Standpunkt der Benutzer zur Schreibweise von Lokalnamen: Unterschied zwischen den Versionen

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# Einfache Schreib- und Lesbarkeit (Anlehnung der Schreibweise an das gewohnte Schriftbild der Standardsprache)
 
# Einfache Schreib- und Lesbarkeit (Anlehnung der Schreibweise an das gewohnte Schriftbild der Standardsprache)
  
stimmen im Fall Buttisholz überein. Die Schlussfolgerung, die Namen entgegen dem Willen der Beschwerdeführer zu ändern, war aber nicht folgerichtig (die Beschwerdeführer wollten zur Wahrung der Identität mit den Namen die Schreibweisen beibehalten und nicht verändern, was heute vom Bundesgericht im Rahmen der neuen Geoinformationsgesetzgebung gutgeheissen werden müsste).
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stimmen im Fall Buttisholz überein. Die Schlussfolgerung, die Namen entgegen dem Willen der Beschwerdeführer zu ändern, war aber nicht folgerichtig.
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Die Beschwerdeführer wollten zur Wahrung der Identität mit den Namen (allgemeine Akzeptanz) die Schreibweisen beibehalten und nicht verändern. Sie hätten um Ihr anliegen zu wahren aber anders argumentieren müssen, nämlich die Rechtssicherheit waren, indem die Namen nicht verändert werden. Mit der neuen Geoinformationsverordnung müsste heute das Bundesgericht die Beschwerde eindeutig gutheissen. Die bestehende Schreibweise der Namen dürfte von der Nomenklaturkommission nicht verändert werden.
  
  

Version vom 21. März 2008, 11:21 Uhr

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Rothbühl / Roopel

Rotbühl oder Roopel ?


Worum geht es?

Diese Seite beinhaltet die Argumente und Hintergründe der Benutzer von Orts- und Lokalnamen (Namen von topografischen Objekten wie Siedlungen, Fluren, Gewässer, Gelände usw.) in Bezug auf die Schreibweise in der Deutschsprachigen Schweiz.


Weitere Standpunkte und Stellungnahmen zur Schreibweise von Orts- und Lokalnamen sind hier zu finden.


Hintergrund

  • In der Schweiz existieren
    • über ca. 350'000 Orts- und Lokalnamen in der Amtlichen Vermessung, davon ca. 240'000 in der Deutschsprachigen Schweiz
    • ca. 150'000 Orts- und Lokalnamen in den Landeskarten
  • In den Dufour- und Sigfriedkarten des 19. Jh. wurden Orts- und Lokalnamen vorwiegend in Schriftsprache geschrieben.
  • Nach 1900 begann man allmählich Lokalnamen (Flurnamen) mundartlich zu schreiben.
  • 1947 hatte die Eidgenössische Vermessungsdirektion Regeln für eine extrem mundartliche Schreibweise entworfen, welche einen grossen und langen Disput ähnlich wie heute verursacht hatten und schliesslich verworfen wurden.
  • 1948 wurde der Standard für die pragmatische, kartengerechte Schreibweise der Orts- und Lokalnamen für die Deutschsprachige Schweiz festgesetzt: Weisungen 1948.
  • Geografischen Namen wie Orts- und Lokalnamen kommt heute eine sehr grosse Bedeutung zu. Praktisch jeder Einstieg in eine digitale Karte erfolgt mit geografischen Namen. Ausserhalb des Baugebietes werden Flurnamen als Adressen zur Raumlokalisation verwendet. Aus Orts- und Lokalnamen werden sehr viele Namen abgleitet (Namen von Strassen, Haltestellen, Bauwerke usw.) Bei digitalen Daten spielt die exakte, durchgängige Schreibweise (vertikale Harmonie) geografischer Namen eine noch grössere Rolle als bei analogen Karen und Plänen. Geografische Namen sollen nicht nur in verschiedenen Ebenen gleich geschrieben werden, sondern wegen dem grossen Anpassungsaufwand in Registern und Datenbanken auch über die Zeit möglichst konstant bleiben. Die Regeln zur Schreibweise von Flurnamen dürfen daher keinesfalls geändert werden.
  • 2005 hat das Bundesamt für Landestopgrafie den Entwurf Toponymische Richtlinien publiziert, welche eine extrem mundartliche Schreibweise empfehlen. Der Entwurf wurde verworfen.
  • Das Bundesamt für Landestopgrafie hat daher am 24. Mai 2006 als Ersatz für die Toponymischen Richtlinien einen neuen Entwurf, den Leitfaden Toponymie 2006 veröffentlicht, welcher die extrem mundartliche Schreibweise von Lokalnamen nicht nur zulässt, sondern sogar empfiehlt und den Bestrebungen und Anliegen der Benutzer völlig zuwider läuft. Die Kritik der Benutzer an den Toponymischen Richtlinien wurde kaum beachtet. Die Regeln des Leitfadens Toponymie sanktionieren die extrem mundartliche Praxis in den Kantonen Thurgau und Schaffhausen, welche vom bestehenden Standard Weisungen 1948 massiv abweichen.


Standpunkt und Forderungen der Benutzer

  • Die bisherige Schreibweise soll beibehalten werden und es sollen deshalb auch keine neuen Schreibregeln erlassen werden.
  • Aus Sicht der Benutzer weisen die bisherigen Schreibregeln Weisungen 1948 im Vergleich mit dem vom Bundesamt für Landestopgrafie vorgeschlagenen Leitfaden Toponymie 2006 grosse Vorteile auf.
  • Zwitterformen von Lokalnamen können in der Schweiz nicht vollständig vermieden werden. Aus Sicht der Benutzer lassen sich Zwitterformen wesentlich besser vermeiden, wenn eine gemässigte Mundart verwendet wird, als wenn versucht wird, das Problem mit mehr Mundart zu lösen.


Die Benutzern von Orts- und Lokalnamen machen sich ernsthafte Sorgen über Änderungen bezüglich der Schreibweise, da diese Namen in Tausenden von Plänen und Karten, Registern, Datenbanken, Grundbucheintragungen, Homepages sowie Namen von Strassen, Haltestellen, Bauwerken usw. verwendet werden und sich rasant fortpflanzen. Systematische Änderungen der Schreibweise haben daher verheerende Folgen. Unterschiedliche Schreibweisen lassen sich nur im Laufe langer Zeitperioden wieder vereinheitlichen. Orts- und Lokalnamen gehören zu einer der wichtigsten, aber auch zu einer der heikelsten Geoinformationen. Die SOGI schätzt die Folgekosten für Umstellungen in Registern, Grundbücher, Datenbanken usw. auf weit über 100 Mio. Franken. Allein eine Umstellung eines einzigen Lokalnamens wie «Matterhorn» auf «Matterhore» würde Dutzende Millionen von Franken kosten (es ist natürlich davon auszugehen, das man das in diesem Fall nicht macht, allein im Google ist «Matterhorn» über 3 Millionen Mal zu finden ....) Beispiele von kürzlich erfolgten Änderungen an der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen sind hier zu finden


Die heutige Schreibweise der Orts- und Lokalnamen soll nicht weiter verändert werden und die klaren Errungenschaften aus dem Jahre 1948 (Weisungen 1948) sollen nachhaltig bestehen bleiben. Der nach sehr langen Auseinandersetzungen gefundene Kompromiss zwischen Sprachwissenschaft und Benutzern soll unbedingt beibehalten werden. Private und Verwaltungsstellen benötigen zur Orientierung und Verständigung pragmatisch geschriebene, einfach schreib- und lesbare Namen für den täglichen Gebrauch. Flurnamen sind ein wichtiges Kulturgut, welches mit den bisherigen Schreibregeln bestens bewahrt werden kann. Für sprachwissenschaftliche Belange können andere, viel besser geeignete Gefässe wie Namenbücher (ev. kombiniert mit Multimedialösungen und/oder mit thematischen Geoinformationen) verwendet werden, in welchen die ganze Entwicklung der Namen inklusiv der kulturgeschichtlichen Bedeutung, Aussprache und phonetischer Notierung aufgezeigt werden können.

Der Standpunkt der Benutzer zur Schreibweise von Orts- und Lokalnamen deckt sich weitgehend mit «Mein Standpunkt in der Ortsnamenfrage» vom ETH Dozent für Kartografie, Prof. Dr. hc Eduard Imhof (1895-1986). Untenstehend ein paar Zitate von Imhof:

  • «Eine Lösung ist nur dann brauchbar, wenn sie allen Massstäben, allen Gebietsdimensionen und auch den schon bestehenden festen Schreibgebräuchen Rechnung trägt. Ein- und dieselbe Örtlichkeit muss in allen amtlichen Plänen und Karten in übereinstimmender Form angeschrieben werden.»
  • «Die Kartennamen sollen nicht nur für lokale Mundartkenner, sondern für die grosse Vielheit der Kartenbenützer möglichst leicht lesbar und verständlich sein.»
  • «Aber auch der ortsfremde Kartenbenützer sieht in vielen Namen und Namenteilen nicht nur erstarrte Eigennamen, sondern überdies erläuternde oder beschreibende Bezeichnungen. Hierher gehören Wörter wie Berg, Horn, Stock, Turm, Tal, Pass, Joch, Lücke, Feld, Boden, Strasse, Gasse, Brücke, Bach, See, Firn usw.»
  • «Oberste Gesetze jeder Nomenklaturordnung sind die Anpassung an allgemeine Gebräuche, auch an festsitzende schriftliche Gebräuche, und eine möglichst allgemeine und leichte Verständlichkeit und Les- und Schreibbarkeit.»
  • «Sprachliche Einheitlichkeit wird durch meine Vorschläge nicht erreicht. Dieses Mangels bin ich mir bewusst. Jede Vermischung von Mundarten und Schriftsprache muss den sprachlich geschulten Kartenbenützer unsympathisch sein. Es wäre jedoch ein tragischer Irrtum, zu glauben, sprachliche Einheitlichkeit sei in der Plan- und Kartenbeschriftung der deutschen Schweiz überhaupt erreichbar. Eine kompromissfreie Lösung wäre nur in einer mundartlichen Spezialkarte mit phonetischen Lautzeichen möglich. Hoffen wir, dass auch eine solche nicht allzu lange auf sich warten lässt.»


Beratung des Geoinformationsgesetzes (GeoIG) im Nationalrat

Am 6. März 2007 wurde das Geoinformationsgesetz im Nationalrat beraten und es kam auch die Schreibweise von Lokalnamen zu Sprache. Dies zeigt die Bedeutung, welche der Schreibweise von Lokalnamen beigemessen wird. Das Thema darf nicht ein paar einzelnen Personen überlassen werden, welche in der Dialektomanie befangen sind und nun nachträglich versuchen, neue Schreibstandards für extreme Mundart zu etablieren um bisherige Abweichungen zu den Weisungen 1948 zu sanktionieren.


Statements aus der Nationalratssitzung vom 6. März 2007 vgl. hier

Stellungnahme Bundesrat Schmid anlässlich Behandlung GeoIG im Nationalrat vom 6. März 2007: «Ich stehe zu dem, was ich soeben gesagt habe, nämlich, dass die Bezeichnungen so weitergeführt werden sollen, wie sie bis jetzt in der Praxis verwendet wurden. Im Übrigen nehme ich mich dieses Problems gerne an.»


Regelung von Orts- und Lokalnamen

Bei Orts- und Lokalnamen ist zu unterscheiden zwischen den Aspekten

  • Namengebung
  • Festsetzung der Schreibweise
  • Festsetzung von Schreibregeln
  • Schreibregeln


Namengebung

  • Die Namengebung spielt heute eine sehr geringe Rolle, da die meisten Flurnamen bereits festgelegt sind und es kaum neue Flurnamen gibt.
  • Die Namengebung erfolgt in der Amtlichen Vermessung mit massgeblicher Beteiligung der Gemeinden.


In Schönenberg wurde z.B. ein aus dem Jahre 1955 stammender Namen «Säubad» (wo Schweine baden) im Jahre 1906 in ein «Neubad» umgetauft und der Name «Lölismüli» in Hütten wurde in «Neumüli» geändert.

Diese Frage ist heute eigentlich kaum ein Thema mehr, da die Lokalnamen in der Schweiz längst ihre Namen erhalten haben und Änderungen wie oben erwähnt nur sehr selten sind.


Festsetzung der Schreibweise

  • Die zuständige kantonale Behörde setzt die Schreibweise sowie die Gebietszuordnung in Zusammenarbeit mit den kantonalen Nomenklaturkommission und den Gemeinden fest.
  • Heute haben nicht alle Kantone eine Nomenklaturkommission bestellt.
  • Mitglieder von Nomenklaturkommissionen werden vielfach von der kantonalen Regierung gewählt. Da gewisse Nomenklaturkommissionen von einer Dialektomanie befangen sind und kaum eine Oberaufsicht besteht, wird vom bisherigen Standard Weisungen 1948 abgewichen. Der Zusammensetzung der Nomenklaturkommission kommt eine sehr grosse Bedeutung zu. Benutzer sollten künftig Einsitz in Nomenklaturkommissionen nehmen können und die Frage einer neutralen Oberaufsicht sollte in Erwägung gezogen werden.


Festsetzung von Schreibregeln

  • Art. 8 Regeln Verordnung über geografischen Namen (GeoNV)
    • Abs 1 Das Bundesamt für Landestopografie erlässt Regeln für die geografischen Namen der Landesvermessung und der amtlichen Vermessung (=Orts- und Lokalnamen). Diese bestehen insbesondere aus den Regelungen für die unterschiedlichen Regionen der Landessprachen.


Schreibregeln

Weisungen 1948

Merkmale der Schreibweise entsprechend Weisungen 1948:

  • moderat
  • gemässigt
  • pragmatisch
  • kartengerecht
  • mundartlich (nicht reine Mundart)

Auf der Homepage des Bundesamtes für Landestopografie wurde bis 27. März 2007 festgehalten, dass die Weisungen 1948 in Kraft seien, dann aber jedoch anschliessend vorübergehend als "ausser Kraft" markiert. In der Version Weisungen 1948 Stand 1.4.1977 wird vermerkt: Heute gilt der BRB vom 30. Dez. 1970 über Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen (AS 1970 1651). Mit diesem Beschluss wurde das Justiz und Polizeidepartment verpflichtet, Grundsätze zur Schreibung von Orts- und Lokalnamen aufzustellen. Da dies versäumt wurde und die die Weisungen 1948 noch nie ausser Kraft gesetzt wurden, sind die Weisungen 1948 nach wie vor anwendbar.

Kantonale, heute rechtsgültige Verordnungen haben die Weisungen 1948 gesetzlich verankert.

Die Weisungen 1948 bilden daher nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich gesehen das Fundament der Schreibweise der Orts- und Lokalnamen in der Schweiz.

heutiger Standard Weisungen 1948


Die Weisungen 1948 haben keine Rechtsgrundlage mehr gemäss Bemerkungen im Entwurf Leitfaden Toponymie 2006: «Die Weisungen haben sich abgestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 22.2.1938. Dieser wurde aufgehoben mit dem Bundesratsbeschluss vom 5.2.1954 über Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen, welcher seinerseits durch die Verordnung über die Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen vom 30.12.1970 ausser Kraft gesetzt wurde. Damit haben die Weisungen 1948 keine Rechtsgrundlage mehr.» Es ist erstaunlich, dass es über 50 Jahre gedauert hat, bis man merkt, dass die Weisungen 1948 anscheinend keine Rechtsgrundlage mehr haben. Es ist höchste Zeit, dass die Weisungen 1948 wieder eine Rechtsgrundlage erhalten und dass nicht weiterhin Jahrzehnte lang ein rechtlich unhaltbarer Zustand in Kauf genommen wird.


Leitfaden Toponymie 2006

(als «verbesserte» Version der Toponymischen Richtlinien 2005) Das Bundesamt für Landestopografie hat am 24. Mai 2006 den Leitfaden Toponymie 2006 in die Vernehmlassung gegeben.

Merkmale der Schreibweise entsprechend Leitfaden Toponymie

  • lautnahe, extreme Mundart
  • entsprechen sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkten


  • Vernehmlassungsfrist: 24. Juli 2006
  • Bis heute ist noch keine Auswertung der Vernehmlassung bekannt geworden ausser einer Ad Hoc Information des Bundesamtes für Landestopografie zu den Stellungnahmen zum Leitfaden:
    • Die Kantone äussern sich uneinheitlich. Gesamtbild: 50% positiv / 50% negativ (es ist davon auszugehen, dass es dabei vor allem um Nomenklaturkommissionen handelt).
    • Fachorganisationen: äussern sich fast einheitlich negativ.
    • Experten (welche?): äussern sich fast einheitlich positiv


Der Leitfaden Toponymie legitimiert Kantone (z.B. TG und SH), welche von den Weisungen 1948 abgewichen sind, extrem mundartlich zu schreiben und empfiehlt dies im Hinblick auf eine schweizweite Harmonisierung, wobei die bisherige Schreibweise gemäss Weisungen 1948 als Übergangslösung toleriert wird.

Für Gemeinden und Kanton besteht hier ein sehr grosses Problem, falls sehr mundartlich ausgerichtete Nomenklaturkommissionen vgl. Dialektomanie diesen Spielraum ausnutzen möchten.


Weitere Details zum Entwurf Leitfaden Toponymie 2006 sind hier zu finden


Zwitterformen

Es wird von den Verfechtern der extremen Mundart in erster Linie argumentiert, dass man die Zwitterformen (Mischung zwischen Mundart und Standardsprache) eliminieren wolle und dass daher mehr Mundart zugelassen werden müsse. In der Schweiz lassen sich Zwitterformen nie ganz vermeiden, ob nun die gemässigte oder extreme Mundart verwendet wird. Beim der gemässigten Form mit Weisungen 1948 besteht der grosse Vorteil, dass diese Namen für andere Namen viel besser verwendet werden können als bei der extrem mundartlichen Variante.

Das Wesentlichste Element der Weisungen 1948 besteht gerade darin, dass eine gemässigte Mundart verwendet wird, welche sich mit der Standardsprache als ein Kompromiss zusammen fügt. Je mehr man jedoch von den Weisungen abweicht und extrem mundartlich schreibt, desto mehr wirken Zwitterformen störend.

Ein Abweichen von Weisungen 1948 in mehr Mundart kann nicht mehr als Kompromiss zwischen berechtigter Schrifttradition und reiner Lokalsprache bezeichnet werden.

Weitergehende Betrachtungen zu Zwitterformen vgl. hier


Vergleich Weisungen 1948 und Leitfaden Toponymie 2006

Vergleich zwischen Weisungen 1948 und Leitfaden Toponymie 2006 vgl. hier


Föderalismus

Auch in der Schreibweise von Lokalnamen muss der Föderalismus der Schweiz respektiert werden. Zudem bestehen auch regionale und kantonale grosse Unterschiede in der Mundart. Es beseht daher nicht die Meinung, dass ein und derselbe Lokalname in der ganzen Schweiz zwingend identisch geschrieben werden muss, obwohl dies für Rettungsdienste (z.B. Rega, Tel. 144 usw.) ein grosser Vorteil wäre. Mit einer gemässigten Mundart entsprechend Weisungen 1948 sind die regionalen und kantonalen Unterschiede wesentlich kleiner als bei der extrem mundartlichen Schreibweise entsprechend Leitfaden Toponymie 2006.

In der Schweiz hat sich im amtlichen, schriftsprachlichen Verkehr der Duden eingebürgert. Da Lokalnamen ebenfalls für den amtlichen, schriftsprachlichen Verkehr benötigt werden, ist eine gewisse Standardisierung unbestritten. Die Weisungen 1948 eignen sich bestens als bewährter Schreibstandard und gehen in der Regelung viel weniger weit als der sehr sprachwissenschaftlich orientierte Leitfaden Toponymie 2006.


Das Bundesgericht argumentiert in Buttisholz (Kt. Luzern)imBGE 116 1990 wie folgt:

  • "Im vorliegenden Fall geht es ... weder um den Gemeindenamen noch um die Benennung der Quartiere, Weiler, Höfe, Häuser und Strassen. Streitig ist lediglich deren Schreibweise."
  • "Es geht nicht nur um ein allgemeines Ordnungsanliegen, sondern um Interessen des Rechtsverkehrs und der Verwaltung. Zu denken ist an den privaten schriftlichen Verkehr, abgeschlossene Verträge und an die Einträge von Adressen und Ortsbezeichnungen in Registern und Büchern. Von Bedeutung ist dies auch für den Schutz von Handel und Gewerbe sowie von Dritten, einschliesslich der nicht am Ort ansässigen Bürger. Dagegen kann das Interesse der Gemeinde an der Verbundenheit ihrer Einwohner mit ihrem Gebiet, an der Identifikation und am Zusammenhang zwischen Familien- und Ortsnamen, entgegen der Meinung der Beschwerdeführer, nicht aufkommen."

Es wird hier im Sinne argumentiert, dass wegen der Rechtssicherheit die Schreibweisen der Orts- und Lokalnamen nicht geändert werden sollen und eine leichte Schreib- und Lesbarkeit auch für Ortsfremde berücksichtigt werden muss (GeoNV Art. 4). Die Anliegen der Bevölkerung (z.B. Identität) müssen neu wegen der im GeoNV Art. 4 aufgestellten Forderung der allgemeinen Akzeptanz ebenfalls berücksichtigt werden. Diese drei Forderungen

  1. Schreibweise nicht ändern
  2. Allgemeine Akzeptanz
  3. Einfache Schreib- und Lesbarkeit (Anlehnung der Schreibweise an das gewohnte Schriftbild der Standardsprache)

stimmen im Fall Buttisholz überein. Die Schlussfolgerung, die Namen entgegen dem Willen der Beschwerdeführer zu ändern, war aber nicht folgerichtig. Die Beschwerdeführer wollten zur Wahrung der Identität mit den Namen (allgemeine Akzeptanz) die Schreibweisen beibehalten und nicht verändern. Sie hätten um Ihr anliegen zu wahren aber anders argumentieren müssen, nämlich die Rechtssicherheit waren, indem die Namen nicht verändert werden. Mit der neuen Geoinformationsverordnung müsste heute das Bundesgericht die Beschwerde eindeutig gutheissen. Die bestehende Schreibweise der Namen dürfte von der Nomenklaturkommission nicht verändert werden.


Kulturgeschichte und Sprachwissenschaft

Die Orts- und Lokalnamen sind ein wichtiges Kulturgut, welches erhalten werden muss. Die kulturgeschichtliche Bedeutung der Flurnamen ist unbestritten und höchst interessant. Dazu ein Zitat aus «Schleitheim im Spiegel seiner Flurnamen» (Doppelreferat von Joseph Halytskyj und Alfred Richli, 19.2.2005 in Schleitheim): «Mer fassed zäme: Fluurnäme verzeled is über d Bodegschtalt, über de Prozäss, wie d Mäntsche aagfange händ rode und dä Bode i Psitz näh, wes dä vertailt händ, Äcker aaglait händ, wie’s ires Veh ghalte händ, und we si sälber abhängig gsi sind vo Häre, wo si händ müese zeise, schliessli wa für Näme daa ggulte händ und wa für Möödeli bim Schwätze gang und gääb gsi sind. Und das isch nanig emal ales; es wäär vo psundere Pflanze z rede und imer wider vo der Religioon, vom Glaube und vom Aberglaube und vo de Toote. Di ganz Kultuurgschicht! Aber Si wänd ja hüt na haichoo.»

Details zur grossen Bedeutung der Orts- und Lokalnamen vgl. hier


Ist es nun aus kulturgeschichtlicher Sicht wichtig, das Orts- und Flurnamen besonders lautnah zu schreiben?

Aus Gründen der kulturgeschichtlichen Bedeutung wurden beispielsweise Flurnamen in Schleitheim in eine möglichst lautnah Schreibweise geändert (vgl. hier). Das Kulturgut besteht in erster Linie im Namen selber, nicht in der Schreibweise. Ob in der Schreibweise ein «-n» weniger oder ein «ä» statt ein «e» verwendet wird, erhöht nicht den Wert des Kulturgutes, sondern macht es höchstens weniger attraktiv (oder gar lächerlich). Mit den Weisungen 1948 kann das Kulturgut sogar viel besser als harmonisches Gefüge (vom Name der grössten Stadt bis zum kleinsten Bächlein) erhalten werden als mit neuen Schreibregeln, wo grosse Abgrenzungsprobleme zwischen Namen in Anlehnung an die Standardsprache und lautnaher Mundart bestehen.

Aus Orts- und Lokalnamen lassen sich kulturhistorische Schlüsse ziehen. Namen haben jedoch grundsätzlich eine andere Funktion als Wörter:

  • Wörter haben eine Bedeutung
  • Namen bezeichnen. Im Gegensatz zu einem Wort hat ein Name grundsätzlich nur eine historische Bedeutung. Im Laufe der Jahrhunderte ist durch den Sprachwandel die ursprüngliche Bedeutung vieler Namen verloren gegangen. Es ist verständlich, dass sich gemäss Weisungen 1948 die Mundartschreibweise von Orts- und Lokalnamen in erster Linie an die ortsübliche Aussprache anlehnt (sie bezeichnen in erster Linie) und nicht an die Etymologie.


Trotzdem sind die Bevölkerung wie auch Kulturhistoriker an der Bedeutung eines Orts- Lokalnamen interessiert. Die kulturhistorische Bedeutung wird klarer, je näher sich die Mundartschreibweise von Orts- und Lokalnamen an das Schriftbild der Standardsprache anlehnen. Das Argument, aus kulturhistorischer Sicht von den Weisungen 1948 in Richtung grössere Berücksichtigung der Mundart abzuweichen, kann nicht nachvollzogen werden. Es kann höchstens die Vermutung geäussert werden, dass man Orts- und Lokalnamen in ein möglichst lautnahes Kleid verpacken will, um den Namen einen kulturellen Touch zu verpassen. Dabei wird in Kauf genommen, dass die kulturhistorische Bedeutung eines einzelnen Namens verschleiert wird.

Aspekt Namenforschung (Situation 1945): Die Ortsnamenforschung hingegen erstrebt eine Aufnahme aller Namen in der lokalen Mundart. Im Streben nach sprachlicher Reinheit und Einheitlichkeit sucht sie ein Nebeneinander schriftsprachlicher und mundartlicher Ortsnamen oder gar ihre Mischung in ein und demselben Wortbild zu vermeiden oder wenigstens einzudämmen. Neben wissenschaftlichen und stilistischen Erwägungen sind es auch nationale Gesichtspunkte, die zugunsten der Mundart in die Wagschale gelegt werden. Es ist der Ruf nach stärkerer Betonung unserer eigenstaatlichen Substanz, nach Bodenständigkeit und sprachlichem Heimatschutz. Zitat Eduard Imhof in Die Ortsnamen in den amtlichen Plänen und Karten

Aus kulturhistorischer Sicht müssten sich im Gegenteil die Schreibweise der Orts- und Lokalnamen möglichst an das Schriftbild der Standardsprache anlehnen anstelle möglichst nahe an das Lautbild. Den kulturellen Wert von Orts- und Lokalnamen wird besser vermittelt mit gut schreib- und lesbaren Namen, zu welchen man in im Internet kulturhistorische Informationen vermittelt.


Aus sprachwissenschaftlicher Sicht stellt sich die Frage, ob sprachwissenschaftliche Aspekte direkt in der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen enthalten sein müssen. Orts- und Lokalnamen können ohne phonetische Zeichen nur ungenügend abgebildet werden und die unterschiedlichen aktuellen und historischen Sprechweisen erfordern ohnehin ein Namenbuch. Für das Namenbuch ist es wichtig, Referenznamen pragmatisch, in Anlehnung an das Schriftbild der Standartsprache zu schreiben damit die die Namen überhaupt aufgefunden werden können. Nicht nur aus kulturhistorischer, sondern auch aus sprachwissenschaftlichen Sicht, müsste das Interesse eigentlich grösser sein, Orts- und Lokalnamen möglichst pragmatisch zu schreiben. Weitere Überlegungen zum Aspekt Sprache vgl. hier.


Für sprachwissenschaftliche und kulturgeschichtliche Belange können Namenbücher (ev. kombiniert mit Multimedialösungen und thematischen Geoinformationen, z.T. auch Verwendung von phonetischer Schrift) verwendet werden, in welchen die ganze Entwicklung der Namen inklusiv der kulturgeschichtlichen Bedeutung, Aussprache und phonetischer Notierung aufzeigt werden können. Infos zum Namenbuch vgl. hier.


Weisungen 1948 löst Interessenkonflikte

An der Tagung des Arbeitskreises Namenforschung vom 22.9.1977 in Berlin wurden verschiedenste Aspekte der Schreibung von Orts- und Lokalnamen mit den daraus resultierenden Interessenkonflikten behandelt. An der Tagung wurde folgender Konsens gefunden:

  • Aus diesen prinzipiellen Überlegungen heraus soll - als praktische Konsequenz - eine sehr behutsame Haltung eingenommen werden gegenüber allzu rigorosen Eingriffen und Änderungen in den Selbstregelungsprozess der Flurnamenwelt.
  • Die Funktion der Orientierung im Gelände und der Gliederung der Landschaft muss im Zweifelsfalle über allen Interessen stehen.
  • Die Schreibung hält sich an die Orthographie des geläufigen Wortschatzes, soweit der Zusammenhang erkennbar ist.
  • Bei nur mundartlich gebrauchten Namen ohne Parallele im Wortschatz soll eine der Aussprache angenäherte Schreibung angestrebt werden.


Dieser Konsens ist auch heute noch gültig. Die auf den ersten Blick erkennbaren Interessenkonflikte sind nicht einmal so gross, wie man auf den ersten Blick meinen könnte.

Aspekte:


Der 1948 gefundene Konsens Weisungen 1948 kommt als Mittelweg auch heute noch allen unterschiedlichsten Anforderungen und Interessen am besten entgegen.


Kritik

vgl. Kritik an der Revision von Schreibregeln für Orts- und Lokalnamen


Weblinks