Höhnwilen oder Hääwiile

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Betrachtung der historischen Schreibweisen und Hintergründe


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Walestä Hääwiile Landeskarte.jpg Hääwiile Landeskarte.jpg

Siedlungsname Hääwiile (Thurgauer Gemeinde Ermatingen) in der Landeskarte


Ober Hääwiile AV.jpg Under Hääwiile AV.jpg

Hääwiile als Lokalname und Höhnwilen als Strassenbezeichnung in der amtlichen Vermessung (ThurGIS)



Historische Schreibweisen gemäss Thurgauer Namenbuch

Historische Schreibweisen gemäss Thurgauer Namenbuch resp. Datenbank Ortsnamen.ch

  • <1300 Henwile
  • 1496 Henwil
  • 1361 Henwyle
  • 1362 Henwil
  • 1369/1374 Henwille
  • 1389/1422/<1450 Henwile
  • 1496 Henwil
  • <1500 Hennwylenn
  • 1506 Henwil
  • 1524 Henweiler
  • 1599 Henwÿl
  • 1634 Heewÿlen
  • 1659 Henweilen
  • 1671 Heenweilen
  • 1731 Hänwillen
  • 1832 Henweilen
  • 1838 Höhnwyler
  • 1887 Höhnweilen (Ober- und Unter-)


Schreibweisen in historischen Karten

Dufourkarte

  • 1855 / 1860 / 1865 / 1870 / 1875 / 1880 / 1885 / 1890 / 1900 Höhnwyler
  • 1910 / 1920 Höhenwilen
  • 1930 Höhnwilen


Siegfriedkarte

Höhnwilen Siegfriedkarte.jpg

  • 1885 / 1900 / 1915 / 1930 / 1945 Unter- und Ober- Höhnwilen


Alte Landeskarte

  • 1957 1966 1972 1978 1884 Unter Höwilen / Ober Höwilen


Gebäudeadressen

  • 1928 Höhnwilen im Ortsbuch der Schweiz
  • Heutige Gebäudeadressen: unverändert seit 1928 Höhnwilen


Die Schreibweisen waren bis ca. 1920 unstabil. Mit dem Aufkommen von Gebäudeadressen begann sich die Schreibweisen der Lokalnamen zu festigen, was die Schreibweise der Siedlungsnamen anbelangt (vgl. Ortsbuch der Schweiz 1928).

Dieses Phänomen kann auch in der übrigen Schweiz beobachtet werden, z.B. wenn man die Dorfchronik von Thalwil betrachtet:

  • nach 1030 Talewile villam
  • 1133 - 1177 Telwil
  • 1159 - 1247 Tellewilare
  • 1179 - 1247 Tellewila
  • 1244 - 1327 Tellewile
  • 1254 Tellewille
  • 1254 Telewiler
  • 1263 Telliwile
  • 1275 Taellenwiler
  • 1307 - 1467 Talwil
  • 1331 Tallwile
  • 1331 - 1336 Telwile
  • 1383 Tallwyl
  • 1383 Talwyl

Bis Ende des 19. Jahrhunderts, waren die Namen Tallweil oder Thalweil gebräuchlich. Der Bundesrat beschloss 1903 für alle auf -weil endenden Seegemeinden die Form -wil für verbindlich - weil die Postdirektion eine Vereinheitlichung wünschte.


Änderung von Höhnwilen in Höwilen im Übergang von der Siegfriedkarte zur neuen Landeskarte

Beim Übergang von der Siegfriedkarte zur neuen Landeskarte wurde nach dem 2. Weltkrieg versucht, die Schreibweisen der Lokalnamen zu harmonisieren. 1948 wurden die Weisungen 1948 zur Schreibweise der Lokalnamen in der deutschsprachigen Schweiz erlassen. Grundsatz dieser Weisungen in Art 7: Die Schreibung der Namen von geringer, lokaler Bedeutung, für die nach Artikel 4 und 5 keine besondere Regelung vorgesehen ist, erfolgt in Anlehnung an die ortsübliche Aussprache nach den im Anhang zu diesen Weisungen enthaltenen Grundsätzen und Schreibregeln. Es wurde nicht einfach festgelegt in Mundart zu schreiben, sondern mit den Grundsätzen und Schreibregeln wurde eine gemässigte und nicht eine extreme Mundartschreibweise festgelegt, wie sie später im Thurgauer Namenbuch verwendet wurde. Der Mitautor dieses Namenbuches, Oskar Bandle, propagierte im Artikel der Thurgauer Zeitung vom 12.1.1951 eine normalisierte, pragmatische Schreibweise der Flurnamen (gemäss Weisungen 1948) und ging davon aus, dass die Schreibweisen von Siedlungsnamen nicht verändert werden. Hätte sich das Thurgauer Namenbuch auf dieses Grundsätze angewandt, hätte bei Verwendung dieser Schreibweisen in der amtlichen Vermessung ein grosses Fiasko vermieden werden können (vgl. hier). Die amtliche Vermessung hatte sich damals geweigert, eingebürgerte Schreibweisen von Lokalnamen in mundartliche Formen zu ändern, insbesondere gerade bei Siedlungsnamen. Die Schreibweise des Siedlungsnamen Höhnwilen hätte nicht in Höwilen und erst recht nicht in Hääwiile geändert werden dürfen, da Siedlungsnamen mehr als nur eine lokale Bedeutung aufweisen. Anstelle der amtlichen Vermessung hatte (gemäss Thurgauer Namenbuch 1.1 Seite 42) das Staatsarchiv des Kantons Thurgaus neue Schreibweisen für die neue Landeskarte von 1957 geliefert (wahrscheinlich auch diesen Siedlungsname Höwilen)


Die Grundlage zur Schreibweise der Lokalnamen wurde mit dem Bundesratsbeschluss vom 22.2.1938 festgelegt, aus welchem dann 10 Jahre die Weisungen 1948 entstanden sind (und nach 73 Jahren die Weisungen 2011). Leider wurde mit diesem Beschluss die einmalige Chance verpasst, eine Eidgenössische Kommission zur Koordination der Nomenklatur einzuführen aus Vertretungen von Sprachwissenschaft und Namenforschung wie auch paritätisch von Kartenbenutzer auf Stufe Bund, Kanton und Gemeinden sowie von Post und Verkehrsunternehmungen. Eine solche Kommission hätte kaum zugelassen, dass in der Schweiz neben den bereits mundartlichen Formen -wil und -wilen auch noch ein -wiile eingeführt worden wäre.


Übernahme der Schreibweise aus dem Namenbuch

Ober Hääwiile Namenbuch.jpg

Im Kanton Thurgau wurden für die Schreibweise der amtlichen Vermessung die Schreibweisen aus dem Namenbuch übernommen.

Neue Schreibweisen: seit ca. 1996

  • Under Hääwiile
  • Ober Hääwiile


Obige Schreibweisen erfolgten nicht nach den offiziellen, gemässigten Weisungen 1948, sondern es wurde für den Kanton Thurgau eine neue, sehr lautnahe Schreibweise gewählt, welche für Karten und Pläne extremmundartlich und ungewohnt erscheinen und auf nicht auf allgemeine Akzeptanz stossen. Begründet wurde dieser Entscheid damit, dass die Schreibung gemäss Weisungen 1948 nicht mehr der zeitgenmässen Mundartschreibung entspricht (vgl. Thurgauer Namenbuch 3.1 Seite 9). Es wurde dabei missachtet, dass Weisungen 1948 nicht einen generellen Grundsatz zur Mundartschreibung beinhalten, sondern eine Mundartschreibung mit vorgegebenen Schreibregeln für eine gemässigte Schreibung. Es wurde zudem verkannt, dass die Schreibregeln Weisungen 1948 auch nicht den damaligen Mundartschreibweisen entsprachen (es existierten damals bereits Schreibregeln von Eugen Dieth), sondern dass es sich bei den Schreibregeln Weisungen 1948 um eine spezielle, für Karten geeignete Mundartschreibweise handelt, welche das gewohnte traditionelle Schriftbild berücksichtigt.


Schon die Schreibweisen Unter Höwilen sowie Ober Höwilen stiessen 1957 auf ungenügende Akzeptanz, erst recht nicht diese für Lokalnamen extremen Schreibweisen Under und Ober Hääwiile. Vgl. dazu


Warum Hääwiile z.B. bei einem Grundbuchverwalter nicht auf Akzeptanz stösst

Vgl. Leserbrief vom 7.8.2009 in der Thurgauer Zeitung

Mit Interesse habe ich die verschiedenen Artikel über die Änderung von Flurnamen gelesen. Auch ich habe mich bei der Einführung des EDV-Grundbuches in Ermatingen öfters über die Schreibweise geärgert. Vor allem musste man drei- oder viermal hinschauen, damit keine Schreibfehler passierten. So wurde z.B. aus MatzenreinMaazerooa oder aus Höhnwilen Hääwiile. Kein Mensch weiss aber, wo Hääwiile liegt. Der Drovettisberg wurde zum Truettisbärg verunstaltet. Nach Intervention eines Anwohners, welcher mit einer Urkunde belegen konnte, dass ein Herr Drovetti auf diesem Berg gewohnt hat, wurde uns versichert, dass der Truettisbärg wieder zum Drovettisberg wird. Das Westerfeld, welches im Westen von Ermatingen liegt, wurde zum Wösterfäld. Hat das nun etwas mit Westen, mit Wäsche oder mit was zu tun?

Bei der Besprechung von Kaufverträgen musste ich mehrere Mal Bemerkungen entgegennehmen: «Werden bei euch keine Tippfehler korrigiert?» Meiner Meinung nach wurde übers Ziel hinausgeschossen und Fehler wie z.B. Truettisbärg, das sicher Drovettisberg heissen muss, in die Pläne aufgenommen.

Hans Weibel, a. Grundbuchverwalter, Ermatingen


Weitere Beispiele im Kanton Thurgau von Wilen und Wiile


Wie geht es weiter?

Zwar wurden im Kanton Thurgau beschlossen, alle Siedlungsnamen zurück zu ändern (vgl. hier), doch geht es lange Zeit, bis die bisherigen Schreibweise in amtlichen Karten und Plänen publiziert sind. Zudem besteht eine Unsicherheit, welche Schreibweise die offizielle sein wird (Höhnwilen ?) und in der zweisprachigen Wanderkarte, wurde die Schreibweise Hääwiile bisher belassen. Inzwischen wird die neue, wahrscheinlich bald nicht mehr gültige Schreibweise von anderen Karten übernommen, so z.B. Google maps.


Siehe auch


Weblinks