Mundart in Lokalnamen: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Grundsätze der GeoNV entsprechen den Grundsätzen der Weisungen 1948.
 
Die Grundsätze der GeoNV entsprechen den Grundsätzen der Weisungen 1948.
 
* Ein neues Kriterium ist die Allgemeine Akzeptanz und das bestehende Orts- und Lokalnamen nur aus öffentlichen Interesse geändert werden dürfen. Das Kriterium Akzeptanz ergibt sich, dass heute Namen nur auf allgemeine Akzeptanz stossen, wenn sie sich an das vertraute Schriftbild der Standardsprache anlehnen. Dies gilt auch für mundartlich geschriebene Namen. Vgl. Zitat Trudi Christen, begeisterte Leserin von Mundartliteratur,[http://sprachkreis-deutsch.ch/files/mitteilungen/INHALT_20001.PDF#search='begeisterte'  aus Artikel «Äuä» Seite 11 in Rückblick und Ausblick – Die Bubenberg-Gesellschaft 1999, 2000:]'''''Unser Wunsch wäre Dialekt geschrieben in Anlehnung an das Schriftbild der hochdeutschen Schriftsprache. Ein leserfreundlicher Druck! Den Lesern und dem Dialekt zuliebe!'''''
 
* Ein neues Kriterium ist die Allgemeine Akzeptanz und das bestehende Orts- und Lokalnamen nur aus öffentlichen Interesse geändert werden dürfen. Das Kriterium Akzeptanz ergibt sich, dass heute Namen nur auf allgemeine Akzeptanz stossen, wenn sie sich an das vertraute Schriftbild der Standardsprache anlehnen. Dies gilt auch für mundartlich geschriebene Namen. Vgl. Zitat Trudi Christen, begeisterte Leserin von Mundartliteratur,[http://sprachkreis-deutsch.ch/files/mitteilungen/INHALT_20001.PDF#search='begeisterte'  aus Artikel «Äuä» Seite 11 in Rückblick und Ausblick – Die Bubenberg-Gesellschaft 1999, 2000:]'''''Unser Wunsch wäre Dialekt geschrieben in Anlehnung an das Schriftbild der hochdeutschen Schriftsprache. Ein leserfreundlicher Druck! Den Lesern und dem Dialekt zuliebe!'''''
* In stärkerer Gewichtung von an Art. 4 der Weisungen 1948, wo sich die Namen der bewohnten Orte (Vorläufer der heutigen Gebäueadressierung) an die bestehende Schreibweise anlehnen müssen, sollen bestehende Orts- und Lokalnamen künftig nur noch aus öffentlichen Interesse geändert werden, da sie in Zahlreichen Registern und Festlegungen enthalten sind und als Identifikation dienen.
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* In stärkerer Gewichtung von an Art. 4 der Weisungen 1948, wo sich die Namen der bewohnten Orte (Vorläufer der heutigen Gebäueadressierung) an die bestehende Schreibweise anlehnen müssen, sollen bestehende Orts- und Lokalnamen künftig nur noch aus öffentlichen Interesse geändert werden, da sie in zahlreichen Registern und Festlegungen enthalten sind und als Identifikation dienen.
  
  

Version vom 6. Juli 2008, 06:27 Uhr

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Verbreitung mundartlicher Formen in geografischen Namen

Anhand der swissnames kann folgende Statistik aufgestellt werden.

Standardsprache Anzahl Mundartlich Anzahl Kommentar
Berg 5045 Bärg 457 immer Berg gemäss Weisungen 1948
Bühl 29 Büel 1520 Büel besitzt grosse Akzeptanz
Hausen 76 Husen 78 .
Horn 1261 Hore 210 immer Horn gemäss Weisungen 1948
Klein 80 Chli 1007 .
Kohl 7 Chol 390 .
Kopf 42 Chopf 311 .
Kreuz 27 Chrütz 11 .
Leh 180 Lee 184 .
Loh 79 Loo 232 .
Lücke 123 Lugge 10 .
Moos 1439 Mos 273 Weisungen 1948 erwähnen Moos als Mundartform
Ried 942 Riet 539 beide Formen verbreitet, Anzahl Riedt 6
Rohr 127 Ror 94 Weisungen 1948 erwähnen Rohr als Mundartform
Weiher 73 Weier 304 .
Wies 47 Wis 1276 Wis ist eine typische mundartliche Form

Da nur Orts- und Flurnamen in der Laneskarte berücksichtigt sind, werden sich die Anteile der Mundart noch verstärken, falls auch Orts- und Lokalnamen der amtlichen Vermessung mitberücksichtigt würden. Es ist generell festzustellen, dass die Schreibweise zum Teil nicht den Weisungen 1948 entsprechen z.B. Bärg anstelle Berg, Hore anstelle Horn, Ror anstelle Rohr. Solche Schreibweisen stossen nicht auf allgemeine Akzeptanz wie z.B. folgendes Beispiel zeigt:

Gemeinde: Fischenthal

Rohr in der Siegfriedkarte ca. 1880 - 1955 Ror in der Landekarte ca. 1955 - heute Roh im heutigen Übersichtsplan
Rohr Siegriedkarte 1930.jpg Ror Landeskarte 1955.jpg Rohr Übersichtsplan.jpg


Geschichtlicher Hintergrund

  • Die Sprachgeschichte der Schweiz im 19. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch einen kräftigen Vormarsch des Schriftdeutschen.
  • Orts- und Lokalnamen wurden im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhundert in der Dufourkarte und der Siegfriedkarte vorwiegend schriftsprachlich geschrieben.
  • Um 1900 wurde befürchtet, dass die schweizerdeutsche Mundart ausstirbt. Tappolet (1870-1939, Romanistikprofessor an der Universität Basel) gehörte zu den Begründer des «Glossaire des padois de la Suisse romande» (welschschweizer Idiotikon). Er prophezeite den Untergang des Schweizerdeutschen und befürchtete, dass die Stadt Zürich die erste Schweizerstadt sein werde, welche zum Hochdeutschen übergehen werde.
  • Im Kanton Zürich wurde nach 1900 begonnen, Orts- und Lokalnamen mundartlich zu kartieren. Eduard Imhof schreibt 1945 in Die Ortsnamen in den amtlichen Plänen und Karten Seite 2/3:
    • Auf Anregung von Prof. Dr. A. Bachmann, Chefredaktor des schweizerischen Idiotikons (des heutigen Schweizerdeutschen Wörterbuches) erliess der Zürcher Regierungsrat im Jahre 1916 ein «Anweisung betreffend die Aufnahme und Schreibweise der Orts- und Flurnamen». Darin wird gesagt: «Die Namen sind in der ortsüblichen mundartlichen Aussprache aufzuzeichnen (also Underi Müli, Chrüzstrass usw.).»
    • Bachmann goss dann kurz darauf Wasser in seinen Wein, als er im gleichen Jahre anlässlich einer Konferenz der kantonalen Vermessungsaufsichtsbeamten die Wünsche und Ansichten der Sprachforschung begründete und formulierte. An dieser Konferenz sei erinnert, weil später die irrtümliche Meinung aufkam, er habe auch hier einer rein mundartlichen Nomenklatur das Wort geredet. Nach dem Sitzungsprotokoll sagte er jedoch folgendes: «Bei den Flurnamen ist eine durchgreifende Regelung der Schreibweise vonnöten, wobei im Allgemeinen nicht von der üblichen Schreibform, sondern von der Sprechform auszugehen sein wird. Davon kann natürlich keine Rede sein, dass etwa die reine Sprechform zur Schreibform erhoben werde; das würde schon wegen der von Ort zu Ort wechselnden Lautverhältnisse zu Unverträglichkeit führen. Ebenso untunlich ist aber auch eine konsequente Umsetzung in eine der neuhochdeutschen Schriftsprache gemässe Form. Diese ginge höchstens da an, wo wir es mit Namen zu tun haben, die als Eigen- oder Gattungsnamen auch der Schriftsprache angehören. Wo dies nicht der Fall ist, erscheint die Verschriftsprachlichung zum mindesten unnatürlich. Von vornherein ausgeschlossen ist sie bei etymologisch dunklen Namen. Hier kann nur eine der Sprechform nach Möglichkeit angenäherte Schreibung in Frage kommen.»
    • Die Streichung des einen Wörtchens «höchstens» hätte nach heutiger Einsicht die Basis legen können zu einer Verständigung zwischen den Philologen und den Plan- und Kartenerstellern.
    • Leider aber beschritt man nicht diesen einfachen Weg. Vielmehr ging man - nach Anhören eines die Türe schroff zuschlagenden Korreferates von W.Schüle, des Chefs der Sektion für Kartographie der Abteilung für Landestopographie - mit «roten Köpfen» auseinander. So schrieb man denn in den Zürcher Plänen weiterhin Chrüzstrass und Underi Müli, im benachbarten Schaffhausergebiet jedoch Kreuzstrasse und Untere Mühle.
  • 1928 Ortsnamenbuch Schweiz ca. 85'000 Orts/Lokalnamen der Schweiz als Adressen für Ermittlung der Zustelltarife Post/Telegramm. Als Ortsnamen erscheinen auch Gebäudegruppen und Einzelgebäude. Die Namen sind vielfach nach Flur- und Hofnamen benannt. Die Namen mehrheitlich in herkömmlich in Anlehnung an Standardsprache geschrieben.
  • 1937 Instruktion für die Erstellung neuer Landeskarten: «Ortsnamen, welche ohne weiteres in der Schriftsprache, als die allgemein gültige Verkehrssprache übertragen werden können und an Ort und Stelle in dieser Schreibweise gebraucht werden, bekannt und verständlich sind, sind in der Schriftsprache wiederzugeben. Ortsnamen, welche dagegen nur im landläufigen Dialekt existieren und nur in dieser Form bekannt und verständlich sind, müssen in Dialektform geschrieben werden». Diese Instruktion deckte auch die Anforderungen an die Schreibweise von Orts- und Lokalnamen für Gebäudeadressen ab.
  • 1938 Gründung «Bund Schwyzertütsch» (Dr. Adolf Guggenbühl und Prof. Dr. Eugen Dieth)
  • 1948 Weisungen 1948: Nach dem 2. Weltkrieg wurde zur Wahrung der schweiz. Identität aus Kreisen der Namenforschung gefordert, möglichst alle Ortsnamen in möglichst lautnaher Form zu schreiben. Ein heftiger Streit konnte mit dem Kompromissvorschlag der Weisungen 1948 beendet werden. Die Lösung bestand darin, dass alle Namen mit geringer und lokaler Bedeutung mundartlich geschrieben wurden.


Weisungen 1948

Auszug aus den Weisungen 1948

Art. 4

Für die Schreibung der Namen der bewohnten Orte, wie Städte, Dörfer, Weiler, Häusergruppen und einzelne Häuser und die Namen der Stationen der Eisenbahnen und anderer Transporteinrichtungen;, die auch in der Bundesverwaltung im Gebrauch stehen (bewohnte Orte, Stationen der Eisenbahnen und anderer Transportanstalten, Poststellen, Telephon- und Telegraphenstationen) ist das Ortsverzeichnis des amtlichen Kursbuches (Post- und Eisenbahnausgabe) massgebend.


Grundsätze

1. Mit der Schreibweise der Lokalnamen ist die eindeutige und übereinstimmende Bezeichnung der Örtlichkeiten bei jedem schriftlichen Gebrauch anzustreben; die Namen sollen leicht zu schreiben und zu lesen sein und von den Einheimischen ohne weiteres verstanden werden. Damit wird die irrtumsfreie Orientierung und Verständigung über Orte am ehesten gewährleistet.

3. In der schriftsprachlichen Form sind in der Regel zu belassen: a. allgemein vertraute, häufig vorkommende Namenwörter, die in gleicher Form auch schweizerdeutsch sind, z.B. Berg, Feld, Weg, Grat (nicht Bärg, Fäld, Wäg, Grot);


C. Besondere Schreibregeln

1. Die Bezeichnung der Länge. Die Länge eines Vokals wird im Allgemeinen nur dort bezeichnet, wo es für die irrtumsfreie Verständigung erwünscht ist (Grundsatz 1), ferner in einsilbigen, auf Vokal ausgehenden Wörtern und, soweit angebracht, in Fällen, wo die Vokallänge auch in der Schriftsprache bezeichnet wird. Sie wird in der Regel durch Doppelschreibung des Vokals ausgedrückt (bei langem i nötigenfalls durch y); durch h nur dann, wenn die Schreibform ohnehin einem schriftdeutschen Vorbild genau entspricht: a. Bruust, Baach (aus älterem Brunst, Bank), Roossen (ursprünglich Hanfröstplätze); Seewji, Howeeri, Geer, Schlyffi;

b. Aa, Loo, Lee, Ghaa;

c. Moos, Rohr, Zehnten, Zahl.

Formen, in denen der Vokal kurz gesprochen wird, wie Mosegg, Mösli, stören neben Moos nicht und sind mit einfachem Vokal zu schreiben.

2. Das ie der Schriftsprache. Einem schriftsprachlichen ie entspricht in unsern Mundarten häufig ein kurzes oder langes i: Gibel, Rigel, Ziger, Schmidsegg, Chrishau, Chisbüel, Spil, Stig, Zil. In solchen Wörtern soll nicht ie geschrieben werden, denn ie bezeichnet in der Mundart immer den Zwielaut i-e (Ried/Riet,Gries, Tier, Mieschboden).


Verordnung über geografische Namen (GeoNV)

Die ab 1.7.2008 gültige Verordnung über geografische Namen (GeoNV) enthält in Art. 4 folgende Grundsätze

  1. Geografische Namen sind einfach schreib- und lesbar und werden allgemein akzeptiert.
  2. Sie werden, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert.
  3. Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.


Die Grundsätze der GeoNV entsprechen den Grundsätzen der Weisungen 1948.

  • Ein neues Kriterium ist die Allgemeine Akzeptanz und das bestehende Orts- und Lokalnamen nur aus öffentlichen Interesse geändert werden dürfen. Das Kriterium Akzeptanz ergibt sich, dass heute Namen nur auf allgemeine Akzeptanz stossen, wenn sie sich an das vertraute Schriftbild der Standardsprache anlehnen. Dies gilt auch für mundartlich geschriebene Namen. Vgl. Zitat Trudi Christen, begeisterte Leserin von Mundartliteratur,aus Artikel «Äuä» Seite 11 in Rückblick und Ausblick – Die Bubenberg-Gesellschaft 1999, 2000:Unser Wunsch wäre Dialekt geschrieben in Anlehnung an das Schriftbild der hochdeutschen Schriftsprache. Ein leserfreundlicher Druck! Den Lesern und dem Dialekt zuliebe!
  • In stärkerer Gewichtung von an Art. 4 der Weisungen 1948, wo sich die Namen der bewohnten Orte (Vorläufer der heutigen Gebäueadressierung) an die bestehende Schreibweise anlehnen müssen, sollen bestehende Orts- und Lokalnamen künftig nur noch aus öffentlichen Interesse geändert werden, da sie in zahlreichen Registern und Festlegungen enthalten sind und als Identifikation dienen.


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