Standpunkt der Benutzer zur Schreibweise von Lokalnamen

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Allgemeines

Zweck dieser Seite

Diese Seite listet in zusammengefasster Form die

  • Standpunkte
  • Argumente
  • Kernpunkte
  • Hintergründe

zur Forderung der Benutzer auf, die bisherige Schreibweise von Orts- und Lokalnamen zu belassen und die bisherigen Schreibregelen für die Deutschsprachige Schweiz, Weisungen 1948, beizubehalten. Es wird auch Kritik geäussert und aufgezeigt, mit welchen Folgen zu rechnen ist, wenn die Forderungen der Benutzer nicht berücksichtigt werden.

Die Benutzer unterstreichen ihre Forderungen prominent im Anhörungsverfahren zum GeoIG, insbesondere in der Verordnung zu den geografischen Namen (GeoNV), da ihre Kritik im Anhörungsverfahren zum Entwurf der Toponymischen Richtlinien 2005 und Leitfaden Toponymie 2006 kaum Beachtung geschenkt wurde und diese Anhörungsverfahren nicht zur Zufriedenheit der Benutzer abgewickelt wurden.


UREK-NR

Es wird betont, dass es nicht um die Namengebung von Orts- und Lokalnamen geht, sondern um die Kontroverse, ob deren Schreibweise geändert werden soll.

In der UREK-NR wurde im Februar 2007 intensiv über die Lokalnamen diskutiert, insbesondere über die Zuständigkeit der Namensgebung (GeoIG Art. 7).


Art. 7 GeoIG Geografische Namen

«Der Bundesrat erlässt Vorschriften über die geografischen Namen. Er regelt namentlich die Zuständigkeiten, das Verfahren und die Tragung der Kosten.»


Pressemitteilung UREK-NR

Das neue Geoinformationsgesetz soll sicherstellen, dass geographische Informationen über das Gebiet der Schweiz für eine breite Nutzung und zu angemessenen Kosten zur Verfügung stehen. Auf nationaler Ebene sollen verbindliche bundesrechtliche Standards für die Erfassung, Modellierung und den Austausch von Geodaten festgelegt werden. Das neue Gesetz hat zum Ziel, die Wertschöpfung aus Geodaten zu verbessern.


Ort- und Lokalnamen

Allgemeines

Geodaten

  • Geografische Namen
    • Orts- und Lokalnamen
    • Gemeindenamen
    • Strassennamen
    • (Postalische) Ortschaftsnamen
    • Stationsnamen

Anzahl «Orts- und Lokalnamen» in der Schweiz:

  • über ca. 350'000 in der Amtlichen Vermessung
  • ca. 150'000 in den Landeskarten

Weitere Details über geografische Namen

Bei Lokalnamen ist zwischen den Aspekten «Namengebung» und «Schreibweise» zu unterscheiden.


Namengebung

In Schönenberg wurde z.B. ein «Säubad» (1555, wo Schweine baden) im Jahre 1906 in ein «Neubad» umgetauft und in Hütten ein «Lölismüli» zu «Neumüli».

Diese Frage ist heute eigentlich kaum ein Thema mehr, da die Lokalnamen in der Schweiz längst ihre Namen erhalten haben und Änderungen wie oben erwähnt nur sehr selten sind.


Schreibweise

In Zürich Wollishofen wird zum Bsp. ein Lokalnamen «Entlisberg» (verwandt mit Engelsberg) als «Entlisberg» geschrieben in der amtlichen Vermessung sowie als Namen von Altersheim, Schulhaus, Strassen, Wegen und in unzähligen Adressen. Auch der Autobahntunnel der N3 ist mit «Entlisbergtunnel» angeschrieben. Das Bundesamt für Landestopografie findet, dass wegen der mundartlichen Aussprache «Äntlisberg» die richtige Schreibweise sei, und beschriftet die Landeskarte mit «Äntlisberg» (im Kanton Thurgau würde man sogar «Äntlisbärg» schreiben). Die ist nur ein Beispiel von Tausenden von Fällen in der Schweiz.


Schreibweise:

  • im amtlichen Verkehr gilt Duden
  • Bei Lokalnamen gilt Weisungen 1948
    • geringe, lokale Bedeutung: mundartliche Schreibweise
    • grosse, übergeordnete Bedeutung: Anlehnung an Standardsprache


Was heute zu intensiven und kontroversen Diskussionen führt, ist wie man die Lokalnamen schreibt:

  • in der bisherigen (moderaten, gemässigten) mundartlichen Schreibweise gemäss den heute gültigen Weisungen 1948

oder

  • in lautnaher (extrem mundartlichen) Schreibweise, wie dies leider zum Teil schon Mode geworden ist und vom Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) empfohlen wird.


Anfrage Frau Riklin beim Bundesrat

Antwort des Bundesrates

Der Bundesrat teilt die Auffassung, wonach die bisherigen Schreibregeln Weisungen 1948 einen sinnvollen Kompromiss zwischen berechtigter Schrifttradition und reiner Lokalsprache darstellen. Der darin in Artikel 7 aufgestellte Grundsatz, Namen von geringer, lokaler Bedeutung seien in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache zu schreiben, ist auch heute unbestritten.


Erläuterungen des Bundesrates

Die Toponymischen Richtlinien stellen keine Kehrtwende in der bisherigen Nomenklaturpraxis dar. Sie führen auch zu keiner grossflächigen Überarbeitung der Nomenklatur und bleiben in enger Anlehnung an die Weisungen 1948


Stellungnahme diverser Organisationen

Diverse Organisationen begrüssen die Antwort des Bundesrates, widersprechen aber vehement den Erläuterungen.

Weisungen 1948 und Toponymischen Richtlinien resp. Leitfaden sind völlig diametral und unvereinbar!

Wenn ca. 50% aller Lokalnamen im Kanton Thurgau ändern, kann doch nicht die Rede davon sein, dass die neuen Schreibregeln in enger Anlehnung an die Weisungen 1948 stehen.


Kulturgut, Kulturgeschichte

Die Lokalnamen sind ein wichtiges Kulturgut, welches erhalten werden sollten. Mit den Weisungen 1948 kann das wertvolle Kulturgut Lokalnamen (Flurnamen) sogar viel besser als harmonisches Gefüge (vom Name der grössten Stadt bis zum kleinsten Bächlein) erhalten werden als mit den neuen Schreibregeln, wo grosse Abgrenzungsprobleme zwischen Namen in Anlehnung an die Standardsprache und extremer Mundart bestehen.

Es gibt auch ein Gefäss, das die ganze Entwicklung der Namen inklusiv der kulturgeschichtlichen Bedeutung, Aussprache und phonetischer Notierung aufzeigt: das sind die eigentlichen Namenbücher und nicht zu verwechseln mit der Darstellung auf Karten, Plänen und Registern im täglichen Gebrauch bei Privaten und Verwaltungsstellen.


Anträge aus Sicht der Benutzer

Anträge

Die Schweizerische Organisation für Geoinformation (SOGI) hat in ihrer Stellungnahme vom 21. Juli 2006 zum Entwurf des Leitfadens Toponymie 2006 gefordert, die bewährten Weisungen 1948 (allenfalls leicht revidiert) in der Verordnung über geografische Namen (GeoNV) zu verankern. Die SOGI schätzt die Folgekosten für Umstellungen in Registern, Grundbücher, Datenbanken usw. auf weit über 100 Mio. Franken. Allein eine Umstellung eines einzigen Lokalnamens wie «Matterhorn» auf «Matterhore» würde Dutzende Millionen von Franken kosten (es ist natürlich davon auszugehen, das man das in diesem Fall nicht macht, allein im Google ist «Matterhorn» über 3 Millionen Mal zu finden ....)


Die SOGI und viele weitere schweizerische Fachorganisationen vgl. http://www.lokalnamen.ch/#29 fordern, die bisherigen Schreibregeln Weisungen 1948 (allenfalls leicht revidiert) in der neuen Verordnung über geografische Namen (GeoNV) zu verankern, ebenso die Forderung, die Schreibweise der Lokalnamen grundsätzlich so belassen, wie sie sind.


Begründung

Warum Verankerung obiger Forderungen in der GeoNV?

  1. Es besteht aufgrund des bisherigen Verhaltens der swisstopo bei dieser Thematik zu wenig Vertrauen.
  2. Während der Erarbeitung des GeoNV hat die swisstopo erklärt, dass sie zu den Weisungen 1948 zurückkehre. Öffentliche Vorträge der swisstopo und Veröffentlichungen im «Die Alpen 2/2007» zeigen jedoch, dass die swisstopo jedoch nach wie vor den Leitfaden propagiert. Anfragen bei der swisstopo, was nun gelte, blieben bisher unbeantwortet!


Ohne diese Ergänzung im aktuellen Entwurf der Verordnung über geografische Namen (GeoNV), ist mit folgenden Negativfolgen zu rechnen:

  • Tausende von Lokalnamen werden weiterhin laufend in extrem mundartliche Schreibweisen geändert, mit Kostenfolgen gemäss Schätzungen von der SOGI von über 100 Mio. Fr.!
  • Von vielen Bürgern und Politiker wird die Veränderung der bestehenden Schreibweise von Lokalnamen als unsinnige Verschwendung von Steuergeldern kritisiert. Wir haben doch heute viel wichtigere Probleme zu lösen, z.B. Umwelt, Energie usw. als die vermeintliche Verbesserung (aus Sicht der Benutzer: Verschlimmbesserung) von Lokalnamen
  • es entstehen grossen Unsicherheiten bei der Ortung (z.B. Rettungsdienste) und grosse Anpassungen im Bereicht Adressen.
  • Lokalnamen als wichtige Geoinformationen haben ihren Hauptzweck zur Verständigung im schriftlichen, amtlichen Verlehr. Sie dürfen nicht zu sprachwissenschaftlichen Zwecken missbraucht werden.
  • Extrem mundartliche Schreibweisen von Orts- und Lokalnamen wirken vielfach äusserst lächerlich und geniessen keine allgemeine Akzeptanz, wie dies in der GeoNV gefordert wird.


Leider erfolgt die Umstellung auf extrem mundartliche Schreibweise von Lokalnamen ohne:

  • gesamtheitliche Betrachtung
  • ohne politische Abstützung
  • ohne plausible Gründe
  • ohne Untersuchung der Folgekosten
  • ohne Mengengerüst


Kritik

Bei der Etablierung von Weisungen 1948 fand im Vorfeld eine breit abgestützte Diskussion und wissenschaftliche Auseinandersetzung zur Problematik statt. Namhafte Sprachwissenschafter und Benutzer nahmen daran teil. Der berühmte ETH Professor für Kartografie hatte sich sehr für eine Kompromisslösung eingesetzt, welche auch heute noch Gültigkeit haben muss. Ein neuer Kompromiss kann kaum gefunden werden, da die Benutzer eigentlich sogar eher weniger Mundart als Weisungen 1948 bevorzugen würden.


In der Stellungnahme der Schaffhauser, verfasst vom späteren Regierungsrat Hermann Wanner, steht zu lesen: Ohne Benützung phonetischer Zeichen wird es nie gelingen, der reichen Vielfalt der Mundart gerecht zu werden mit all den Vokalen, Umlauten, verschieden ausgesprochenen Konsonanten und auch der Betonung. So wird auch eine konsequente Mundartschreibung in den Karten in jeder Hinsicht unbefriedigend sein, weil es den einen zu weit geht und unverständlich bleibt und den Verfechtern der Mundartschreibung doch wieder nicht genügen kann.


Beim heutigen Versuch der Einführung extrem mundartlichen Schreibweise wird jeder wissenschaftlichen Diskussion und Auseinandersetzung bewusst ausgewichen. Im Wissen, dass extrem mundartliche Schreibweise nur bei wenigen Leuten befürwortet wird, geschieht eine Umsetzung völlig versteckt und ohne Rechtsgrundlage. Man stellt fast den ganzen Kanton Thurgau um und merkt dann, dass die entsprechenden Regeln nichts taugen. Man stellt neue, Regeln auf (Leitfaden Toponymie 2006) welche nicht viel besser sind als die Toponymischen Richtlinien und beginnt wieder neu zu experimentieren.


Details zur Schreibweise von Orts- und Lokalnamen

Weisungen 1948

  1. Allgemein bekannte Namenwörter In der schriftsprachlichen Form sind in der Regel zu belassen: allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, z.B. Berg, Feld, Weg, Grat (nicht Bärg, Fäld, Wäg, Grot).
  2. Stummes -n Soll in der Regel geschrieben werden.
  3. Ortsüblich wird im Gegensatz zur Etymologie verstanden und nicht speziell lautnah.


Leitfaden Toponymie 2006

(als «verbesserte» Version von Toponymischen Richtlinien 2005)

  1. Allgemein bekannte Namenwörter Es wird empfohlen, Namen, deren zugrunde liegendes Wort in der Hoch- oder Standardsprache vorkommt (allgemein bekannte Namenwörter), wie alle übrigen Toponyme zu behandeln und nach der ortsüblichen Sprechform zu notieren. Also z.B. Bärg, Fäld, Stäg, Wäg, Zälg, Räge, Rein, Mei, Boum etc. (wo so gesprochen wird) und nicht – oder nur dort, wo dies die ortsübliche Sprechform ist – Berg, Feld, Steg, Weg, Zelg, Baum etc. – Demnach (z.B. im Kt. BE): Breitfäld, Höje Stäg, Räbbärg/-wärch, Chärderbärg, Chirschboummatte, Meigüetli.
  2. Stummes -n Es wird grundsätzlich empfohlen, das stumme -n wegzulassen.
  3. Ortsüblich wir als lautnah verstanden und erst noch als bodenständig, dass d.h. historische Sprechform (z.B. «Roopel» anstelle von «Rotbühl», obwohl man seit über 40 Jahren nicht mehr so spricht)


Unterschied Weisungen 1948 und neue Schreibregeln

Gemäss Einschätzungen der SOGI (vgl. Stellungnahme SOGI Anhang1 2.1) entsprach die Schreibweise der Lokalnamen auf dem Landeskartenblatt 1073 Wil 1:25 000, Ausgabe 1978, weitgehend dem Standard Weisungen 1948. In der Ausgabe 2004 hat sich von rund 540 Lokalnamen die Schreibweise deren 290 (54%) geändert. Berücksichtigt man die Restriktionen des Leitfadens Toponymie 2006 für Dehnungen wie z.B. «Huse» anstelle «Huuse» usw., wären es trotzdem immer noch rund 240 Lokalnamen (44%), dessen Schreibweise entsprechend dem neuen Standard Leitfaden Toponymie 2006 gegenüber Standard Weisungen 1948 ändern.


Zwitterformen

Zwitter = Mischung zwischen Standardsprache und Mundart

  • Zwitterform als Mischung zwischen Standardsprache und gemässigter Mundart: etwas störend, aber in der Schweiz nicht vermeidbar
  • Zwitterform als Mischung zwischen Standardsprache und extremer Mundart: störend aber vermeidbar, wenn auf extreme Mundart verzichtet wird


Strassennamen sind grundsätzlich in enger Anlehnung an Standardsprache geschrieben

Standard:

  • ...-strasse
  • ...-weg


zu vermeiden:

  • ...-strass
  • ...-wäg


Bei den Lokalnamen gilt ähnliches wie bei Strassennamen

Weisungen 1948 als Standard:

  • ...-berg
  • ...-feld
  • usw.


zugelassene Formen beim Leitfaden Toponymie 2006 (soll aus Sicht Benutzer vermieden werden)

  • ...-bärg
  • ...-fäld
  • usw.


Problematik Zwitterformen

  • Zwitterformen sollen gemäss Weisungen 1948 möglichst vermieden werden --> Weisungen 1948 zwingen zur Schreibung einer gemässigten Mundart.
  • Die Verfechter von extremer Mundart argumentieren, dass Zwitterformen vermieden werden sollen, indem mehr Mundart zugelassen werden müsse.
  • Eine der Ursachen für Zwitterbildungen sind jedoch nicht die Weisungen 1948, sondern dass die Weisungen 1948 nicht konsequent befolgt werden.
  • In der Schweiz lassen sich gewisse Zwitterformen nie ganz vermeiden
  • Das Problem kann durch Belassung der gemässigten Mundart wesentlich besser gelöst werden als durch Zulassung von extremer Mundart. Es werden damit mehr Probleme geschaffen als gelöst (abgesehen von den verheerenden Folgen eines Wechsels). Bei der Lösung mit mehr Mundart werden die Abgrenzungsprobleme zwischen an Standardsprache ausgerichteten Namen und Mundartnamen wesentlich verschärft und eine mit Weisungen 1948 ermöglichte Harmonie wird zerstört. Beispiel Lauenen:
    • Ortschaft: Lauenen
    • Tal: Lauenental
    • Flurname: Lauenen (gemäss Weisungen 1948); Lauene (entgegen Weisungen 1948)
    • See: Lauenensee (gemäss Weisungen 1948); Louwenesee (entgegen Weisungen 1948)
    • Horn: Lauenenhorn (gemäss Weisungen 1948); Lauenehore (entgegen Weisungen 1948)
  • Da Lokalnamen für die Bildung verschiedener abgeleiteter Namen (in Standardsprache) verwendet werden, sind dort die Zwitterformen störend, wenn Lokalnamen in extremer Mundart geschrieben werden.


Über diese Frage kann lange diskutiert werden, massgebend ist, dass 1948 ein Entscheid gefällt wurde, welcher heute nicht umgestossen werden kann oder sonst verheerende Folgen hat.


Weblinks