Schreibweise von Lokalnamen: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Geoinformation HSR
Wechseln zu: Navigation, Suche
Zeile 190: Zeile 190:
  
  
[http://www.lokalnamen.ch/bilder/20061103_garovi.pdf Angelo Garovi erwähnt in seinem Referat "Die Weisungen von 1948:linguistisch-pragmatische Bemerkungen"], dass er in seinem Archiv zahlreiche Stellungnahmen aus dem Jahre 1947 zum Entwurf der Schreibregeln der Landestopografie gesichtet hat. Auch damals propagierte der Bund lautnahe Schreibweise von Lokalnamen und es kam zu einem ähnlichen Schreit wie heute zwischen Bund, Kantonen und Kartografen (und heute zusätzlich auch Geofachleuten). Hervorzuheben ist die damalige Stellungnahme des Kantons Schaffhausen (Zitat aus Referat von Angelo Garovi):
+
[http://www.lokalnamen.ch/bilder/20061103_garovi.pdf Angelo Garovi erwähnt in seinem Referat "Die Weisungen von 1948:linguistisch-pragmatische Bemerkungen"], dass er in seinem Archiv zahlreiche Stellungnahmen aus dem Jahre 1947 zum Entwurf der Schreibregeln der Landestopografie gesichtet hat. Auch damals propagierte der Bund lautnahe Schreibweise von Lokalnamen und es kam zu einem ähnlichen Schreit wie heute die Kontroverse zwischen Bund, Kantonen und Kartografen (und heute zusätzlich auch Geofachleuten). Hervorzuheben ist die damalige Stellungnahme des Kantons Schaffhausen (Zitat aus Referat von Angelo Garovi):
  
 
''In der Stellungnahme der Schaffhauser, verfasst vom späteren Regierungsrat Hermann Wanner, steht zu lesen: Ohne Benützung phonetischer Zeichen wird es nie gelingen, der reichen Vielfalt der Mundart gerecht zu werden mit all den Vokalen, Umlauten, verschieden ausgesprochenen Konsonanten und auch der Betonung. So wird auch eine konsequente Mundartschreibung in den Karten in jeder Hinsicht unbefriedigend sein, weil es den einen zu weit geht und unverständlich bleibt und den Verfechtern der Mundartschreibung doch wieder nicht genügen kann.''
 
''In der Stellungnahme der Schaffhauser, verfasst vom späteren Regierungsrat Hermann Wanner, steht zu lesen: Ohne Benützung phonetischer Zeichen wird es nie gelingen, der reichen Vielfalt der Mundart gerecht zu werden mit all den Vokalen, Umlauten, verschieden ausgesprochenen Konsonanten und auch der Betonung. So wird auch eine konsequente Mundartschreibung in den Karten in jeder Hinsicht unbefriedigend sein, weil es den einen zu weit geht und unverständlich bleibt und den Verfechtern der Mundartschreibung doch wieder nicht genügen kann.''

Version vom 27. November 2006, 06:03 Uhr

Inhaltsverzeichnis

1832-1919 Schreibweise auf Dufour- und Sigfriedkarte

Keine klaren Regelungen vorhanden. Schreibweise von Lokalnamen häufig schriftsprachlich. Details


1916 Regierungsrat Kt. ZH, Grundsätze zur Schreibung der Ortsnamen

Ortsübliche mundartliche Aussprache (jedoch nicht reine mundartliche Sprechart)


1919 Instruktion für die Parzellarvermessung

Artikel 28 lit. i: "Die Lokalnamen sind bei ortskundigen Gemeindeabgeordneten zu erheben und nach der ortsüblichen Schreibweise einzutragen." Für die meisten Ortsnamen gab es jedoch keine ortsübliche Schreibweise, und so blieb es dem Geometer überlassen, ob er Schriftsprache oder Mundart schrieb.


1926 Regierungsrat Kt. ZH, Grundsätze zur Schreibung der Ortsnamen

Eidgen. Justiz und Polizeidepartement korrigiert in den Grundsätzen des Zürcher Regierungsrates "ortsübliche mundartliche Aussprache" auf "ortsübliche Schreibweise".


21.6.1935 Bundesgesetz über die Erstellung neuer Landeskarten

Bundesgesetz vom 21. Juni 1935 über die Erstellung neuer Landeskarten


9.1.1937 Instruktion für die Erstellung neuer Landeskarten

Schriftsprachliche und mundartliche Namen parallel; ortsübliche Schreibweise


1937 Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz

Hinweis, dass bisher Orts- und Lokalnamen in einem Kanton grundsätzlich schriftsprachlich, in anderen in Mundart und in anderen gemischt geschrieben werden. "Unsere Namenschreibung leidet an Vermischung von Mundart und Schriftdeutsch. Ein echtes Bild unseres Namensgutes kann sich nur ergeben durch Aufnahme der Sprechform, wie sind im Munde des bodenständigen Volkes lebt.


1937 Eidgen. Vermessungsdirektion beauftragt Dr. G. Saladin Grundsätze für die Schreibung der Ortsnamen aufzustellen

Als Ausführungsbestimmungen des EJPD zum BB 22. Feb. 1938

Vorschlag Saladin: Für die Schreibweise der sogenannten "Flurnamen" (das heisst aller Orts- und Regionalnamen mit Ausnahme der durch gesetzliche Verordnung festgelegten) muss die im Volksmund lebende Sprechform massgebend sein"


22.2.1938 Bundesratsbeschluss über die Schreibweise der Orts- und Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen

EJPD konnte sich nicht entschliessen, Saladins Vorschläge in Kraft treten zu lassen, das sie im Widerspruch mit den Verfügungen des Eidg. Militärdepartementes (für die Landeskarte). Bundesratsbeschluss erkennt Notwendigkeit und Dringlichkeit einheitlicher Richtlinien "Die Kantone erlassen auf Grund vom EJPD festgesetzte Grundsätze die näheren Vorschriften über die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen. Diese Vorschriften bedürfen der Genehmigung des EJPD.


1945 Eduard Imhof, "Die Ortsnamen in den amtlichen Plänen und Katen"

Sonderabdruck aus der "Schweizerischen Zeitschrift für Vermessungswesen und Kulturtechnik". Hefte 5, 6, 7, 8 und 9, Jahrgang 1945

"Wir suchen in all den bisherigen eidgen. Beschlüssen, Verordnungen und Instruktionen umsonst nach irgendeiner Entscheidung über die Frage, ob die Ortsnamen in den Plänen der Grundbuchvermessung mundartlich oder schriftsprachlich, oder teils so und teils anders, einzutragen seien. Die amtlichen Pläne und Karten haben nicht nur dem Sprachforscher, sondern vor allem der Allgemeinheit zu dienen. Utopie der sprachreinen Karte und Notwendigkeit gemischte Nomenklatur, jedoch mit differenzierter Abgrenzung Schriftsprache und Mundart. Details


1947 Johannes Hubschmid, "Zur Schreibung der Ortsnamen in der deutschsprachigen Schweiz"

Geographica Helvetica, II 1947 Heft 4. J. Hubschmid ist linguistischer Berater der Eidgenössischen Landestopographie und vertritt eine sehr mundartliche Schreibweise


11.8.1947 Vernehmlassung Weisungen 1948 durch EJPD

Der Vermessungsdirektor sendet den Vermessungsaufsichtsbeamten der deutschsprachigen Kantone den Entwurf der Weisungen zu Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen. Stellungnahme bis 20. September 1947. Ausserordentliche Sitzung der Konferenz der eidg. und kantonalen Vermessungsaufsichtsbeamten am 1. September 1947. (1947 wurden die Kantonsgeometer zur Begutachtung des Entwurfes begrüsst im Gegensatz zu 2006, wo der Leitfaden Toponymie den Kantonsgeometer nur z.H. der Nomenklaturkommission zur Stellungnahme zugestellt wurde).

Anschliessend entbrannte in der Schweiz ein Streit zwischen Bund, Kantonen und Kartografen wie Angelo Garovi in seinem Referat "Die Weisungen von 1948:linguistisch-pragmatische Bemerkungen" vom 3.11.2006 anlässlich der Herbsttagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie SGK in Schaffhausen erläuterte.


1948 Eduard Imhof, Mein Standpunkt in der Ortsnamenfrage

Eduart Imhof "Mein Standpunkt in der Ortsnamenfrage" Geographica Helvetica, Jg 3, 1948


27.10.1948 Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz

Nach vielen Diskussionen und Briefwechseln konnten sich alle Beteiligten auf den Konsens Weisungen 1948 einigen.

Grundsätze:

1. Mit der Schreibweise der Lokalnamen ist die eindeutige und übereinstimmende Bezeichnung der Örtlichkeiten bei jedem schriftlichen Gebrauch anzustreben; die Namen sollen leicht zu schreiben und zu lesen sein und von den Einheimischen ohne weiteres verstanden werden. Damit wird die irrtumsfreie Orientierung und Verständigung über Orte am ehesten gewährleistet.

2. Für die Festlegung der Schreibweise ist von der ortsüblichen Sprechform, nicht von der Etymologie oder einer herkömmlichen Schreibung auszugehen; Rückbildungen abgeschliffener und verdunkelter Formen sowie andere Konstruktionen sind abzulehnen. Man schreibe deshalb Hostet, wo so gesprochen wird, nicht Hofstatt. Nicht volkstümliche Zusammensetzungen und unnötige Beifügungen, wie Blackialp oder Alp Blacki, Juchhof, wo bloss Blacki, Juch gesprochen wird, sind zu vermeiden. Bei verschiedenen Sprechformen ein und desselben Namens ist die bodenständigere, in Zweifelsfällen und wo zweckmässig die weiter verbreitete für die Schreibweise massgebend.

3. In der schriftsprachlichen Form sind in der Regel zu belassen:

  • allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, z.B. Berg, Feld, Weg, Grat (nicht Bärg, Fäld, Wäg, Grot);
  • Präpositionen und häufig gebrauchte Adjektive, insbesondere in Verbindung mit schriftsprachlichen Wörtern, z.B. Bei, Auf; Unterer, Oberer Stafel; Kleine Allmend.

Die Weisungen 1948 (Stand 1.4.1977) bilden einerseits einen Kompromiss zwischen schriftsprachlicher und Mundart Schreibweise von Lokalnamen und zudem einen Kompromiss zwischen Forderungen mit weniger Mundart resp. mehr Mundart.

Die Grundsätze zur Schreibung von geografischen Namen (aus Internet Lehrgang Gitta) sind eine kurze Zusammenfassung der Weisungen 1948 in vereinfachter Form. Bemerkenswert in diesem Dokument ist die Bemerkung «Mit Ausnahme solcher extremer Formulierungen, die von kantonalen Nomenklaturkommissionen gelegentlich vorgeschlagen wurden, hat sich die mundartliche Schreibweise allgemein bewährt und durchgesetzt. Trotzdem führt die Schreibweise immer wieder zu Kontroversen, wie kaum ein anderes Element der topographischen Karte.»


5.2.1954 Bundesratsbeschluss über Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen

Aufhebung Bundesratsbeschlusses vom 22.2.1938


30.12.1970 Verordnung über die Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen

Verordnung über die «Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen» vom 30.12.1970 SR 510.625 Wird im Rahmen des GeoIG revidiert neue Verordnung über geografische Namen (GeoNV)


1.4.1977 Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz

Aktuelle Version der Weisungen 1948


22.9.1977 Tagung des Arbeitskreises Namenforschung in Berlin

Zitat aus Referat von Angelo Garovi "Die Weisungen von 1948:linguistisch-pragmatische Bemerkungen" vom 3.11.2006 anlässlich der Herbsttagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie SGK in Schaffhausen erläuterte.

An der Tagung des Arbeitskreises für Namenforschung in Berlin wurden 1977 Fragen der Namengebung auf den Karten thematisiert. Folgende vier Aspekte wurden behandelt:

  • Die linguistischen Strukturen der Flurnamen als sprachliche Zeichen.
  • Die pragmatische Funktion der Flurnamen in der Lebenswirklichkeit der Namenbenutzer.
  • Das amtliche Interesse an der Standardisierung der Mikrotoponymen (Flurnamen).
  • Das sekundäre Interesse der Namenforscher, Historiker u.a.

Man stellte fest: Hierbei ergeben sich erhebliche Interessenskonflikte zwischen den Bedürfnissen der primären Namenbenutzer auf der einen und dem Interesse nach Einheitlichkeit der Behörde und schliesslich dem historischetymologischen Interesse der Namenforscher und Historiker auf der anderen Seite. Aus diesen prinzipiellen Überlegungen heraus soll - als praktische Konsequenz - eine sehr behutsame Haltung eingenommen werden gegenüber allzu rigorosen Eingriffen und Änderungen in den Selbstregelungsprozess der Flurnamenwelt. Die Funktion der Orientierung im Gelände und der Gliederung der Landschaft muss im Zweifelsfalle über allen Interessen stehen. Die Schreibung hält sich an die Orthographie des geläufigen Wortschatzes, soweit der Zusammenhang erkennbar ist. Bei nur mundartlich gebrauchten Namen ohne Parallele im Wortschatz soll eine der Aussprache angenäherte Schreibung angestrebt werden.


27.4.2004 Swisstopo-interne Toponymische Richtlinien

Die swisstopo bespricht mit einzelnen Nomenklaturkommissionen neue Schreibregeln, welche in die swisstopo-internen Toponymischen Richtlinien eingearbeitet werden.


21.1.2005 Kolloquium Toponymie "Unsere Karten sind nicht stumm"

Die swisstopo veranstaltet ein Kolloquium zum Thema "Unsere Karten sind nicht stumm"


05.2005 Entwurf Toponymische Richtlinien

Auf dem Internet publiziert das Bundesamt für Landestopografie den Entwurf Toponymische Richtlinien und es besteht die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Stellungnahmen von Fachorganisationen Der Entwurf wurde ersetzt durch den Entwurf Leitfaden Topoymie2006.


24.1.2006 NZZ-Artikel von Prof. Garovi "Landeskarten als Spielfeld für Linguisten?"

Link auf den Artikel]


28.3.2006 Rückmeldungen zur Vernehmlassung Toponymische Richtlinien

Swisstopo veröffentlicht am 28. März 2006 Rückmeldungen zur Vernehmlassung der Toponymischen Richtlinien


24.5.2006 Antwort des Bundesrates auf die Anfrage von Nationalrätin Kathy Riklin bezüglich Schreibweise von Lokalnamen

Anfrage Nationalrätin Kathy Riklin und Antwort des Bundesrates Der Bundesrat teilt die Auffassung, wonach die Weisungen 1948 einen sinnvollen Kompromiss zwischen berechtigter Schrifttradition und reiner Lokalsprache darstellen.


24.5.2006 Vernehmlassung Entwurf Leitfaden Toponymie Mai 2006

Das Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) sendet denEntwurf Leitfaden Toponymie zur Stellungnahme an die Kantonsgeometer z.H. der Nomenklaturkommissionen, Experten und Fachorganisationen (SOGI, SIK-GIS, KKGEO, geosuisse).

Hauptforderung des Leitfadens:

1. Die schriftliche Form der Lokalnamen soll eindeutig sein und augenblicklich auf die zugehörige mündliche Form weisen und umgekehrt. Sie sollte auch bei jedem schriftlichen Gebrauch dieselbe sein.

2. Die Namen sollen möglichst so geschrieben werden, dass sie im (süd-) alemannischen, schweizerdeutschen Raum von Einheimischen ohne weiteres erkannt und eingeordnet werden können. Damit soll eine irrtumsfreie Orientierung und Verständigung über Orte gewährleistet werden.

Ausgangslage: Schreibweise nach ortsüblicher Sprechform

1. Für die Festlegung der Schreibweise ist in erster Linie auszugehen von der ortsüblichen Sprechform und nicht (zwingend) von der Etymologie oder einer herkömmlichen Schreibform. Etymologische Sachkenntnis, historisch belegbare Fakten und/oder sinnstiftende kulturelle Zusammenhänge können neben praktischen Bedürfnissen (z.B. allgemeiner Zweck der Karten oder der Datenbanken) die Schreibweise mit beeinflussen.

2. Mundartnamen sollen nicht in die Schriftsprache übertragen werden.

3. Zur Eruierung der ortsüblichen Sprechform sollen primär alteingesessene und ortskundige, möglichst der älteren Generation angehörige, mit dem Namenstand gut vertraute (sich beruflich in der Natur bewegende) Gewährspersonen (z.B. Bauern, Älpler, Förster, Wildhüter, Bannwarte, Jäger, Fischer) befragt werden.

4. Bei verschiedenen Sprechformen ein und desselben Namens ist die bodenständigere (d.h. von der älteren Generation noch verwendete) und, wo diese nicht (mehr) eindeutig feststeht, allenfalls die weiter verbreitete („geläufigere") für die Schreibweise massgebend.

GS6

Es wird empfohlen, Namen, deren zugrunde liegendes Wort in der Hoch- oder Standardsprache vorkommt (allgemein bekannte Namenwörter), wie alle übrigen Toponymie zu behandeln und nach der ortsüblichen Sprechform zu notieren. Also z.B. Bärg, Fäld, Stäg, Wäg, Zälg, Räge, Rein, Mei, Boum etc. (wo so gesprochen wird) und nicht – oder nur dort, wo dies die ortsübliche Sprechform ist – Berg, Feld, Steg, Weg, Zelg, Baum etc. – Demnach (z.B. im Kt. BE): Breitfäld, Höje Stäg, Räbbärg/-wärch, Chärderbärg, Chirschboummatte, Meigüetli (Angleichungsformen s. GS 7d.). – Wo die kantonale Tradition es gebietet, kann von dieser Empfehlung abgewichen werden, indem allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind (z.B. Berg, Feld, Weg), standardsprachlich geschrieben werden.


Viele Benutzer bevorzugen zur Schreibung der Lokalnamen weniger, aber keinesfalls mehr Mundart als Weisung 1948 und fordern deshalb vehement, den bisherigen Kompromiss Weisungen 1948 weiterhin beizubehalten und nicht durch den Leitfaden Toponymie 2006 zu ersetzen. In der kontroversen Frage über die künftigen Regeln zur Schreibung der Lokalnamen geht es letztendlich um folgende beiden Fragestellungen:

Stellungnahme der Benutzer: Soll der bisherige Standard Weisungen 1948 ersetzt werden durch einen neuen Standard Leitfaden Toponymie 2006? Ist der neue Standard besser als der alte? Aufgrund der Anforderungen an geografische Namen müssen aus Sicht der Benutzer obige beiden Fragestellungen mit «Nein» beantwortet werden. Die Organisationen SOGI, SIK-GIS und KKGEO lehnen den Leitfaden Toponymie 2006 entschieden ab und plädieren für die Beibehaltung des bisher gültigen Standards Weisungen 1948 Vgl. Stellungnahmen SOGI, SIK-GIS und KKGEO sowie die Diskussion im geowebforum.


2006-11-03 Herbsttagung SGK Schaffhausen

Am 3.11.2006 fand in Schaffhausen die Herbsttagung der Gesellschaft für Kartografie SGK mit vier Referaten zum Thema "Schreibweise von Lokalnamen" statt.



Martin Gurtner vermittelt in seinem Referat einen Überblick über die Schreibweise von geografischen Namen.


Angelo Garovi erwähnt in seinem Referat "Die Weisungen von 1948:linguistisch-pragmatische Bemerkungen", dass er in seinem Archiv zahlreiche Stellungnahmen aus dem Jahre 1947 zum Entwurf der Schreibregeln der Landestopografie gesichtet hat. Auch damals propagierte der Bund lautnahe Schreibweise von Lokalnamen und es kam zu einem ähnlichen Schreit wie heute die Kontroverse zwischen Bund, Kantonen und Kartografen (und heute zusätzlich auch Geofachleuten). Hervorzuheben ist die damalige Stellungnahme des Kantons Schaffhausen (Zitat aus Referat von Angelo Garovi):

In der Stellungnahme der Schaffhauser, verfasst vom späteren Regierungsrat Hermann Wanner, steht zu lesen: Ohne Benützung phonetischer Zeichen wird es nie gelingen, der reichen Vielfalt der Mundart gerecht zu werden mit all den Vokalen, Umlauten, verschieden ausgesprochenen Konsonanten und auch der Betonung. So wird auch eine konsequente Mundartschreibung in den Karten in jeder Hinsicht unbefriedigend sein, weil es den einen zu weit geht und unverständlich bleibt und den Verfechtern der Mundartschreibung doch wieder nicht genügen kann.

Hermann Wanner prophezeite die Situation, welche sich nun heute abzeichnet. Aus dem Referat "Die Schaffhauser Flurnamen im Dickicht der toponymischen Richtlinien" von Alfred Richli geht hervor, dass der Leitfaden Toponymie 2006 aus Sicht des Kantons Schaffhausen zwar wesentlich mehr Mundart als Weisungen 1948 enthält, aber immer noch zu wenig Mundart und dass der Kanton Schaffhausen sowie so schreiben will, wie er für gut hält.


Martin Schlatter legt in seinem Referat "Gründe zur Beibehaltung der Weisungen 1948 aus Sicht der Benutzer" dar, dass es in erster Linie darum geht, dass Lokalnamen nicht geändert werden, da Anpassungen in Datenbanken, Homepages, abgeleitete Namen usw. mit hohem Aufwand verbunden sind. Lokalnamen müssen im Sinne der Orientierungs- und Verständigungsfunktion folgende Aufgaben erfüllen können:

  • Wo keine Gebäudeadressen existieren, müssen Lokalnamen die Funktion von Adressen übernehmen können.
  • Aus Lokalnamen müssen andere Namen abgeleitet werden können.
  • Lokalnamen dienen als Referenzschlüssel in Millionen von Registern, Datenbanken, Erlassen, Dokumenten, Statistiken, Webseiten usw.

Die Weisungen 1948 erfüllen diese Forderungen bestens. Zudem bieten die Weisungen 1948 aus Sicht der Benutzer wesentliche Vorteile gegenüber dem Leitfaden Toponymie 2006 wie

  • Sinnvollen und bewährten Kompromiss beibehalten
  • Harmonie zwischen Lokalnamen und abgeleiteten Namen sowie Harmonie innerhalb der Lokalnamen
  • Einfache Schreib- und Lesbarkeit, Eignung für amtliche Schreibweise


In den Statements einiger Teilnehmer zu den Referaten wird auf die unterschiedlichen Bedürfnisse an Lokalnamen hingewiesen (vgl. Interessenkonflikte)und regen an, für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen zwei unterschiedliche Gefässe zu schaffen:

  • für die Schreibweise von Lokalnamen in Karten und Plänen wie auch als Referenzschlüssel sollen die für die Orientierung und Verständigung über Örtlichkeiten bestens geeignete Weisungen 1948 beibehalten werden
  • Historische und sprachwissenschaftliche Aspekte können mit eigenständigen thematischen Karten und Multimediaanwendungen (Klick auf Flurnamen und es ertönt die Aussprache) wie auch mit Verknüpfung auf Namenbücher optimal abgedeckt werden.

Im Namenbuch des Kantons Luzernwerden Lokalnamen als Stichworte grundsätzlich nach Weisungen 1948 geschrieben, da sie sich als Suchschlüssel und Verständigungsmittel bestens eignen, vgl. dazu auch Eduart Imhof "Mein Standpunkt in der Ortsnamenfrage"


Weblinks