Schreibweise von Lokalnamen

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Inhaltsverzeichnis

Überblick Schreibung von Orts- und Lokalnamen

«Solange es nicht genügend Vokale gibt, um die Aussprache der jeweiligen Orts- und Flurnamen überhaupt einigermassen korrekt darzustellen, hat es trotz aktueller Dialektomanie schlicht keinen Sinn, die «angeblich korrekte örtliche Form» im Dialekt schriftlich fixieren zu wollen. Ganz abgesehen von der Entscheidung, welche der überlieferten, veralteten, differierenden oder aktuellen Formen die offizielle sein soll. Lassens wir also wies ist» Quelle blogwiese

Vorliegendes, wie auch andere Kapitel sind entstanden aus Anregungen aus:


Definition und Zweck von Orts- und Lokalnamen

  • Definition von Orts- und Lokalnamen
  • Zweck von Orts- und Lokalnamen. Grundsatz 1 Weisungen 1948: Mit der Schreibweise der Lokalnamen ist die eindeutige und übereinstimmende Bezeichnung der Örtlichkeiten bei jedem schriftlichen Gebrauch anzustreben; die Namen sollen leicht zu schreiben und zu lesen sein und von den Einheimischen ohne weiteres verstanden werden. Damit wird die irrtumsfreie Orientierung und Verständigung über Orte am ehesten gewährleistet.


Schreibregeln

Mundart und Schriftsprache

In den Dufour- und Sigfriedkarten des 19. Jh. wurden Orts- und Lokalnamen vorwiegend in Schriftsprache geschrieben. Probleme gab es, wenn keine entsprechenden Ausdrücke in Schriftsprache existierten. Daher hat man entweder

  • Namen in der Mundart belassen z.B. «Ennetbaden»
  • oder Namen verhochdeutscht wie z.B. «Scheur»

In der Schweiz es ist es unvermeidlich, dass schriftsprachliche und mundartliche Orts- und Lokalnamen auf Karten und Plänen nebeneinander existieren müssen. Eine Hauptfrage ist nicht nur, wie mundartnah Namen geschrieben werden, sondern wann schriftsprachliche, wann mundartliche Schreibweise gewählt wird. Generell gilt, dass diese Frage an Brisanz verliert (und die das gesamte Schriftbild einer Karte an Harmonie gewinnt), je gemässigter mundartliche Namen geschrieben werden.

Auf dieser Seite wir «gemässigte Mundart» und «extreme Mundart» wir folgt verstanden:

gemässigte Mundart, mundartlich

  • mundartliche Schreibweise im Sinne der Weisungen 1948: allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, werden in der Regel in der schriftsprachlichen Form belassen z.B. Berg, Feld, Weg, Grat (nicht Bärg, Fäld, Wäg, Grot)
  • Verzicht, Mundart lautgetreu, mundartnah wiederzugeben, sondern Anlehnung nicht nur an Mundart, sondern auch an Schriftsprache (Kompromiss)
  • Speziell ausgerichtet für eine leichte Les- und Schreibbarkeit von Orts- und Lokalnamen auf Karten und Plänen sowie für den schriftsprachlichen Verkehr
  • Beispiele
    • Rebberg
    • Steinacher
    • Chirschbaummatte
    • Breitfeld


extreme Mundart, extrem mundartlich

  • mundartnahe Schreibweise im Sinne des Entwurfs Leitfaden Toponymie 2006: es wird empfohlen, Namen, deren zugrunde liegendes Wort in der Hoch- oder Standardsprache vorkommt (allgemein bekannte Namenwörter), wie alle übrigen Toponyme zu behandeln und nach der ortsüblichen Sprechform zu notieren. Also z.B. Bärg, Fäld, Stäg, Wäg, Zälg, Räge, Rein, Mei, Boum usw. (wo so gesprochen wird) und nicht – oder nur dort, wo dies die ortsübliche Sprechform ist – Berg, Feld, Steg, Weg, Zelg, Baum usw.
  • Beispiele
    • Räbbärg
    • Steiacher/Stäiacher/Staiacher
    • Chirschboummatte
    • Höje Stäg
    • Breitfäld


Negative Auswirkungen der extrem Mundart

Auf Karten und Plänen erwartet man nicht extrem mundartliche Namen. Da Orts- und Lokalnamen vor allem im schriftsprachlichen Verkehr zwischen Behörden und Volk benutzt werden, wirken isolierte, extrem mundartliche Namen äusserst lächerlich und peinlich. Dies ist dagegen nicht Fall, wenn in einem Gedicht oder in einem Lied Mundart verwendet wird, da sich der Leser generell auf Mundart einstellt. Die Ursache, dass isolierte extrem mundartliche Orts- und Lokalnamen peinlich wirken, kann auch damit zusammenhängen, dass die Bevölkerung bei der geschriebenen Sprache an Schriftsprache und nicht an Mundartschreibweise gewohnt ist. Zudem können Mundartausdrücke nur sehr mangelhaft mit unserem Alphabet wiedergegeben werden. Durch diesen Mangel können Orts- und Lokalnamen sehr lächerlich wirken. Wir sind uns gewohnt, Schriftsprache zu lesen und automatisch korrekt in Mundart auszusprechen und umgekehrt Mundart zu hören und korrekt in Schriftsprache zu schreiben.

Zu berücksichtigen ist auch, dass Orts- und Lokalnamen nicht nur der einheimischen Bevölkerung dienen müssen, sondern einem internationalen Publikum. Je mundartnaher Orts- und Lokalnamen geschrieben werden, desto lächerlicher wirken sie. In Kanton Schaffhausen wurde ein «Hemmentalertal» in ein «Hämedalertaal» geändert. Es ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass der Schiessplatz «Hemmentalertal» in Schiessplatz «Hämedalertaal»umbenannt würde. Auch die Flurnamenkarte von Schleitheim wirkt lächerlich. Es ist nicht verwunderlich, dass in blogwiese bei dieser Dialektomanie von einem Schildbürgerstreich, einer riesigen Arbeitsbeschaffung und Verschwendung von Steuergeldern gesprochen wird. Da extrem mundartliche Schreibweisen kaum Akzeptanz finden, ist künftig damit zu rechnen, dass mehrere Schreibformen existieren. Gefordert wird jedoch eine einzige, offizielle Schreibweise.


Entwurf Schreibregeln 1947

Mundart ist generell schwierig zu schreiben. Es existieren keine offiziellen Schreibregeln. Besonders schwierig ist es, mundartliche Orts- und Lokalnamen zu schreiben, will man oben genannte Probleme berücksichtigen. 1947 hatte der Bund versucht, den extrem mundartlichen Ansatz zur Schreibung vor Orts- und Lokalnamen zu verfolgen, ist aber damit gescheitert. Der Bund strebt berechtigterweise eine Harmonisierung und Normierung der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen an. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Bund schon 1947, wie dann auch mit den Entwürfen 2005 und 2006 der Überzeugung sein kann, mit einer extrem mundartlichen Schreibung von Orts- und Lokalnamen könne eine Harmonisierung und Normierung erreicht werden. Extrem mundartliche Schreibung berücksichtigt die zahlreichen, lautlichen Besonderheiten unserer Mundarten, welche von Ort zu Ort und sogar innerhalb eines Ortes verschieden sein können. Details


Empfehlungen Eduard Imhof

Der ehemalige ETH Professor für Kartografie Eduard Imhof sprach sich wie auch andere Kartografen, namhafte Sprachwissenschafter und viele Kantone gegen die extrem Mundart im Entwurf des Bundes von 1947 aus und empfahl z.B. unten aufgeführte Lokalnamen wie folgt zu schreiben: Quelle «Mein Standpunkt»:

  • Berg nicht Bärg
  • Kopf nicht Chopf
  • Kreuz nicht Chrüz oder Chritz
  • Lücke nicht Lugge
  • Schlucht nicht Schluecht
  • Moos nicht Mos
  • Rohr nicht Ror
  • Weiher nicht Weier
  • Stein nicht Stei, Stai, Stää oder Staa
  • Horn nicht Hore
  • klein nicht chli, chlei oder glei
  • hinter nicht hinder oder hinger
  • nieder nicht nider
  • ausser nicht usser

Mundartformen dagegen bestehen lassen z.B. in:

  • Egg
  • Spitz
  • Plangge
  • Hueb
  • Gmür
  • Bungert
  • Ifang
  • Luegeten
  • Sedel
  • Ebni
  • Breiti
  • Witi
  • Täli
  • Flüeli
  • Hüsli

Details über Eduard Imhof


Schreibregeln Weisungen 1948

Die Weisungen 1948 bilden notgedrungen einen Kompromiss zwischen schriftsprachlicher, traditioneller und mundartlicher Schreibung und kommen in manchen Einzelheiten mehr den praktischen Bedürfnissen und dem sprachlichen Taktgefühl entgegen als wissenschaftlicher Folgerichtigkeit und strengen Prinzipien.

Es wurden zu einem grossen Teil die Empfehlungen von Eduard Imhof berücksichtigt, folgende mundartliche Mundartversionen wurden im Sinne eines Kompromisses trotzdem verwendet:

  • Weier (anstelle Vorschlag Eduard Imhof Weiher)
  • Wis (anstelle Empfehlung Eduard Imhof Wies)
  • Pfannenstil (Pfannenstiel wie es Imhof empfohlen hat nur bei grösseren Gebieten).

Ein typischer Mundartname gemäss Weisungen 1948 ist «Müli» anstelle «Mühle». Die Weisungen 1948 haben sich in der Praxis sehr bewährt ausser dort, wo man von diesen Regeln abgewichen ist.

weitere Details über Weisungen 1948


Entwurf Toponymische Richtlinien 2005

Anscheinend hat das Bundesamt für Landestopografie die vielen historischen Akten von 1945-1948 kaum miteinbezogen, als die Toponymischen Richtlinien 2005 entworfen wurden. Der Entwurf wurde ähnlich wie 1947 verworfen, da er zu extrem mundartlich war.


Entwurf Leitfaden Toponymie 2006

Mit dem Leitfaden Toponymie 2006 hat der Bund nach 1947 und 2005 ein drittes Mal extrem mundartlichen Schreibregeln entworfen. Es heisst darin: Es wird empfohlen, Namen, deren zugrunde liegendes Wort in der Hoch- oder Standardsprache vorkommt (allgemein bekannte Namenwörter), wie alle übrigen Toponyme zu behandeln und nach der ortsüblichen Sprechform zu notieren. Also z.B. Bärg, Fäld, Stäg, Wäg, Zälg, Räge, Rein, Mei, Boum etc. (wo so gesprochen wird) und nicht – oder nur dort, wo dies die ortsübliche Sprechform ist – Berg, Feld, Steg, Weg, Zelg, Baum etc. – Demnach (z.B. im Kt. BE): Breitfäld, Höje Stäg, Räbbärg/-wärch, Chärderbärg, Chirschboummatte, Meigüetli. Der Leitfaden bezieht sich zwar einzig auf die Flur-, Gelände und Gewässernamen. Damit kann jedoch das Problem der extrem mundartlichen Schreibweise nicht gelöst werden, da Weiler-, Hof- und Flurnamen sehr eng zusammen hängen und nicht isoliert betrachtet werden können. Darum werden auch Weiler- und Hofnamen von der extrem mundartlichen Schreibweise tangiert. Möchte man darauf verzichten, so ist generell auf eine extrem mundartliche Schreibweise zu verzichten.

Leider hat die swisstopo die Bedenken der Benutzer nicht genügend ernst genommen und ist nicht zu den bewährten Weisungen 1948 zurückgekehrt. Anscheinend hat die Dialektomanie ein paar weniger Nomenklaturkommissionen bei der swisstopo grösseren Einfluss als die Anliegen der Benutzer.

Der Leitfaden wird von den Fachorganisationen abgelehnt, da er wesentlich mehr Mundart als Weisungen 1948 zulässt. vgl. geowebforum


Bei Orts- und Lokalnamen existieren wie bei allen anderen Namen grundsätzlich zwei Sprachformen (Sprachrealitäten):

  • schriftliche Sprache
  • gesprochene Sprache

Mit Leitfaden Toponymie 2006 wurde versucht, eine grosse Übereinstimmung der schriftlichen Sprache mit der gesprochenen Sprache zu erzielen. Dies ist jedoch eine grosse Illusion: Solange es nicht genügend Vokale gibt, um die Aussprache der jeweiligen Orts- und Flurnamen überhaupt einigermassen korrekt darzustellen, hat es trotz aktueller Dialektomanie schlicht keinen Sinn, die «angeblich korrekte örtliche Form» im Dialekt schriftlich fixieren zu wollen. Ganz abgesehen von der Entscheidung, welche der überlieferten, veralteten, differierenden oder aktuellen Formen die offizielle sein soll. Lassens wir also wies ist. Quelle blogwiese

Zu einem ähnlichen Schluss ist bereits 1947 auch der Schaffhauser Regierungsrat Hermann Wanner gelangt vgl. Stellungnahme Hermann Wanner


Nomenklaturkommissionen

Heutige Regelung

Verordnung über Orts-, Gemeinde und Stationsnamen Art. 3 Obliegenheiten der Kantone: Nach Massgabe der vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement aufzustellenden Grundsätze erlassen die Kantone nähere Vorschriften über die Erhebung und Schreibweise der Ortsnamen. Insbesondere haben sie eine kantonale Kommission (Nomenklaturkommission) aus drei bis fünf Mitgliedern zu bestellen, welche die vom ausführenden Ingenieur-Geometer erhobenen Namen auf ihre Richtigkeit prüft und deren Schreibweise festsetzt.

Da die Schreibung von mundartlichen Namen trotz Schreibregeln Spielraum offen lässt, ist eine fachgerechte Beurteilung der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen grundsätzlich wichtig, jedoch verheerend, wenn Dialektomanie im Spiel ist. vgl. Kommentar eines Geologen im geowebforum


Dialektomanie

Anstelle sich auf den Zweck von Orts- und Lokalnamen und der Bedürfnisse der Benutzer auszurichten, sind gewisse Nomenklaturkommissionen von einer Dialektomanie befangen, möglichst viele Flurnamen möglichst extrem mundartlich zu schreiben, sehr zum Ärgernis der Benutzer. An der Front werden Tausende von Orts- und Lokalnamen im krassen Widerspruch zu den Weisungen 1948 in extrem mundartliche Formen verändert. Die Benutzer haben das Nachsehen, da diese neuen Formen nicht den Anforderungen an Referenznamen entsprechen und Änderungen viel Aufwand verursachen. Leider ist der Leitfaden Toponymie 2006 stark von dieser Dialektomanie gefärbt.

Eigentlich ist die Umarbeitung der Orts- und Flurnamen in der Schweiz grösstenteils abgeschlossen. Das ganze sieht daher nach Arbeitsbeschaffung für Nomenklaturkommissionen aus. Mit neuen Schreiregeln gibt es immer wieder neue Arbeit. Leider sind schon grosse Teile des Kantons Thurgaus und auch Teile des Kantons Schaffhausens auf extrem mundartliche Schreibung der Orts- und Lokalnamen umgestellt worden, obwohl nach wie vor in der Schweiz Weisungen 1948 mit pragmatischer Schreibung gelten. Man beruft sich in diesen Kantonen allerdings auf die präzisierenden, kantonalen Regelungen zu den Weisungen 1948. Diese Präzisierungen sind jedoch zum Teil keine Präzisierungen mehr, sondern das pure Gegenteil der Weisungen 1948. Die Einführung des Leitfadens Toponymie dürfte daher für die nachträgliche Rechtfertigung der bereits umgestellten Namen sehr willkommen sein.

Gewisse Nomenklaturkommissionen sind zum Teil der Meinung, dass die mundartnahe («bodenständige») Schreibung der einheimischen Bevölkerung aus den Weisungen 1948 abzuleiten seien, da es dort in Grundsatz 1 und 2 heisst:

  1. Mit der Schreibweise der Lokalnamen ist die eindeutige und übereinstimmende Bezeichnung der Örtlichkeiten bei jedem schriftlichen Gebrauch anzustreben; die Namen sollen leicht zu schreiben und zu lesen sein und von den Einheimischen ohne weiteres verstanden werden. Damit wird die irrtumsfreie Orientierung und Verständigung über Orte am ehesten gewährleistet.
  2. Für die Festlegung der Schreibweise ist von der ortsüblichen Sprechform, nicht von der Etymologie oder einer herkömmlichen Schreibung auszugehen;

Leider wird nicht beachtet dass:

  • Weisungen 1948 generell von einer gemässigten, mundartlichen Schreibung ausgeht
  • von einer ortsüblichen Sprachform auszugehen ist im Gegensatz zur Etymologie
  • mit ortsüblicher Sprechform nicht eine mundartnahe Schreibform gemeint ist (es wird in Weisungen nirgends gesagt, dass mundartnah geschrieben werden muss). Diese muss nur von den Einheimischen nur ohne weiteres verstanden werden. Zwischen «eine Schreibform ohne weiteres verstehen» und eine Schreibform so wählen, dass sie fast die phonetische Aussprache einer älteren («bodenständigen») Bevölkerung entspricht, dürfte ein grosser Unterschied liegen, welcher aber in der Dialektomanie nicht mehr so genau wahrgenommen wird.


Interessenkonflikte und Lösungsvorschläge

Interessenkonflikte

Bei der Frage, auf welche Art Lokalnamen geschrieben werden sollen, spielt es eine wesentliche Rolle, welchem Zweck Lokalnamen dienen. Es existieren erhebliche Interessenkonflikte

Die Schweizerische Organisation für Geoinformation (SOGI) schätzt die Kosten für den nachträglichen Folgeaufwand bei Änderungen von Lokalnamen auf mindestens 100 Mio. Fr. vgl. Stellungnahme der SOGI zum Entwurf Leitfaden Toponymie 2006

Obiger Betrag ist konservativ geschätzt. Bereits eine Änderung eines einzigen Lokalnamens z.B. «Matterhorn» auf «Matterhore», würde mit ca. 2.8 Mio. Einträgen im Internet über den Daumen gepeilt ca. 280 Mio. Fr. kosten, wenn pro Änderung pauschal 100 Fr. eingesetzt würde. Es geht hier lediglich darum, die Grössenordnungen und dir Problematik aufzuzeigen.

Ausgehend von Statements einiger Tagungsteilnehmer der Herbsttagung 2006 in Schaffhausen wird folgendes Postulat aufgestellt: Im Interessenkonflikt bei der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen gilt es zwei unterschiedliche Gefässe zu nutzen:

  • Pragmatische Schreibweise belassen (Karten und Pläne, Regeln: Weisungen 1948)
  • Mundartnahe Schreibweise (Namenbuch, thematische Geodatenebenen, allenfalls Tonwiedergabe, Regeln z.B. Leitfaden Toponymie 2006)

vgl. auch entsprechendes Schema



Anforderungen der Benutzer

Die Benutzer von Orts- und Lokalnamen fordern die Beibehaltung der Weisungen 1948 aus folgenden Gründen:

  1. Neue Schreibregeln bedingen die Änderung der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen. Wegen des Anpassungsaufwandes sollen Orts- und Lokalnamen nicht verändert werden Änderungen der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen
  2. Orts- und Lokalnamen sind Referenznamen. Im Zusammenspiel mit Strassen- und Stationsnamen wie auch mit Namen von Fachdaten, eignen sich die Weisungen 1948 wesentlich besser als die Schreibweise gemäss Leitfaden Toponymie 2006 vgl. Zusammenspiel von Orts- und Lokalnamen mit Strassen- und Stationsamen sowie Namen von Fachdaten
  3. Orts- und Lokalnamen sollen einfach schreib- und lesbar sein. Diese Forderung wird durch den Leitfaden Toponymie 2006 nicht erfüllt.
  4. Orts- und Lokalnamen sollen allgemein auf Akzeptanz stossen. Bei Mundartnahen Schreibweisen ist dies äusserst fraglich und es muss in Kauf genommen werden, dass parallel verschiedenen Schreibversionen existieren. Ziel wäre, eine einzige offizielle Schreiform.


Wie sollen künftig Orts- und Lokalnamen geschrieben werden?

  • Primärerer Zweck der Orts- und Lokalnamen ist die Orientierung und Verständigung über Örtlichkeiten. Weitergehende Zwecke können mit dem Namenbuch abgedeckt werden.
  • Auf eine Reform von der pragmatischen Schreibweise gemäss Weisung 1948 auf extrem mundartliche Schreibweise gemäss Leitfaden Toponymie 2006 muss verzichtet werden, da Orts- und Lokalnamen einfach les- und schreibbar sein müssen und eine allgemeine Akzeptanz finden sollen.
  • Grundsätzlich keine Orts- und Lokalnamen ändern, sondern so belassen wie sie sind. D.h. heutige Schreibweise einfrieren.
    • Änderungen bei Orts- und Lokalnamen, welche schon nach Weisungen 1948 überarbeitet wurden:
      • Änderungen nur, wenn die Schreibweise in der Amtlichen Vermessung und Landeskarte differieren.
      • Übereinstimmung mit Namen von Strassen- und Haltestellen anstreben
      • Einbezug der Gemeinde und der Benutzer
      • Aus Flurnamen nicht heilige Kühe machen. Pragmatische Überlegungen sind angebracht.
    • Änderungen bei Orts- und Lokalnamen, welche noch nicht nach Weisungen 1948 überarbeitet wurden:
      • Mit Weisungen 1948 wurde nach dem 2. Weltkrieg eine einmalige Aktion eingeleitet, schriftsprachliche Lokalnamen in eine pragmatische Mundartform zu überführen. Hintergrund bildeten auch der Zeitgeist des 2. Weltkrieges und die Bewahrung der schweizerischen Identität. Heute hat sich die Situation gegenüber 1948 geändert. Diese Aktion muss nun nach ca. 60 Jahren als abgeschlossen gelten.
      • Orts- und Lokalnamen z.B. von Chur, welche aus einer Amtlichen Vermessung vor 1900 stammen, sind kaum in eine Mundartform zu überführen, da sich die Schreibweisen längst eingebürgert haben und in Hunderten von Registern und Erlassen enthalten sind.
      • Orts- und Lokalnamen in diesen Fällen so belassen wie sind. Eine Änderung gemäss Weisungen 1948 nur dann, wenn sichergestellt ist, dass eine Nachführung in allen Registern usw. rasch möglich ist und finanziert werden kann.


Anhörung Verordnung über geografischen Namen (GeoNV)

Folgende wichtige Forderungen der Benutzer für geografische Namen, zu denen auch Orts- und Lokalnamen gehören, sind im Entwurf der GeoNV als Grundsätze enthalten:

  • Art. 1 Zweck Geografische Namen dienen zur Verständigung über Örtlichkeiten und sollen im amtlichen Verkehr sowie in allen amtlichen Informationsträgern einheitlich gemäss der vorliegenden Verordnung verwendet werden.
  • Art. 4 Allgemeine Regel Geografische Namen sollen einfach schreib- und lesbar sein sowie eine allgemeine Akzeptanz aufweisen.


Umsetzung der Grundsätze:


Erforderliche Ergänzungen in der GeoNV:

Die Grundsätze in der Verordnung über geografischen Namen (GeoNV) sind ausgezeichnet. Damit sie aber in Zukunft tatsächlich realisiert werden, müsste die Verordnung im folgenden Sinn ergänzt werden:

  • Die Weisungen 1948 müssen in der GeoNV verankert werden.
  • Die Schreibweise von Orts- und Lokalnamen soll unverändert bleiben. Es gelten die beiden folgenden Ausnahmen:
  1. Die heutige Schreibweise für eine bestimmte Örtlichkeit wird verändert, wenn die Schreibweisen auf Landeskarte und Amtlicher Vermessung nicht übereinstimmen.
  2. Die Schreibweise für eine bestimmte Örtlichkeit wird nötigenfalls verbessert, wenn die heutige Schreibweise bisher noch nie nach den Weisungen 1948 bearbeitet worden ist und die Nachführung der Namen in entsprechenden Registern usw. sichergestellt werden kann.



Chronologie Schreibweise von Orts- und Lokalnamen

1832-1919 Schreibweise auf Dufour- und Sigfriedkarte

Für die Schreibweise von Orts- und Lokalnamen auf der Dufourkarte und der Sigfriedkartesind keine klaren Schreibregeln vorhanden. Orts- und Lokalnamen werden vorwiegend schriftsprachlich geschrieben. vgl. auch


1916 Regierungsrat Kt. ZH, Grundsätze zur Schreibung der Ortsnamen

Ortsübliche mundartliche Aussprache (jedoch nicht reine mundartliche Sprechart)


1919 Instruktion für die Parzellarvermessung

Artikel 28 lit. i: «Die Lokalnamen sind bei ortskundigen Gemeindeabgeordneten zu erheben und nach der ortsüblichen Schreibweise einzutragen.» Für die meisten Ortsnamen gab es jedoch keine ortsübliche Schreibweise, und so blieb es dem Geometer überlassen, ob er Schriftsprache oder Mundart schrieb.


1926 Regierungsrat Kt. ZH, Grundsätze zur Schreibung der Ortsnamen

Eidgen. Justiz und Polizeidepartement korrigiert in den Grundsätzen des Zürcher Regierungsrates «ortsübliche mundartliche Aussprache» auf «ortsübliche Schreibweise».


21.6.1935 Bundesgesetz über die Erstellung neuer Landeskarten

Bundesgesetz vom 21. Juni 1935 über die Erstellung neuer Landeskarten


9.1.1937 Instruktion für die Erstellung neuer Landeskarten

Schriftsprachliche und mundartliche Namen parallel; ortsübliche Schreibweise


1937 Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz

Hinweis, dass bisher Orts- und Lokalnamen in einem Kanton grundsätzlich schriftsprachlich, in anderen in Mundart und in anderen gemischt geschrieben werden. «Unsere Namenschreibung leidet an Vermischung von Mundart und Schriftdeutsch. Ein echtes Bild unseres Namensgutes kann sich nur ergeben durch Aufnahme der Sprechform, wie sind im Munde des bodenständigen Volkes lebt.»


1937 Eidgen. Vermessungsdirektion beauftragt Dr. G. Saladin Grundsätze für die Schreibung der Ortsnamen aufzustellen

Als Ausführungsbestimmungen des EJPD zum BB 22. Feb. 1938

Vorschlag Saladin: «Für die Schreibweise der sogenannten «Flurnamen» (das heisst aller Orts- und Regionalnamen mit Ausnahme der durch gesetzliche Verordnung festgelegten) muss die im Volksmund lebende Sprechform massgebend sein»


22.2.1938 Bundesratsbeschluss über die Schreibweise der Orts- und Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen

EJPD konnte sich nicht entschliessen, Saladins Vorschläge in Kraft treten zu lassen, das sie im Widerspruch mit den Verfügungen des Eidg. Militärdepartementes (für die Landeskarte). Bundesratsbeschluss erkennt Notwendigkeit und Dringlichkeit einheitlicher Richtlinien «Die Kantone erlassen auf Grund vom EJPD festgesetzte Grundsätze die näheren Vorschriften über die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen. Diese Vorschriften bedürfen der Genehmigung des EJPD»


1945 Eduard Imhof, «Die Ortsnamen in den amtlichen Plänen und Katen»

Sonderabdruck aus der «Schweizerischen Zeitschrift für Vermessungswesen und Kulturtechnik». Hefte 5, 6, 7, 8 und 9, Jahrgang 1945

«Wir suchen in all den bisherigen eidgen. Beschlüssen, Verordnungen und Instruktionen umsonst nach irgendeiner Entscheidung über die Frage, ob die Ortsnamen in den Plänen der Grundbuchvermessung mundartlich oder schriftsprachlich, oder teils so und teils anders, einzutragen seien.» Die amtlichen Pläne und Karten haben nicht nur dem Sprachforscher, sondern vor allem der Allgemeinheit zu dienen. Utopie der sprachreinen Karte und Notwendigkeit gemischte Nomenklatur, jedoch mit differenzierter Abgrenzung Schriftsprache und Mundart. Details


1947 Johannes Hubschmid, «Zur Schreibung der Ortsnamen in der deutschsprachigen Schweiz»

Geographica Helvetica, II 1947 Heft 4. J. Hubschmid ist linguistischer Berater der Eidgenössischen Landestopographie und vertritt eine sehr mundartliche Schreibweise


11.8.1947 Vernehmlassung Weisungen 1948 durch EJPD

Der Vermessungsdirektor sendet den Vermessungsaufsichtsbeamten der deutschsprachigen Kantone den Entwurf der Weisungen zu Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen. Stellungnahme bis 20. September 1947. Ausserordentliche Sitzung der Konferenz der eidg. und kantonalen Vermessungsaufsichtsbeamten am 1. September 1947. (1947 wurden die Kantonsgeometer zur Begutachtung des Entwurfes begrüsst im Gegensatz zu 2006, wo der Entwurf zum Leitfaden Toponymie 2006 den Kantonsgeometern nur z.H. der Nomenklaturkommission zur Stellungnahme zugestellt wurde).

Anschliessend entbrannte in der Schweiz ein Streit zwischen Bund, Kantonen und Kartografen wie Angelo Garovi in seinem Referat «Die Weisungen von 1948:linguistisch-pragmatische Bemerkungen» vom 3.11.2006 anlässlich der Herbsttagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie SGK in Schaffhausen erläuterte.


1948 Eduard Imhof, Mein Standpunkt in der Ortsnamenfrage

Eduart Imhof «Mein Standpunkt in der Ortsnamenfrage» Geographica Helvetica, Jg 3, 1948


27.10.1948 Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz

Nach vielen Diskussionen und Briefwechseln konnten sich alle Beteiligten auf den Konsens Weisungen 1948 einigen. vgl. auch Angelo Garovi

Grundsätze:

1. Mit der Schreibweise der Lokalnamen ist die eindeutige und übereinstimmende Bezeichnung der Örtlichkeiten bei jedem schriftlichen Gebrauch anzustreben; die Namen sollen leicht zu schreiben und zu lesen sein und von den Einheimischen ohne weiteres verstanden werden. Damit wird die irrtumsfreie Orientierung und Verständigung über Orte am ehesten gewährleistet.

2. Für die Festlegung der Schreibweise ist von der ortsüblichen Sprechform, nicht von der Etymologie oder einer herkömmlichen Schreibung auszugehen; Rückbildungen abgeschliffener und verdunkelter Formen sowie andere Konstruktionen sind abzulehnen. Man schreibe deshalb Hostet, wo so gesprochen wird, nicht Hofstatt. Nicht volkstümliche Zusammensetzungen und unnötige Beifügungen, wie Blackialp oder Alp Blacki, Juchhof, wo bloss Blacki, Juch gesprochen wird, sind zu vermeiden. Bei verschiedenen Sprechformen ein und desselben Namens ist die bodenständigere, in Zweifelsfällen und wo zweckmässig die weiter verbreitete für die Schreibweise massgebend. vgl. auch Azheimerhof oder Ozemerhof

3. In der schriftsprachlichen Form sind in der Regel zu belassen:

  • allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, z.B. Berg, Feld, Weg, Grat (nicht Bärg, Fäld, Wäg, Grot);
  • Präpositionen und häufig gebrauchte Adjektive, insbesondere in Verbindung mit schriftsprachlichen Wörtern, z.B. Bei, Auf; Unterer, Oberer Stafel; Kleine Allmend.

Die Weisungen 1948 (Stand 1.4.1977) bilden einerseits einen Kompromiss zwischen schriftsprachlicher und Mundart Schreibweise von Lokalnamen und zudem einen Kompromiss zwischen Forderungen mit weniger Mundart resp. mehr Mundart.

Die Grundsätze zur Schreibung von geografischen Namen (aus Internet Lehrgang Gitta) sind eine kurze Zusammenfassung der Weisungen 1948 in vereinfachter Form. Bemerkenswert in diesem Dokument ist die Bemerkung «Mit Ausnahme solcher extremer Formulierungen, die von kantonalen Nomenklaturkommissionen gelegentlich vorgeschlagen wurden, hat sich die mundartliche Schreibweise allgemein bewährt und durchgesetzt. Trotzdem führt die Schreibweise immer wieder zu Kontroversen, wie kaum ein anderes Element der topographischen Karte.»


5.2.1954 Bundesratsbeschluss über Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen

Aufhebung Bundesratsbeschlusses vom 22.2.1938


30.12.1970 Verordnung über die Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen

Verordnung über die «Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen» vom 30.12.1970 SR 510.625 Wird im Rahmen des GeoIG revidiert als neue Verordnung über geografische Namen (GeoNV)


1.4.1977 Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz

Aktuelle Version der Weisungen 1948


22.9.1977 Tagung des Arbeitskreises Namenforschung in Berlin

Zitat aus Referat von Angelo Garovi «Die Weisungen von 1948:linguistisch-pragmatische Bemerkungen» vom 3.11.2006 anlässlich der Herbsttagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie SGK in Schaffhausen erläuterte.

An der Tagung des Arbeitskreises für Namenforschung in Berlin wurden 1977 Fragen der Namengebung auf den Karten thematisiert. Folgende vier Aspekte wurden behandelt:

  • Die linguistischen Strukturen der Flurnamen als sprachliche Zeichen.
  • Die pragmatische Funktion der Flurnamen in der Lebenswirklichkeit der Namenbenutzer.
  • Das amtliche Interesse an der Standardisierung der Mikrotoponymen (Flurnamen).
  • Das sekundäre Interesse der Namenforscher, Historiker u.a.

Man stellte fest: Hierbei ergeben sich erhebliche Interessenskonflikte zwischen den Bedürfnissen der primären Namenbenutzer auf der einen und dem Interesse nach Einheitlichkeit der Behörde und schliesslich dem historischetymologischen Interesse der Namenforscher und Historiker auf der anderen Seite. Aus diesen prinzipiellen Überlegungen heraus soll - als praktische Konsequenz - eine sehr behutsame Haltung eingenommen werden gegenüber allzu rigorosen Eingriffen und Änderungen in den Selbstregelungsprozess der Flurnamenwelt. Die Funktion der Orientierung im Gelände und der Gliederung der Landschaft muss im Zweifelsfalle über allen Interessen stehen. Die Schreibung hält sich an die Orthographie des geläufigen Wortschatzes, soweit der Zusammenhang erkennbar ist. Bei nur mundartlich gebrauchten Namen ohne Parallele im Wortschatz soll eine der Aussprache angenäherte Schreibung angestrebt werden.


27.4.2004 Swisstopo-interne Toponymische Richtlinien

Die swisstopo bespricht mit einzelnen Nomenklaturkommissionen neue Schreibregeln, welche in die swisstopo-internen Toponymischen Richtlinien eingearbeitet werden.


21.1.2005 Kolloquium Toponymie «Unsere Karten sind nicht stumm»

Die swisstopo veranstaltet ein Kolloquium zum Thema «Unsere Karten sind nicht stumm»


05.2005 Entwurf Toponymische Richtlinien

Auf dem Internet publiziert das Bundesamt für Landestopografie den Entwurf Toponymische Richtlinien und es besteht die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Stellungnahmen von Fachorganisationen Der Entwurf wurde ersetzt durch den Entwurf Leitfaden Topoymie2006.


26.6.2005 Homepage www.lokalnamen.ch

Paul Märki schaltet eine Homepage zur Problematik «Schreibweise von Lokalnamen auf Karten und Plänen» auf und aktualisiert sie laufend. Es besteht ein öffentliches Interesse, dass die heutige Schreibweise von Lokalnamen grundsätzlich unverändert bleibt. Link auf Homepage www.lokalnamen.ch


28.6.2005 Nomenklaturtagung

Die swisstopo organisiert eine Veranstaltung zur Vorstellung der Toponymischen Richtlinien.


24.1.2006 NZZ-Artikel von Prof. Garovi «Landeskarten als Spielfeld für Linguisten?»

Link auf den Artikel]


28.3.2006 Rückmeldungen zur Vernehmlassung Toponymische Richtlinien

Swisstopo veröffentlicht am 28. März 2006 Rückmeldungen zur Vernehmlassung der «Toponymischen Richtlinien»'

Der Übergang vom Entwurf Toponymische Richtlinien zum Leitfaden Toponymie ist nicht transparent. Warum plötzlich ein Leitfaden?

Stellungnahmen Fachorganisationen

Stellungnahme der SIK-GIS vom 12.Sept 2005 enthält beispielsweise folgende Forderungen:

  • Es soll eine Projektgruppe gebildet werden, in welcher auch Sprachwissenschafter und andere Fachleute paritätisch vertreten sind, welche eine grundsätzliche Beibehaltung der Kompromissschreibweise 1948 für Lokalnamen als befürworten. Diese Projektgruppe soll die eingegangenen Stellungnahmen sichten und zuhanden der swisstopo und der Kantone einen Konzeptvorschlag für das weitere Vorgehen unterbreiten.
  • Die Kompromisslösung gemäss Weisungen 1948 ist unbedingt zu belassen, und auf die konsequente Schreibweise nach Dieth ist grundsätzlich zu verzichten. Insbesondere sollen nach wie vor Standardschreibweisen gemäss Beispiele 2.2 a) in der Regel verwendet werden. Auf die Anzeige von Dehnungen durch Verdoppelung der Vokale gemäss Beispielen 2.2 c) soll in der Regel verzichtet werden. Solche Doppelvokale erschweren die Lesbarkeit der Namen und führen bei Laien zu vermehrter Unsicherheit über die richtige Aussprache.

Leider wurde bei der Erarbeitung des Leitfadens Toponymie 2006 weder eine Projektgruppe gebildet werden, in welcher auch Sprachwissenschafter und andere Fachleute paritätisch vertreten gewesen wären, welche eine grundsätzliche Beibehaltung der Kompromissschreibweise 1948 für Lokalnamen befürworten, noch wurde die Kompromisslösung gemäss Weisungen 1948 beibehalten. Leider wurde nicht eine pragmatische, sondern eine wissenschaftliche Lösung ausgearbeitet. Leider wurde nie publiziert, wo angebliche Mängel der Weisungen 1948 konkret zu finden sind. So verhärtet sich der Verdacht, dass es alleine darum ging, mehr Mundart zuzulassen.


24.5.2006 Vernehmlassung Entwurf Leitfaden Toponymie Mai 2006

Das Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) sendet den Entwurf Leitfaden Toponymie zur Stellungnahme an die Kantonsgeometer z.H. der Nomenklaturkommissionen, Experten und Fachorganisationen (SOGI, SIK-GIS, KKGEO, geosuisse).

Hauptforderung des Leitfadens:

1. Die schriftliche Form der Lokalnamen soll eindeutig sein und augenblicklich auf die zugehörige mündliche Form weisen und umgekehrt. Sie sollte auch bei jedem schriftlichen Gebrauch dieselbe sein.

2. Die Namen sollen möglichst so geschrieben werden, dass sie im (süd-) alemannischen, schweizerdeutschen Raum von Einheimischen ohne weiteres erkannt und eingeordnet werden können. Damit soll eine irrtumsfreie Orientierung und Verständigung über Orte gewährleistet werden.

Ausgangslage: Schreibweise nach ortsüblicher Sprechform

1. Für die Festlegung der Schreibweise ist in erster Linie auszugehen von der ortsüblichen Sprechform und nicht (zwingend) von der Etymologie oder einer herkömmlichen Schreibform. Etymologische Sachkenntnis, historisch belegbare Fakten und/oder sinnstiftende kulturelle Zusammenhänge können neben praktischen Bedürfnissen (z.B. allgemeiner Zweck der Karten oder der Datenbanken) die Schreibweise mit beeinflussen.

2. Mundartnamen sollen nicht in die Schriftsprache übertragen werden.

3. Zur Eruierung der ortsüblichen Sprechform sollen primär alteingesessene und ortskundige, möglichst der älteren Generation angehörige, mit dem Namenstand gut vertraute (sich beruflich in der Natur bewegende) Gewährspersonen (z.B. Bauern, Älpler, Förster, Wildhüter, Bannwarte, Jäger, Fischer) befragt werden.

4. Bei verschiedenen Sprechformen ein und desselben Namens ist die bodenständigere (d.h. von der älteren Generation noch verwendete) und, wo diese nicht (mehr) eindeutig feststeht, allenfalls die weiter verbreitete («geläufigere») für die Schreibweise massgebend.

GS6

Es wird empfohlen, Namen, deren zugrunde liegendes Wort in der Hoch- oder Standardsprache vorkommt (allgemein bekannte Namenwörter), wie alle übrigen Toponymie zu behandeln und nach der ortsüblichen Sprechform zu notieren. Also z.B. Bärg, Fäld, Stäg, Wäg, Zälg, Räge, Rein, Mei, Boum etc. (wo so gesprochen wird) und nicht – oder nur dort, wo dies die ortsübliche Sprechform ist – Berg, Feld, Steg, Weg, Zelg, Baum etc. – Demnach (z.B. im Kt. BE): Breitfäld, Höje Stäg, Räbbärg/-wärch, Chärderbärg, Chirschboummatte, Meigüetli (Angleichungsformen s. GS 7d.). – Wo die kantonale Tradition es gebietet, kann von dieser Empfehlung abgewichen werden, indem allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind (z.B. Berg, Feld, Weg), standardsprachig geschrieben werden.


Viele Benutzer bevorzugen zur Schreibung der Lokalnamen weniger, aber keinesfalls mehr Mundart als Weisung 1948 und fordern deshalb vehement, den bisherigen Kompromiss Weisungen 1948 weiterhin beizubehalten und nicht durch den Leitfaden Toponymie 2006 zu ersetzen. In der kontroversen Frage über die künftigen Regeln zur Schreibung der Lokalnamen geht es letztendlich um folgende beiden Fragestellungen:

Stellungnahme der Benutzer: Soll der bisherige Standard Weisungen 1948 ersetzt werden durch einen neuen Standard Leitfaden Toponymie 2006? Ist der neue Standard besser als der alte? Aufgrund der Anforderungen an geografische Namen müssen aus Sicht der Benutzer obige beide Fragestellungen mit «Nein» beantwortet werden. Die Organisationen SOGI, SIK-GIS und KKGEO lehnen den Leitfaden Toponymie 2006 entschieden ab und plädieren für die Beibehaltung des bisher gültigen Standards Weisungen 1948 Vgl. Stellungnahmen SOGI, SIK-GIS und KKGEO sowie die Diskussion im geowebforum.


24.5.2006 Antwort des Bundesrates auf die Anfrage von Nationalrätin Kathy Riklin bezüglich Schreibweise von Lokalnamen

Anfrage Nationalrätin Kathy Riklin und Antwort des Bundesrates Der Bundesrat teilt die Auffassung, wonach die Weisungen 1948 einen sinnvollen Kompromiss zwischen berechtigter Schrifttradition und reiner Lokalsprache darstellen.


3.11.2006 Herbsttagung SGK Schaffhausen

Am 3.11.2006 fand in Schaffhausen die Herbsttagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kartografie SGK mit vier Referaten zum Thema «Schreibweise von Lokalnamen» statt.



Martin Gurtner vermittelt in seinem Referat einen Überblick über die Schreibweise von geografischen Namen.


Angelo Garovi erwähnt in seinem Referat «Die Weisungen von 1948:linguistisch-pragmatische Bemerkungen», dass er in seinem Archiv zahlreiche Stellungnahmen aus dem Jahre 1947 zum Entwurf der Schreibregeln der Landestopografie gesichtet hat. Auch damals propagierte der Bund lautnahe Schreibweise von Lokalnamen und es kam zu einem ähnlichen Schreit wie heute die Kontroverse zwischen Bund, Kantonen und Kartografen (und heute zusätzlich auch Geofachleuten). Hervorzuheben ist die damalige Stellungnahme des Kantons Schaffhausen (Zitat aus Referat von Angelo Garovi):

In der Stellungnahme der Schaffhauser, verfasst vom späteren Regierungsrat Hermann Wanner, steht zu lesen: Ohne Benützung phonetischer Zeichen wird es nie gelingen, der reichen Vielfalt der Mundart gerecht zu werden mit all den Vokalen, Umlauten, verschieden ausgesprochenen Konsonanten und auch der Betonung. So wird auch eine konsequente Mundartschreibung in den Karten in jeder Hinsicht unbefriedigend sein, weil es den einen zu weit geht und unverständlich bleibt und den Verfechtern der Mundartschreibung doch wieder nicht genügen kann.

Hermann Wanner prophezeite die Situation, welche sich nun heute abzeichnet. Aus dem Referat «Die Schaffhauser Flurnamen im Dickicht der toponymischen Richtlinien» von Alfred Richli geht hervor, dass der «'Leitfaden Toponymie 2006»' aus Sicht des Kantons Schaffhausen zwar wesentlich mehr Mundart als «Weisungen 1948»' zulässt und dass der Kanton Schaffhausen sowie so schreiben will, wie er für gut hält.


Martin Schlatter legt in seinem Referat «Gründe zur Beibehaltung der Weisungen 1948 aus Sicht der Benutzer» dar, dass es in erster Linie darum geht, dass Lokalnamen nicht geändert werden, da Anpassungen in Datenbanken, Homepages, abgeleitete Namen usw. mit hohem Aufwand verbunden sind. Lokalnamen müssen im Sinne der Orientierungs- und Verständigungsfunktion folgende Aufgaben erfüllen können:

  • Wo keine Gebäudeadressen existieren, müssen Lokalnamen die Funktion von Adressen übernehmen können.
  • Aus Lokalnamen müssen andere Namen abgeleitet werden können.
  • Lokalnamen dienen als Referenzschlüssel in Millionen von Registern, Datenbanken, Erlassen, Dokumenten, Statistiken, Webseiten usw.

Die Weisungen 1948 erfüllen diese Forderungen bestens. Zudem bieten die Weisungen 1948 aus Sicht der Benutzer wesentliche Vorteile gegenüber dem Leitfaden Toponymie 2006 wie

  • Sinnvollen und bewährten Kompromiss beibehalten
  • Harmonie zwischen Lokalnamen und abgeleiteten Namen sowie Harmonie innerhalb der Lokalnamen
  • Einfache Schreib- und Lesbarkeit, Eignung für amtliche Schreibweise

In den Stellungnahmen einiger Tagungsteilnehmerinnen und Tagungsteilnehmer zur Frage «Welches ist Ihre persönliche Meinung zur Schreibweise von Lokalnamen (Flurnamen) auf der Landeskarte?» wird auf die unterschiedlichen Interessen an Lokalnamen hingewiesen (vgl. Interessenkonflikte)und es wird angeregt, für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen unterschiedliche Gefässe zu verwenden, welche miteinander verlinkt werden können:

  • für die Schreibweise von Lokalnamen in Karten und Plänen wie auch als Referenznamen sollen die für die Orientierung und Verständigung über Örtlichkeiten bestens geeignete Weisungen 1948 beibehalten werden
  • Historische und sprachwissenschaftliche Aspekte können mit Namenbüchern, eigenständigen thematischen Geodatenebenen sowie auch Multimediaanwendungen (Klick auf Flurnamen und es ertönt die Aussprache) optimal abgedeckt werden.

Im Namenbuch des Kantons Luzernwerden Lokalnamen als Stichworte grundsätzlich nach Weisungen 1948 geschrieben, da sie sich als Suchschlüssel und Verständigungsmittel bestens eignen, vgl. dazu auch Eduart Imhof «Mein Standpunkt in der Ortsnamenfrage»


1.12.2006-26.2.2007 Anhörung Verordnung über geografischen Namen (GeoNV)

Nähers über Anhörung GeoNV vgl.


Weblinks