Standardsprache und Dialekt

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Entlisberg oder Äntlisberg

Entlisberg oder Äntlisberg ?


Es geht auf dieser Seite um Standardsprache und Dialekt für die Schreibweise von Orts- und Lokalnamen in der Deutschsprachigen Schweiz.


«Solange es nicht genügend Vokale gibt, um die Aussprache der jeweiligen Orts- und Flurnamen überhaupt einigermassen korrekt darzustellen, hat es trotz aktueller Dialektomanie schlicht keinen Sinn, die «angeblich korrekte örtliche Form» im Dialekt schriftlich fixieren zu wollen. Ganz abgesehen von der Entscheidung, welche der überlieferten, veralteten, differierenden oder aktuellen Formen die offizielle sein soll. Lassens wir also wies ist» Quelle blogwiese


Allgemeines

  • Schweizerdeutsch, Mundart, Dialekt, Lokalsprache, ...
  • Hochdeutsch, Standarddeutsch, Standardsprache, «Schriftsprache» (Sprache, welche für die Schrift verwendet wird), ...


In den Dufour- und Sigfriedkarten des 19. Jh. wurden Orts- und Lokalnamen vorwiegend in Standardsprache geschrieben. Probleme gab es, wenn keine entsprechenden Ausdrücke in Standardsprache existierten. Daher hat man entweder

  • Namen in der Mundart belassen z.B. «Ennetbaden»
  • oder Namen verhochdeutscht wie z.B. «Scheur»

In der Schweiz es ist es unvermeidlich, dass standardsprachige und mundartlich geschriebene Orts- und Lokalnamen auf Karten und Plänen nebeneinander existieren müssen. Eine Hauptfrage ist nicht nur, wie mundartnah Namen geschrieben werden, sondern wann standardsprachig, wann mundartliche Schreibweise gewählt wird. Generell gilt, dass diese Frage an Brisanz verliert (und die das gesamte Schriftbild einer Karte an Harmonie gewinnt), je gemässigter mundartliche Namen geschrieben werden. Die Schreibweise in Standarddeutsch und gemässigter Mundart harmonieren viel besser zusammen, als wenn lautnahe Mundart verwendet wird. Die


Gemässigte Mundart, mundartlich

  • mundartliche Schreibweise im Sinne der Weisungen 1948: allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, werden in der Regel in der schriftsprachlichen Form belassen z.B. Berg, Feld, Weg, Grat (nicht Bärg, Fäld, Wäg, Grot)
  • Verzicht, Mundart lautgetreu, mundartnah wiederzugeben, sondern Anlehnung nicht nur an Mundart, sondern auch möglichst an das Schriftbild der Standardsprache (Kompromiss). Genau diese sinnvolle Mischung ist Gegenstand der Weisungen 1948: Diese Regeln bilden notgedrungen einen Kompromiss zwischen schriftsprachlicher, traditioneller und mundartlicher Schreibung und kommen in manchen Einzelheiten mehr den praktischen Bedürfnissen und dem sprachlichen Taktgefühl entgegen als wissenschaftlicher Folgerichtigkeit und strengen Prinzipien.
  • Speziell ausgerichtet für eine leichte Les- und Schreibbarkeit von Orts- und Lokalnamen auf Karten und Plänen sowie für den schriftsprachlichen Verkehr
  • Beispiele
    • Rebberg
    • Steinacher
    • Chirschbaummatte
    • Breitfeld


Extreme Mundart, extrem mundartlich, lautnahe Mundart

  • mundartnahe Schreibweise im Sinne des Entwurfs Leitfaden Toponymie 2006: es wird empfohlen, Namen, deren zugrunde liegendes Wort in der Hoch- oder Standardsprache vorkommt (allgemein bekannte Namenwörter), wie alle übrigen Toponyme zu behandeln und nach der ortsüblichen Sprechform zu notieren. Also z.B. Bärg, Fäld, Stäg, Wäg, Zälg, Räge, Rein, Mei, Boum usw. (wo so gesprochen wird) und nicht – oder nur dort, wo dies die ortsübliche Sprechform ist – Berg, Feld, Steg, Weg, Zelg, Baum usw.
  • Beispiele
    • Räbbärg
    • Steiacher/Stäiacher/Staiacher
    • Chirschboummatte
    • Höje Stäg
    • Breitfäld


Negative Auswirkungen der extrem Mundartschreibweise

Auf Karten und Plänen erwartet man nicht extrem mundartliche Namen. Da Orts- und Lokalnamen vor allem im schriftsprachlichen Verkehr zwischen Behörden und Volk benutzt werden, können isolierte, extrem mundartliche Namen äusserst lächerlich und peinlich wirken. Sogar in der Mundartliteratur wird propagiert, eine Mundartschreibweise zu wählen möglichst in Anlehung an das gewöhnte hochdeutsche Schriftbild. Mundartausdrücke können nur sehr mangelhaft mit unserem Alphabet wiedergegeben werden. Wir sind uns gewohnt, Schriftsprache zu lesen und automatisch korrekt in Mundart auszusprechen und umgekehrt Mundart zu hören und korrekt in Schriftsprache zu schreiben.

Zu berücksichtigen ist auch, dass Orts- und Lokalnamen nicht nur der einheimischen Bevölkerung dienen müssen, sondern einem internationalen Publikum. Je mundartnaher Orts- und Lokalnamen geschrieben werden, desto lächerlicher wirken sie. In Kanton Schaffhausen wurde ein «Hemmentalertal» in ein «Hämedalertaal» geändert. Es ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass der Schiessplatz «Hemmentalertal» in Schiessplatz «Hämedalertaal»umbenannt würde. Auch die Flurnamenkarte von Schleitheim wirkt lächerlich. Es ist nicht verwunderlich, dass in blogwiese bei dieser Dialektomanie von einem Schildbürgerstreich, einer riesigen Arbeitsbeschaffung und Verschwendung von Steuergeldern gesprochen wird. Da extrem mundartliche Schreibweisen kaum Akzeptanz finden, ist künftig damit zu rechnen, dass mehrere Schreibformen existieren. Gefordert wird jedoch eine einzige, offizielle Schreibweise.


Empfehlungen Eduard Imhof

Der ehemalige ETH Professor für Kartografie Eduard Imhof sprach sich wie auch andere Kartografen, namhafte Sprachwissenschafter und viele Kantone gegen die extrem Mundart im Entwurf des Bundes von 1947 aus und empfahl z.B. unten aufgeführte Lokalnamen wie folgt zu schreiben: Quelle «Mein Standpunkt»:

  • Berg nicht Bärg
  • Kopf nicht Chopf
  • Kreuz nicht Chrüz oder Chritz
  • Lücke nicht Lugge
  • Schlucht nicht Schluecht
  • Moos nicht Mos
  • Rohr nicht Ror
  • Weiher nicht Weier
  • Stein nicht Stei, Stai, Stää oder Staa
  • Horn nicht Hore
  • klein nicht chli, chlei oder glei
  • hinter nicht hinder oder hinger
  • nieder nicht nider
  • ausser nicht usser

Mundartformen dagegen bestehen lassen z.B. in:

  • Egg
  • Spitz
  • Plangge
  • Hueb
  • Gmür
  • Bungert
  • Ifang
  • Luegeten
  • Sedel
  • Ebni
  • Breiti
  • Witi
  • Täli
  • Flüeli
  • Hüsli

Details über Eduard Imhof

Ortsübliche Sprechweise

Zwitterformen

Zwitter = Mischung zwischen Standardsprache und Mundart

  • Zwitterform als Mischung zwischen Standardsprache und gemässigter Mundart: etwas störend, aber in der Schweiz nicht immer ganz vermeidbar
  • Zwitterform als Mischung zwischen Standardsprache und extremer Mundart: störend aber vermeidbar, wenn auf extreme Mundart verzichtet wird und nicht gemäss Empfehlung "Leitfaden Toponnymie 2006" -bärg, -fäld usw. geschrieben wird


Strassennamen sind grundsätzlich in enger Anlehnung an Standardsprache geschrieben

  • Standard: ...-strasse, ...-weg
  • zu vermeiden: ...-strass, ...-wäg


Lokalnamen lehnen sich sowohl an Mundart wie auch an Standardsprache an (Kompromiss der Weisungen 1948). Bei den Lokalnamen gilt bezüglich Zwitterformen ähnliches wie bei Strassennamen

  • Weisungen 1948 als Standard: ...-berg, ...-feld, usw.
  • im Leitfaden Toponymie 2006 zugelassen: ...-bärg, ...-fäld, usw.


Problematik Zwitterformen

  • Lösungsansatz Weisungen 1948
    • Zwitterformen sollen gemäss Weisungen 1948 möglichst vermieden werden --> Weisungen 1948 zwingen zur Schreibung einer gemässigten Mundart.
    • Vermeidung von Zwitterbildung durch Mässigung des Mundartteils
    • stummes -n beibehalten
  • Lösungsansatz Leitfaden Toponymie 2006
    • Zwitterformen vermeiden, indem mehr Mundart als Weisung 1948 zugelassen wird
    • häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, z.B. Berg, Feld, Weg, Grat als Bärg, Fäld, Wäg, Grot schreiben
    • stummes -n weglassen


  • In der Schweiz lassen sich gewisse Zwitterformen nie ganz vermeiden, unabhängig, welcher Lösungsansatz gewählt wird!
  • Eine der Ursachen für Zwitterbildungen sind nicht die Weisungen 1948 selbst, sondern wenn die Weisungen 1948 nicht konsequent befolgt werden, indem anstelle einer gemässigten Mundart eine extreme Mundart verwendet wird.
  • Das Problem kann durch Belassung der gemässigten Mundart wesentlich besser gelöst werden als durch Zulassung von extremer Mundart. Es werden damit mehr Probleme geschaffen als gelöst (abgesehen von den verheerenden Folgen eines Wechsels). Bei der Lösung mit mehr Mundart werden die Abgrenzungsprobleme zwischen an Standardsprache ausgerichteten Namen und Mundartnamen wesentlich verschärft und eine mit Weisungen 1948 ermöglichte Harmonie wird zerstört. Beispiel Lauenen:
    • Ortschaft: Lauenen
    • Tal: Lauenental
    • Flurname: Lauenen (gemäss Weisungen 1948); Lauene (entgegen Weisungen 1948)
    • See: Lauenensee (gemäss Weisungen 1948); Louwenesee (entgegen Weisungen 1948)
    • Horn: Lauenenhorn (gemäss Weisungen 1948); Lauenehore (entgegen Weisungen 1948)
  • Da Lokalnamen für die Bildung verschiedener abgeleiteter Namen (in Standardsprache) verwendet werden, sind dort die Zwitterformen störend, wenn Lokalnamen in extremer Mundart geschrieben werden.


  • Die Frage der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen darf nicht nur innerhalb eines einzelnen Namens gesehen werden, sondern muss gesamtheitlich betrachtet werden! Das Nebeneinader von Namen von Ortschaften, Weilern, Höfen, Fluren, Gelände und Gewässer ist ebenso wichtig. Diese lehnen sich je nachdem ob sie lokal oder unbedeutend sind an die Mundart oder in den übrigen Fällen an die Standardsprache an.
  • Die Weisungen 1948 bestehen nicht aus einer Ansammlung einzelner Schreibregeln, sondern bilden ein durchdachtes und aufeinander abgestimmtes Gesamtregelwerk
  • Die Variante gemässigte Mundart gemäss Weisungen 1948 ergibt ein wesentlich besseres Gesamt Erscheinungsbild einer Karte oder eines Planes als gemäss Leitfaden Toponymie 2006 mit extremer Mundart!

Über all diese Fragen kann lange diskutiert werden; massgebend ist, dass 1948 ein Entscheid gefällt wurde, welcher heute nicht umgestossen werden kann oder sonst verheerende Folgen hat.


Weblinks