Geschichte Schreibweise Lokalnamen

Aus Geoinformation HSR
Version vom 11. Dezember 2008, 20:30 Uhr von Schlatter (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: Zurück zu den '''Weblinks Orts- und Lokalnamen''' 320px300px == Ge...)

(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Zurück zu den Weblinks Orts- und Lokalnamen


Dingetswi Siegfriedkarte.jpgTingetschwiil LK Fischingen.jpg

Geschichte Schreibweise Ort- und Lokalnamen =

Allgemeines

Orts- und Lokalnamen (Flurnamen) bilden einen wesentlichen, jedoch in ihren Formen auch in der Vergangenheit heftig umstrittenen Inhaltsteil unserer amtlichen Pläne und Karten, insbesondere was die Schreibweise anbelangt.

Es bestehen erhebliche Interessenskonflikte zwischen den Bedürfnissen verschiedener Benutzer von Orts- und Lokalnamen:

  • Pragmatische Funktion der Orts- und Lokalnamen im Sinne von Geoinformationen (vertikale Harmonie, Stabilität, allgemeine Akzeptanz, einfache Schreib- und Lesbarkeit) (vgl. Geoinformation und Orts- und Lokalnamen)
  • Amtliches Interesse an der Standardisierung der Orts- und Lokalnamen (horizontale Harmonie)
  • Sekundäre Interesse der Namenforscher, Historiker und Sprachwissenschafter

Zum Verständnis der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen in der Schweiz sind der geschichtliche Abriss und die damit gemachten Erfahrungen wichtig Details vgl. Chronologie Orts- und Lokalnamen


Periode 19. Jh. Dufour- und Siegfriedkarte

Adlikon 1850.jpg Dufourkarte ca. 1850

Orts- und Lokalnamen:

  • Krähstel
  • Trisgler
  • Adlikon
  • Hard
  • Breitfeld


  • Z.T. aus heutiger Sicht übertriebene Verhochdeutschung von Orts- und Flurnamen
  • Es existieren keine Schreibregeln


Periode 1900 – 1948

Adlikon 1930.jpg Siegfriedkarte ca. 1930

Orts- und Lokalnamen:

  • Krähstel
  • Trisgler
  • Breitwiesen
  • Allmend
  • Spittelhölzli
  • Adlikon
  • Bühl
  • Riedhof
  • es existierten nach wie vor keine Schreibregeln
  • es bestanden keine Regelung, wann Namen in herkömmlicher Schreibweisen belassen und wann in eine mundartliche Schreibweise verändert werden sollen
  • uneinheitliche Schreibweise von mundartlichen Namen
  • Der Kanton Zürich begann als einer der ersten Kanton mundartnah zu schreiben (nicht mundartgetreu) Details vgl. hier


Periode 1948 – 2008

Adlikon 1956.jpg Landeskarte ca. 1956

Lokalnamen:

  • Krähstel ► Chrästel
  • Trisgler ► Drisgler
  • Breitwiesen ► Breitwisen
  • Allmend
  • Spittelhölzli (nicht mehr existent)
  • Bühl ► Büel
  • Riedhof ► Riethof
  • Bruggwisen

In den Weisungen 1948 wurde für die deutschsprachige Schweiz geregelt:

  • wann Namen mundartlich geschrieben und wann die herkömmliche Schreibweise belassen werden (Art. 4 - 7)
  • wie mundartliche Namen geschrieben werden (Anhang zu Art. 7). Man einigte sich auf eine mundartnahe Schreibweise und nicht auf eine mundartgetreue Schreibweise. Die Schreibweise von mundartnahen Namen lehnt sich an das Schriftbild der herkömmlichen Schreibweise (standardsprachig) an.


Die Weisungen 1948 stellten ein Programm für eine einmalige Revision der Orts- und Lokalnamen dar, wobei der Mundart auf dem Hintergrund des 2. Weltkrieges (Identität der Schweiz) einen festen Platz eingeräumt wurde. Dieses Programm muss heute im Sinne der GeoNV als abgeschlossen gelten.


Die Umsetzung der Weisungen 1948 bedeutenden einen gewaltigen Eingriff in die Schreibweise der Orts- und Lokalnamen in der amtlichen Vermessung für den Übergang von der Siegfriedkarte in die heutige Landeskarte (ab 1948)

  • Probleme innerhalb von Orts- und Lokalnamen (Vertikalität)
    • Zum Teil wurde nach 1948 die Schreibweise von zu vielen Namen geändert und die Änderungen mussten anschliessend wieder rückgängig gemacht werden. Beispiele im Kanton Zürich: Gockhusen, Pfaffhusen, Pfannenstil wurden 1969 wieder in die ursprüngliche Form vor 1948 Gockhausen, Pfaffhausen, Pfannenstiel geändert (vgl. hier) )
    • Diverse Unstimmigkeiten der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen in der Landeskarte und amtlichen Vermessung gehen auf die Änderungen nach 1948 zurück. Wegen mangelnder allgemeiner Akzeptanz und zu wenig Rücksichtnahme auf bestehende Namen, wurden wie bei obigen Beispiel Rückmutationen vorgenommen. Zum Teil erfolgten diese jedoch nur einseitig:
      • einseitig nur Landeskarte (z.B. Lättenberg auf Lettenberg)
      • einseitig nur in der amtlichen Vermessung (z.B. Ror auf Rohr, Äntlisberg auf Entlisberg (vgl. Änderungen im Kanton Zürich)
  • Probleme der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen im Zusammenspiel mit anderen Namen (z.B. Strassennamen)
    • Vor der Mundartisierung der Orts- und Lokalnamen stimmten diese häufig mit Strassennamen und andern Namen überein ( gemeinsamen Nenner: Anlehnung an die Standardsprache). Bei der Mundartisierung wurde vielfach keine Rücksicht auf bestehende Namen genommen und es wurden viele Diskrepanzen geschaffen, die bis heute allgemein störend sind.
    • In der Schweiz gibt es diverse Beispiele, wo geänderte Schreibweisen von Orts- und Lokalnamen nach 1948 keine allgemeine Akzeptanz fanden und bis heute Diskrepanzen der Schreibweise von Orts- und Lokalnamen z.B. mit Gebäudeadressen in Kauf genommen werden müssen (vgl. Loon und Lohn im Kanton Bern).
    • Vielfach waren und sind die Gemeinden in der Schweiz nicht bereit, bestehende Strassennamen zu ändern um an geänderte Orts- und Lokalnamen anzupassen, insbesondere für Strassennamen ungeeigneten Schreibweisen.
    • Auch für neue Strassennamen wird meist nur dann die Schreibweise von Orts- und Lokalnamen übernommen, wenn sich das Schriftbild der Orts- und Lokalnamen an die Standardsprache anlehnt.
  • Lernen aus den gemachten Fehlern in der Vergangenheit
    • In der Vergangenheit wurde in der Schweiz bei der Schreibweise von geografischen Namen zahlreiche Fehler begannen, welche auch heute noch störend sind und immer wieder zu Diskussionen führen. Hauptursache sind, dass
      • geografische Namen geändert wurden und
      • Schreibweisen von Mundart verwendet wurden, welche vom Schriftbild der Standardsprache abweichen.
    • Die Fehler der Vergangenheit sollten künftig unbedingt vermieden und die Grundsätze der Verordnung über geografische Namen (GeoNV) müssen zwingend beachtet werden.


Periode ab 2008 auf Grundlage der Verordnung über geografische Namen (GeoNV)

Adlikon 2006.jpg Landeskarte 2006

Lokalnamen:

  • Chrästel
  • Drisgler
  • Breitwisen
  • Allmend
  • Büel (nicht mehr existent)
  • Riethof
  • Bruggwisen

Die Verordnung über geografische Namen (GeoNV) hat z.B. folgende Auswirkungen auf Orts- und Lokalnamen:

  • Schreibweisen von Orts- und Lokalnamen dürfen nur verändert werden, falls ein öffentliches Interesse geltend gemacht werden kann (vgl. GeoNV Art 4. Abs. 3). Änderungen sind erforderlich für die Herstellung der Vertikalität. Auf weitergehende Änderungen und horizontale Harmonisierung soll im Sinne GeoNV Art. 4 Abs. 3 verzichtet und die heutigen Schreibweisen grundsätzlich belassen werden. Auch in den bisherigen Regelungen (Weisungen 1948 und Verordnung über Orts-, Gemeinde- und Stationsnamen musste bei bewohnten Orten, welche im amtlichen Verkehr beim Bund verwendet wurden, Rücksicht auf die herkömmliche Schreibweise genommen werden und bei Änderungen war ein Genehmigung des Bundes notwendig.
  • Mit der Etablierung leicht revidierter Schreibregeln Weisungen 1948 soll eine weitere Umwandlung in Richtung extremer Mundart endgültig gestoppt werden im Sinne einfach schreib- und lesbaren und allgemein akzeptierten Namen (GeoNV Art. 4 Abs. 1) in Anlehnung an das Schriftbild der Standardsprache (GeoNV Art. 4 Abs. 2). Die Weisungen 1948 entsprechen dieser Forderung, da ausser Namen, welche nicht geringe, lokale Bedeutung haben, die Schreibweise sich ohnehin an die herkömmliche Schreibweise (Anlehung an Standardsprache) ausrichten und auch die Mundartschreibung sich möglichst an das Schriftbild der Standardsprache anlehnen musste. Was mit den extremmundartlichen Schreibweisen in den Kantonen Thurgau und Schaffhausen geschehen soll, welche nicht nach Weisungen 1948 geschrieben werden, muss kantonsintern analysiert werden. Erste Gedankenansätze vgl. hier. Eventuell drängen sich Rückmutationen auf, wie dies Anfänglich auch nach 1948 der Fall war.
  • Generell muss die Frage gestellt werden, ob nicht spezielle, thematische Geodatenebenen für Namenbücher eingerichtet werden sollten. Dies würde folgende Vorteile bringen:
    • Vermeidung des Interessenkonfliktes pragmatische und wissenschaftliche Schreibweise
    • Führung von nicht mehr lebenden Orts- und Flurnamen (Historisierung). Flurnamen in Baugebieten können weiter geführt werden.
    • Führung aller Orts- und Flurnamen, ohne Auswahl für die amtliche Vermessung


Für die Bereinigung von Orts- und Lokalnamen spielt die Vertikalität eine grosse Rolle sowie dass sie wenn möglich mit anderen geografischen Namen (Namen von Gemeinden, Stationen und Strassennamen) übereinstimmen. Dabei wird offen gelassen wo allfällige Anpassungen vorgenommen werden. Wichtig dabei ist:

  • so wenig Namen wir nur möglich ändern. Bereinigung so wählen, dass der Umstellungsaufwand am geringsten ist (z.B. Ändern von Strassennamen bedingt Änderungen von Gebäudeadressen)
  • allgemeine Akzeptanz: Gemeinden einbeziehen
  • wo sinnvoll und möglich Anlehnung an die Standardsprache

Vor einer Bereinigungen soll die Ausgangslage analysiert werden.


Beispiel Ried oder Riet ? in der Gemeinde Wald

Ried in der Siegfriedkarte ca. 1880 - 1955 Riet in der Landekarte ca. 1955 - 1970 Ried im der heutigen Landeskarte
Ried Siegfriedkarte 1930.jpg Riet Landeskarte 1955.jpg Ried Landeskarte.jpg

Heutige Schreibweise im Übersichtsplan:

Riet Übersichtsplan2.jpg


Landeskarte amtliche Vermessung Übersichtsplan Weitere Namen (Haltestellen, Strassen, .. Historische Schreibweisen
Ried Riet Riet
  • Haltestelle: Riet
  • Strassenname: Ried
  • Ortschaft:Gibswil-Ried
  • historische Karten bis ca. 1955: Ried
  • ab ca. 1955 LK Riet
  • ab ca. 1955 AV Riet

In den swissnames ist Ried ca. 940 mal zu finden, Riet 540 mal. Beide Schreibweisen sind verbreitet. Es fragt sich jedoch, ob der gewaltige Umstellungsaufwand, der noch lange nicht abgeschlossen ist, sich wegen Nuancen wie die Aussprache von Ried rechtfertigt (sogar in der Standardsprache wird eher ein «unt» für ein «und» gesprochen).

Gemäss Art. 7 aus der GeoNV, übernimmt die Landeskarte eine geeignete Auswahl von Orts- und Lokalnamen aus der amtlichen Vermessung.

Diese Bestimmung ist zu begrüssen, da sie eine einheitliche Schreibweise gemäss GeoNV Art. 1 ermöglicht. Gemäss obigem Beispiel Ried / Riet sollte die Schreibweise in der amtlichen Vermessung vor und nicht nach der Übernahme bereinigt werden, sonst könne folgender Fall auftreten:

  • amtliche Karten vor 1955 Ried
  • amtliche Karten nach 1955 Riet (Landeskarte 1. Änderung)
  • Landeskarte Rückmutation auf Ried (Landeskarte 2. Änderung)
  • Übernahme der Landeskarte von Riet aus der amtlichen Vermessung (Landeskarte 3. Änderung)
  • Ev. Änderung von Riet auf Ried in der amtlichen Vermessung
  • Übernahme der Landeskarte von Ried aus der amtlichen Vermessung (Landeskarte 4. Änderung)

Dieses Beispiel zeigt, wie unsinnig es ist, geografische Namen zu ändern, vor allem, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die eine neuen Schreibweisen nicht auf allgemeine Akzeptanz stossen.


Siehe auch

Degenau LK 25.jpgTägenau Thurgis.jpg

Mezike Hunzike.jpgMezikon Mezike 2.jpg


Weblinks