Geschichte Schreibweise der Thurgauer Lokalnamen: Unterschied zwischen den Versionen

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=== ab 1996 Kantonale Nomenklaturkommission übernimmt Schreibweise des Thurgauer Namenbuchs ===
 
=== ab 1996 Kantonale Nomenklaturkommission übernimmt Schreibweise des Thurgauer Namenbuchs ===
 
Die kantonale Nomenklaturkommission des Kantons Thurgau übernimmt ab ca. 1996 für die Schreibung der offiziellen Lokalnamen die extremmundartliche Schreibweisen des Thurgauer Namenbuchs.
 
Die kantonale Nomenklaturkommission des Kantons Thurgau übernimmt ab ca. 1996 für die Schreibung der offiziellen Lokalnamen die extremmundartliche Schreibweisen des Thurgauer Namenbuchs.
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=== Anwendungen der Weisungen 1948 im Kanton Thurgau ===
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Weisungen 1948 stellen einen Kompromiss dar zwischen Anliegen der Namenforschung und den Benutzern von Karten und Plänen. Vielen Benutzern geht die Zugeständnisse an die Mundart zu weit und so ist, es nachvollziehbar, dass die kantonale Aufsichtsbehörde der amtliche Vermessung im Kanton Thurgau propagiert, alle Orts- und Lokalnamen in der tradtionelle Schreibweise zu belassen wie sie sind. Vor allem bei den Siedlungsnamen ist diese Opposition absolut berechtigt, wenn man die Geschichte der Schreibweise der Orts- und Lokalnamen im Kanton Thurgau betrachtet. Oskar Bandle schreibt in seinem Artikel von 1952 in der Thurgauerzeitung, dass Siedlungsnamen in der traditionellen Schreibweise belassen würden. In der Schweiz wie auch zwischen 1956-1992 auf der Landeskarte im Kanton Thurgau wurden viele Weiler- und Hofnamen ebenfalls von der traditionellen Schreibweise in eine mundartnahe Schreibweise geändert.   
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Version vom 9. April 2011, 11:21 Uhr

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Erdhausen Ärdhuuse 2.jpg

Zugriff auf die Orts- und Lokalnamen im Kanton Thurgau


Nebenstehender Ausschnitt stammt aus map.search.ch. Damit die Namen mit beider Schreibweisen gefunden werden können, ist sowohl Erdhausen (entspricht der ursprünglichen und der zukünftigen Schreibweise) wie Ärdhuuse (vermeintlich verbesserte Schreibweise) kartiert.


Inhaltsverzeichnis

Überblick Geschichte Schreibung der Thurgauer Orts- und Lokalnamen

Statistik über die Orts- und Lokalnamen im Kanton Thurgau

Dingetswil Ortstafel2.jpgTingetschwiil.jpg

Tingetschwiil wird ab 2016 in der Landeskarte wieder Dingetschwil geschrieben.

  • Anzahl Flurnamen mit lokaler und regionaler Bedeutung: ca. 18'000
  • Anzahl Flurnamen mit übergeordneten Bedeutung: ca. 30 vgl. hier
  • Anzahl Siedlungsnamen: ca. 2400


Grafische Darstellung der Geschichte Schreibung der Thurgauer Orts- und Lokalnamen

Jahr 1855-1945 1957-1992 1998-2010 2016-
Karten Dufour-/Siegfriedkarte Landeskarte Landeskarte Landeskarte
Flurnamen mit lokaler Bedeutung Abc gelb.jpg Abc orange.jpg Abc rot.jpg Abc rot.jpg
Flurnamen mit übergeordneter Bedeutung Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Abc rot.jpgAbc Tafel.jpg Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg
Siedlungsnamen:Weiler- und Hofnamen Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Abc orange.jpgAbc Tafel.jpg Abc rot.jpgAbc Tafel.jpg Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg
Siedlungsnamen:Städte und Dörfer Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg
Abc Weiss.jpgAbc gelb.jpgAbc orange.jpgAbc rot.jpg Schreibweise auf Landeskarten.... Abc Tafel.jpg Schreibweise auf Ortstafeln und Strassenwegweiser........
Abc Weiss.jpgAbc Tafel.jpg Traditionelle, schriftsprachlich ausgerichtete Schreibweise
Abc gelb.jpg Vor 1948: Mundartliche Schreibweise mit Anlehnung an das Schriftbild der Schriftsprache, ohne Schreibregeln
Abc orange.jpg Nach 1948: Mundartliche Schreibweise mit Anlehnung an das Schriftbild der Schriftsprache, mit Schreibregeln 1948
Abc rot.jpg Extremmundartliche Schreibweise, von Schreibregeln 1948 abweichend


° 2011 Artikel «Deutsch und deutlich» im Beobachter

Artikel «Deutsch und deutlich»

Artikel Deutsch und deutlich vom 4.3.2011 im Beobachter vgl. hier


Zitat aus obigem Artikel des Beobachters: In den fünfziger Jahren kam eine entsprechende Anweisung vom Bundesrat. "Die haben allerdings nicht alle Kantone gleich interpretiert", erklärt Andreas Keller, Generalsekretär des Thurgauer Departements für Inneres und Volkswirtschaft. Der Thurgau jedenfalls nahm die Aufforderung ernst.


Kommentar zum Artikel «Deutsch und deutlich»

  • Im oben erwähnten Artikel des Beobachters sind mit entsprechender Anweisung vom Bundesrat die Schreibregeln Weisungen 1948 des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements gemeint. Es trifft allerdings nicht zu, dass diese Anweisungen im Kanton Thurgau ernst genommen wurden. Es wurde im Gegenteil gerade eine stark abweichende Schreibweise verwendet wie zum Beispiel die Schreibweise Berg/Bärg, Wil/Wiil zeigen:
    • Weisungen 1948 in der Regel wird auch mundartliche Namen immer Berg geschrieben. Ebenso wird gemäss Weisungen 1948 Wil mit einem -i geschrieben.
    • Mundartschreibweise im Kanton Thurgau dagegen seit ca. 1996: Bärg und Wiil
  • Bezug nehmend zu den Weisungen 1948 schreibt der Mitautor des Thurgauer Namenbuchs Oskar Bandle in einem Artikel der Thurgauer Zeitung im Jahr 1952 zur Schreibung der Lokalnamen im Kanton Thurgau: Wörter, die im Schweizerdeutschen durch eine Kleinigkeit, zum Beispiel eine Vokalnüance, vom Schriftdeutschen abweichen, dürfen ruhig schriftdeutsch wiedergegeben werden. Niemand wird sich einfallen lassen, ein mit offenem e gesprochenes Berg Bärg zu schreiben, das würde ja nur neue Verwirrung stiften. Die seit über 10 Jahren entstandenen Verwirrungen im Kanton Thurgau bezüglich Schreibung der Lokalnamen dürfte nicht auf die Befolgung der Anweisungen Weisungen 1948 zurückzuführen sein, sondern im Gegenteil eher auf deren Nichtbefolgung, da in allen Kantonen, in welchen die Weisungen 1948 bis heute angewendet wurden, gute Erfahrungen mit Weisungen 1948 gemacht wurden.
  • Der Bundesrat hatte noch nie eine Mundartschreibweise für Lokalnamen beschlossen. Er sorgte im Gegenteil dafür, dass die Gebrauchsfähigkeit von Siedlungsnamen wegen der Mundart nicht zu stark strapaziert wurde, indem für die Änderungen der Schreibweise von Siedlungsnamen, welche im Gebrauch der Bundesverwaltung standen, eine Genehmigung durch den Bund bedurften. (vgl. RRB vom 22. Februar 1938)
  • Die Schreibregeln Weisungen 1948 sahen für Lokalnamen von geringer, lokalen Bedeutung nicht irgendeine Mundartschreibweise vor, sondern forderten ausdrücklich eine gemässigte, pragmatische Schreibweise, welche das Schriftbild der traditionellen Schreibweise berücksichtigt (z.B. in der Regel soll immer Berg, nicht Bärg und auch Wil, nicht Wiil geschrieben werden.)
  • In den Landeskarten wurde 1957 - 1992 eine mundartliche Schreibweise gemäss Weisungen 1948 verwendet, welche kaum Verwirrung gestiftet hat. Erst mit dem Thurgauer Namenbuch wurde eine von den Weisungen 1948 abweichende, Laut betonte und für Karten und Pläne ungeeignete Schreibweise eingeführt, welche dann von der kantonalen Nomenklaturkommission als offizielle Schreibweise beschlossen wurde.


Weiteres zur Geschichte der Schreibweise der Thurgauer Orts- und Lokalnamen

° 2011 Rückänderungen der Schreibweisen von Orts- und Lokalnamen im Kanton Thurgau


° ab etwa 1996-2010 Extremmundartliche Schreibweise im Kanton Thurgau, Lokalnamen.ch


° 2010 «Aus Roopel wird wieder Rotbühl»


° 2010 «Wellenberg» oder «Welebärg»?


° 2010 Thurgauer Wanderkarte


° 2010 «Namenstreit im Thurgau» Zeitschrift «SchweizerDeutsch»


° 2007 «Schweiz stoppt Dialektwelle» Deutschlandradio


° 2005 «Topografie: Wo Unsinn einen Namen hat» Beobachter


° 2004 «Mundart versus Schriftsprache» Thurgauer Zeitung


ab 1996 Kantonale Nomenklaturkommission übernimmt Schreibweise des Thurgauer Namenbuchs

Die kantonale Nomenklaturkommission des Kantons Thurgau übernimmt ab ca. 1996 für die Schreibung der offiziellen Lokalnamen die extremmundartliche Schreibweisen des Thurgauer Namenbuchs.


Anwendungen der Weisungen 1948 im Kanton Thurgau

Weisungen 1948 stellen einen Kompromiss dar zwischen Anliegen der Namenforschung und den Benutzern von Karten und Plänen. Vielen Benutzern geht die Zugeständnisse an die Mundart zu weit und so ist, es nachvollziehbar, dass die kantonale Aufsichtsbehörde der amtliche Vermessung im Kanton Thurgau propagiert, alle Orts- und Lokalnamen in der tradtionelle Schreibweise zu belassen wie sie sind. Vor allem bei den Siedlungsnamen ist diese Opposition absolut berechtigt, wenn man die Geschichte der Schreibweise der Orts- und Lokalnamen im Kanton Thurgau betrachtet. Oskar Bandle schreibt in seinem Artikel von 1952 in der Thurgauerzeitung, dass Siedlungsnamen in der traditionellen Schreibweise belassen würden. In der Schweiz wie auch zwischen 1956-1992 auf der Landeskarte im Kanton Thurgau wurden viele Weiler- und Hofnamen ebenfalls von der traditionellen Schreibweise in eine mundartnahe Schreibweise geändert.


° 1952 Oskar Bandle kündet Schreibung der Thurgauer Lokalnamen nach Weisungen 1948 an


° 1948 Weisungen 1948

27.10.1948 Weisungen für die Erhebung und Schreibweise der Lokalnamen bei Grundbuchvermessungen in der deutschsprachigen Schweiz

  • Die Weisungen 1948 propagieren die Beibehaltung der traditionellen, vor allem schriftsprachlich ausgerichteten Schreibweise für Namen mit grosser Bedeutung, respektive lehnen sich an das Schriftbild der traditionellen, schriftsprachlich ausgerichteten Schreibweise der Namen an und erlauben eine pragmatische Schreibweise in gemässigter Mundart für Namen mit geringer, lokaler Bedeutung: Art. 7 Weisungen 1948: Die Schreibung der Namen von geringer, lokaler Bedeutung, für die nach Artikel 4 und 5 keine besondere Regelung vorgesehen ist, erfolgt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache nach den im Anhang zu diesen Weisungen entha1tenen Grundsätzen und Schreibregeln. Es ist nicht irgend eine Mundarschreibung vorgesehen, sondern eine gemässigte und normalisierte Schreibweise. Merkmale dieser mundartnahen (nicht mundartgetreuen) Schreibweise:
  • Durch diesen Kompromiss können sowohl die Anliegen betreffend unserer kulturellen Werte in der Schweiz, wie auch die irrtumsfreie Orientierung und Verständigung (Forderung einfache Schreib- und Lesbarkeit) als Hauptzweck der Orts- und Lokalnamen bestmöglich berücksichtigt werden.



° 1938 Bundesratsbeschluss vom 22.2.1938

Bundesratsbeschluss 22,2,1938.jpg

Bundesratsbeschluss vom 22. Februar 1938 vgl. hier

Der Bundesrat ist in diesem Beschluss in keiner Weise auf die Mundartschreibung eingegangen. Bereits 1939 hat die Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz für die Ausführungsbestiummungen dieses Bundesratsbeschluss folgenden Grundsatz verlangt: Für die Schreibweise der [...] Lokalnamen (nachstehend als Flurnamen bezeichnet) muss die im Volksmund lebende Sprechform massgebend sein Quelle Thurgauer Namenbuch Band 1.1 Seite 40. Ein solcher Freipass für die Mundartschreibweise ohne gewisse Einschränkungen zur Normalisierung konnte jedoch nicht gewährt werden. Es dauerte dann noch fast 10 Jahre, bis entsprechende Ausführungsbestimmungen (Weisungen 1948) mit einer Normalisierung der Mundarsschreibweise erlassen werden konnte (Siehe oben).


Siehe auch

Beispiele von veränderten Schreibweisen im Kanton Thurgau


Schreibregeln


Allgemeines zu Schreibweise von Orts- und Lokalnamen


Weblinks