte aus dem Thurgauer Namenbuch entstandene Namen zurückgeändert. Beispiele:


1995 - 2009 Änderungen der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen

  • Im Kanton Thurgau hatte die Nomenklaturkommission die Änderung der Schreibweise der Orts- und Lokalnamen im Sinne der ausgeprägt mundartnahen Schreibweisen des Thurgauer Namenbuchs festgesetzt und ist dabei von den Schreibregeln Weisungen 1948 abgekehrt.
  • Man berief sich auf Weisungen 1948, faktisch wurde jedoch die Schreibweise gemäss Namenbuches mit Gutheissung des Regierungsrates höher gewichtet als die Schreibregeln Weisungen 1948 vgl. hier.
  • Die Schreibregeln Weisungen 1948, welche von Oskar Bandle, Mitautor des Thurgauer Namenbuches unterstützt wurden, (vgl. hier), fordern eine auf den Zweck von amtlichen Karten und Pläne ausgerichtete gemässigte, pragmatische Schreibweise, welche auch die traditionelle Schreibweise berücksichtigt. Im Thurgauer Namenbuch wurde dagegen eine konsequent lautnahe (für den Kartengebrauch extrem erscheinende) Schreibweise verwendet, mit dem Zweck, die Aussprache möglichst genau wiederzugeben vgl. hier.
  • Die Frage, ob die traditionelle Schreibweise «Thurberg» und «Stelzenhof» belassen oder in eine mundartnahe Ausprägung geändert wird, hätte sich bei Beibehaltung der Schreibregeln Weisungen 1948 nicht gestellt, da nach Weisungen 1948 sich die mundartnahe Ausprägung von «Thurberg» und «Stelzenhof» sich nicht von der traditionellen Schreibform unterscheidet.

Weiteres zu den Hintergründen vgl. hier


1957 Veränderte Schreibweisen auf der Landeskarte

Für die neue Landeskarte wurden im Kanton Thurgau ca. 1957 diverse bisherigen Schreibweisen aus der Siegfriedkarte gemäss Weisungen 1948 moderat verändert, so z.B. Rothbühl in Rotbüel, Holzhäusern in Holzhüseren. Die meisten Schreibweisen dieser Namen sind bis 1992 auf der Landeskarte konstant geblieben. Sie wurden auf vielfach in den Wanderwegtafeln übernommen, hatten sich dagegen auf Ortstafeln und in der Gebäudeadressierung kaum durchgesetzt. (weitere Infos vgl. hier.)


Schreibweise von «Thurberg» und «Stelzenhof» in verschiedenen Kartenständen


  • 1945 Siegfriedkarte
  • Thurberg Siegfriedkarte 1945.jpg


  • 1957 Alte Landeskarte
  • Thurberg Alte Landeskarte 1957.jpg



Bundesratsbeschluss vom 22.2.1938

Bundesratsbeschluss 22,2,1938.jpg

Bundesratsbeschluss vom 22. Februar 1938 vgl. hier

Die Arbeitsgruppe ist gestützt auf die Antwort des Regierungsrates vom 3.8.2009 auf die Anfrage vom Kantonsrat Thomas Merz von folgender Aussage des Bundesrates ausgegangen:

Vor dem Hintergrund des einleitend bereits geschilderten Sprachenstreits in den 1930er Jahren beschloss der Bundesrat am 22. Februar 1938, dass die Lokalnamen auf der geplanten Landeskarte der Schweiz mundartnah geschrieben werden sollten (vgl. 3 Rechtliche Grundlagen, Überblick).

Diese Aussage ist jedoch falsch wie man leicht feststellen kann, wenn man diesen Bundesratsbeschluss liest. Die Mundartschreibweise ist in keinem Satz erwähnt und ist erst mit den 1948 vom Justiz- und Polizeidepartement erlassenen Ausführungsbestimmungen Weisungen 1948 ein Thema geworden. Der Bundesrat selber hat von den Kantonen nie eine mundartnahe Schreibweise für Orts- und Flurnamen verlangt. Mit den Weisungen 1948 wurde im Rahmen von gewissen Schranken eine moderate, möglichst an das traditionelle Schriftbild anlehnende Schreibweise für Namen mit geringer, lokalen Bedeutung vorgegeben (vgl. hier.)

Die Schreibweise nach Weisungen 1948 wurde zwischen 1957 und 1992 im Kanton Thurgau auch auf der Landeskarte angewendet. Es bestand weder aus Sicht der Bevölkerung noch aus Sicht des Bundes kein Handlungsbedarf, 1998 die Schreibweise auf den Landeskarten nochmals zu revidieren.


Der Bundesrat erkannte im BRB 22.2.1938 die Problematik, wenn Siedlungsnamen mundartlich geschrieben werden und verlangte gemäss Art. 5 und 7 im Bundesratsbeschluss vom 22. Februar 1938: Namen von bewohnten Orten (Siedlungsnamen), welche im Gebrauch der Bundesverwaltung stehen, sind dem Bund zu Vernehmlassung vorzulegen.

Es ist daher paradox, dass der Bundesratsbeschluss vom 22. Februar 1938 als Ursache für die Probleme der Orts- und Flurnamen im Kanton Thurgau, insbesondere der veränderten Siedlungsnamen genannt wird. Dabei spricht sich der Bundesrat in seinem Beschluss in keinem Wort über die Mundartschreibung aus, hält im Gegenteil an den generellen Schreibregeln der Instruktion von 1937 über Erstellung neuer Landeskarten fest und beschliesst, dass die Schreibweise der Namen von bewohnten Orten (Siedlungsnamen), die im Gebrauch der Bundesverwaltung stehen, dem Bund zur Vernehmlassung vorzulegen sind.



Siehe auch


Weblinks