Singenberg - Singebärg - Singenberg

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Betrachtungen zur historischen Schreibweise Singenberg sowie zu den Hintergründen, die zur Änderung in Singebärg und Rückänderung in Singenberg führten.


Singenberg LK1984.jpg

Landeskarte 1984 mit Schreibweise Singenberg (Quelle Thurgis, Historische Karten)


Singenberg Wanderkarte TG.jpg

Wanderkarte des Kantons Thurgau mit aktueller Schreibweise Singebärg (schwarze Textfarbe) entsprechend der aktuellen Landeskarte sowie mit der künftigen Bezeichnung Singenberg (grüne Textfarbe) entsprechend der Rückänderung auf die bis ins Jahr 1386 zurückgehende traditionelle Bezeichnung Singenberg.


vgl. auch


Historische Schreibweisen von Singenberg

Quelle Ortsnamen.ch resp. Thurgauer Namenbuch

  • 1386 Singenberg
  • 1413 Singenberg
  • 1487 Zinggenberg
  • 1500 Singenberg
  • 1505 singenberg
  • 1517 Singenberg
  • 1575 Singenberg
  • 1637 Singenberg
  • 1676 Singenberg
  • 1689 Singenberg
  • 1832 Sinnenberg
  • 1887 Singenberg


  • 1855 - 1935 Singenberg (Dufourkarte)
  • 1885 - 1945 Singenberg (Siegfriedkarte)
  • 1955 - 1990 Singenberg (Landeskarte)
  • 1996 - 2011 Singebärg (Landeskarte)


Singenberg als bedeutendes Kulturgut trug über 600 Jahre die Schreibweise Singenberg. Es ist nicht nachvollziehbar, dass zur Erhaltung dieses Kulturgutes dessen Schreibweisse ab 1998 auf Singebärg geändert werden muss.


Mundartschreibweise zur Erhaltung eines bedeutendes Kulturgutes - Änderung Singenberg in Singebärg

Am 2. September 2009 konnte im Tages Anzeiger auf der 2. Seite unter den Titel «Wenn die Dialektwelle die Feuerwehr in die Irre führt» folgender Hinweis auf die Frage gefunden werden, warum im Kanton Thurgau z.B. eine Bezeichnung Singenberg auf Singebärg geändert wurde:

«Wichtiges Kulturgut erhalten»

Rund 10'000 Orts- und Flurnamen hat der Thurgau bereits mundartsnah angepasst. So wurde «Nollen» zu «Nolen», «Rotbühl» zu «Roopel» und – eines der skurrilsten Beispiele – «Matzenrein» zu «Maazerooa». Mit dem Rückgriff auf uralte Mundartbezeichnungen werde «ein wichtiges Kulturgut erhalten», begründet der zuständige Regierungsrat Kaspar Schläpfer die namenkundliche Radikalkur.


Nicht nur bei Singenberg, sondern bei den meisten anderen Orts- und Flurnamen im Kanton Thurgau sind jedoch die neuen Mundartbezeichnungen nicht unter den historischen Bezeichnungen zu finden.


Die Arbeitsgruppe, welche die Problematik der geänderten Schreibweisen im Kanton Thurgau untersuchte, kam zu folgender Erkenntnis: Ziel der Erfassung der Orts- und Flurnamen in mundartnaher Schreibweise ist, die Kenntnisse über diese Namen und ihre lokale Aussprache als Kulturgut zu bewahren, bevor sie gänzlich in Vergessenheit geraten. Diese Erfassung und Sicherung des Kulturgutes in wissenschaftlicher Form - insbesondere im Thurgauer Namenbuch - ist in Politik und Bevölkerung praktisch unbestritten.


Weitere Hinweise zur kulturgeschichtliche Bedeutung von Lokalnamen vgl. hier


Mundartschreibweisen auf amtlichen Katen und Schreibweise - Singenberg auch als Mundartform in Karten

  • Wie die oben erwähnte Arbeitsgruppe treffend feststellt, ist eine mundartnahe Schreibweise in einem Namenbuch unbestritten.
  • Traditionell eingebürgerte Bezeichnungen auf Karten und Plänen sollten jedoch grundsätzlich nicht geändert werden.
  • Wenn mundartliche Bezeichnungen auf Karten und Plänen verwendet werden, sollten diese dem Verwendungszweck der Orientierung entsprechend einfach schreib- und lesbar sein. Dies kann mit einer Mundarschreibweise am Besten gewährleistet werden, welche sich wo sinnvoll und möglich an das Schriftbild der traditionellen Schreibweise resp. der Standardsprache anlehnt. Grundsätze und Schreibregeln für eine kartengerechte Schreibweise wurden mit den Schreibregeln Weisungen 1948 geschaffen, welche auch vom Mitautor des Thurgauer Namenbuchs Oskar Bandle propagiert wurden.
    • Gemäss diesen Schreibregeln, welche im August 2011 praktisch unverändert als Weisungen 2011 übernommen wurden, wird «Berg» in der Regel immer als «Berg» und nicht als «Bärg» geschrieben und das Endungs -n in der Regel belassen.
    • Die Bezeichnung Singenberg bleibt gemäss Weisungen 1948 resp. Weisungen 2011 in kartengerechter Mundartform gegenüber der traditionellen Schreibweise unverändert (Singebärg oder auch Singeberg ist dagegen in einem Namenbuch, in einem Mundartwörterbuch oder in einem Mundarttext durchaus eine geeignete Mundart Schreibweise).
    • Bei der Schreibweise von Orts- und Flurnamen auf Karten und Plänen ist zu berücksichtigen, dass diese in einem kontextlosen Umfeld stehen und dass in der Schweiz nicht zu verhindern ist, dass mundartliche neben standardsprachliche Formen gemischt koexistieren (vgl. Erkenntnisse von Eduard Imhof)


Existenz von zwei unterschiedlichen Schreibweisen

Singenberg AV.jpg

Heute werden in der amtlichen Vermessung unterschiedliche Schreibweisen als Adresse (Singenberg) und als Lokalname (Singebärg) verwendet.


In der Geschichte der Lokalnamen dürfte es wahrscheinlich einmalig sein, dass eingebürgerte Schreibweisen von zahlreichen Lokalnamen als wichtiges Kulturgut geändert werden um dieses zu sichern und dabei in Kauf genommen wird, dass neu zwei unterschiedliche Schreibweisen wie z.B. «Singenberg» (als Gebrauchsname wie bisher) und «Singebärg» (als neue Schreibweise zur Sicherung des Kulturgutes) parallel existieren.


Rückänderung von Singebärg zu Singenberg

Wegen der mangelnden Akzeptanz der geänderten Namen im Kanton Thurgau, ist der Kanton Thurgau daran, gewisse Schreibweisen zurück zu ändern, insbesondere allgemein vertraute Siedlungsnamen wie Singebärg zurück zu Singenberg. Künftig wird Singenberg wie bis 1998 wieder als einheitliche Bezeichnung für Adresse und Lokalname stehen. Singenberg dürfte dabei trotzdem als bedeutendes Kulturgut erhalten bleiben.



Weiter Hinweise auf Rückänderungen der Schreibweise von Lokalnamen:


Unterschiedliche Schreibweisen Singenberg und Singebärg je nach Verwendungszweck

  • Singenberg Verwendungszweck: Orientierung auf Karten und Plänen, Referenznamen über Raum und Zeit
  • Singebärg Verwendungszweck: lautnahe Beschreibung der Aussprache in einem Namenbuch


Warum wurde auf Singenberg auf Karten und Plänen durch Singebärg geändert? Mögliche Absichten:

  1. Absicht, Aussprache nicht nur im Namenbuch, sondern auch auf Karten und Plänen zu dokumentieren (daher auch lautnahe Beschreibung im Beschreibungsfeld «Name» (Lemma) und nicht nur im Feld «Mundart» (vgl. hier)
  2. Absicht, für die Schreibweise auf Karten und Plänen nicht vorgegebene Grundsätze und Schreibregeln zu verwenden, sondern neue zu definieren, welche dem Verwendungszweck der lautnahen Beschreibung in einem Namenbuch besser entsprechen (vgl. hier)
  3. Absicht, möglichst viele Namen im Namenbuch (bereits im Namen) lautnah zu beschreiben (daher Ausdehnung der lokalen Bedeutung auch auf regionale Bedeutung, Siedlungsnahmen haben eher eine regionale als lokale Bedeutung, da Siedlungen regional gefunden werden müssen)


Für Karten und Pläne vorgesehene Grundsätze und Schreibregeln:

  • Weisungen 1948 Art. 7 Die Schreibung der Namen von geringer, lokaler Bedeutung, für die nach Artikel 4 und 5 keine besondere Regelung vorgesehen ist, erfolgt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache nach den im Anhang zu diesen Weisungen enthaltenen Grundsätzen und Schreibregeln. ...
  • Weisungen 2011 Artikel 7 Die Schreibung der Namen von lokaler Bedeutung, für die keine besondere Regelung vorgesehen ist, erfolgt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache nach den im Anhang zu diesen Weisungen enthaltenen Grundsätzen und Schreibregeln. ...


Auf Karten und Plänen sollen Lokalnamen von lokaler Bedeutung nicht in einer reinen Ortsmundart geschrieben werden, sondern nur in Anlehnung an die Ortsmundart (im Gegensatz zur Anlehnung an die etymologische Bedeutung) und zwar entsprechend gewisser Regeln zur Normalisierung der Verschriftung.


Bei den Weisungen 2011, welche im August 2011 erlassen wurden, handelt es sich nicht um neue Schreibregeln für Lokalnamen, sondern auf eine Rückbesinnung auf die 1948 erlassenen Schreibregeln Weisungen 1948, welche im Zusammenhang mit der Schaffung der neuen Landeskarte geschaffen wurden. Sie dienen nicht der lautnahen Schreibweise in einem Namenbuch, sondern einer kartengerechten Schreibweise auf Karten und Plänen. In Weisungen 1948 resp. Weisungen 2011 wird darauf hingewiesen, dass es sich um einen Kompromiss zur pragmatischen Schreibung von Lokalnamen handelt: Diese Missstände können nur behoben werden, wenn bestimmte Grundsätze und Schreibregeln aufgestellt und befolgt werden. Diese Regeln bilden notgedrungen einen Kompromiss zwischen schriftsprachlicher, traditioneller und mundartlicher Schreibung und kommen in manchen Einzelheiten mehr den praktischen Bedürfnissen und dem sprachlichen Taktgefühl entgegen als wissenschaftlicher Folgerichtigkeit und strengen Prinzipien.

Vgl. dazu auch Stellungnahme zu den Weisungen 2011 der Schweizerischen Organisation für Geoinformation (SOGI)



Siehe auch


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