Rückänderungen der Schreibweise von Lokalnamen: Unterschied zwischen den Versionen

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# Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.
 
# Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.
  
Erläuterungen dazu in Kap. 2.1 [http://gis.hsr.ch/wiki/Schreibweise_geografische_Namen#Gemeindenamen Empfehlungen zur Schreibweise von Gemeind- und Ortschaftsnamen, Richtlinien zur Schreibweise von Stationsnamen]: ''Mit «Anlehnung an die Standardsprache» wird einerseits die traditionelle, meist an der Standardsprache ausgerichtete Schreibweise verstanden und andererseits, dass die Schreibweisen von Mundartnamen sich möglichst an das Schriftbild der Standardsprache anlehnt. Der Grundsatz, Namen «soweit möglich und sinnvoll an die Standardsprache anzulehnen», bezieht sich auf alle geografischen Namen, also z.B. auch auf Flurnamen. Wegen ihres überregionalen Gebrauchs, ihrer Bedeutung und Funktion (z.B. irrtumsfreie Verständigung oder rasche Auffindbarkeit in Verzeichnissen) lehnt sich die Schreibweise von Gemeinde- und Ortschaftsnamen an die traditionelle, standardsprachlich ausgerichtete Schreibweise an. Diese Forderung richtet sich auch an Ortsnamen und bedeutende Flurnamen, aus denen Gemeinde- und Ortschaftsnamen häufig abgeleitet werden.''
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Erläuterungen dazu in Kap. 2.1 [http://gis.hsr.ch/wiki/Schreibweise_geografische_Namen#Gemeindenamen Empfehlungen zur Schreibweise von Gemeind- und Ortschaftsnamen, Richtlinien zur Schreibweise von Stationsnamen:]''Mit «Anlehnung an die Standardsprache» wird einerseits die traditionelle, meist an der Standardsprache ausgerichtete Schreibweise verstanden und andererseits, dass die Schreibweisen von Mundartnamen sich möglichst an das Schriftbild der Standardsprache anlehnt. Der Grundsatz, Namen «soweit möglich und sinnvoll an die Standardsprache anzulehnen», bezieht sich auf alle geografischen Namen, also z.B. auch auf Flurnamen. Wegen ihres überregionalen Gebrauchs, ihrer Bedeutung und Funktion (z.B. irrtumsfreie Verständigung oder rasche Auffindbarkeit in Verzeichnissen) lehnt sich die Schreibweise von Gemeinde- und Ortschaftsnamen an die traditionelle, standardsprachlich ausgerichtete Schreibweise an. Diese Forderung richtet sich auch an Ortsnamen und bedeutende Flurnamen, aus denen Gemeinde- und Ortschaftsnamen häufig abgeleitet werden.''
  
  

Version vom 6. Juni 2010, 08:37 Uhr

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Pfaffhausen in der Siegfriedkarte ca. 1880 - 1955 Pfaffhusen in der Landekarte ca. 1955 - 1970 Pfaffhausen in der heutigen Landeskarte
Pfaffhausen Siegfriedkarte 1930.jpg Pfaffhusen Landeskarte 1955.jpg Pfaffhausen Landeskarte 2008.jpg

Kommentar: Schreibweise Pfaffhausen heute einheitlich auf Landeskarte, Übersichtsplan, Haltestellen und Strassennamen


Begriffe

Mutation:

  • Lateinisch: mutatio «Veränderung», «Wechsel»
  • Biologie: Eine Mutation ist eine spontan auftretende, dauerhafte Veränderung des Erbgutes
  • Vermessungswesen: Eine Mutation ist eine bewusste, reglementierte Veränderung des Vermessungswerkes, insbesondere bei Grundstücksgrenzen


Rückmutation:

  • Biologie: Mutation, die durch Wiederherstellung der ursprüngl. Nukleotidsequenz in der DNA einen mutierten Genotyp genotyp. u. phänotyp in den Wildtyp zurückverwandelt (Reversion)
  • Vermessungswesen: Wiederherstellung eines früheren Zustandes im amtlichen Vermessungswerk. Beispiel Art. 3 Abs. 3 Verordnung des Regierungsrates des über die amtliche Vermessung im Kanton Thurgau: Können Grenzänderungen nicht innert einem Jahr seit Abgabe des Mutationsplanes im Grundbuch eingetragen werden, setzt das Grundbuchamt unter der Androhung der Rückmutation eine Frist von höchstens drei Monaten an. Nach unbenütztem Fristablauf erteilt das Grundbuchamt dem Nachführungsgeometer den Auftrag zur Rückmutation der Grenzänderung.


Rückmutationen von Orts- und Flurnamen:

  • In diesem Kapitel geht es um die Wiederherstellung der Schreibweise von Orts- und Flurnamen bevor deren Schreibweise verändert wurden.


Wann sollen Orts- und Flurnamen rückmutiert werden?

Art. 3 GeoNV

  • Art. 4 Grundsätze Verordnung über geografische Namen (GeoNV)
  1. Geografische Namen sind einfach schreib- und lesbar und werden allgemein akzeptiert.
  2. Sie werden, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert.
  3. Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.

Erläuterungen dazu in Kap. 2.1 Empfehlungen zur Schreibweise von Gemeind- und Ortschaftsnamen, Richtlinien zur Schreibweise von Stationsnamen:Mit «Anlehnung an die Standardsprache» wird einerseits die traditionelle, meist an der Standardsprache ausgerichtete Schreibweise verstanden und andererseits, dass die Schreibweisen von Mundartnamen sich möglichst an das Schriftbild der Standardsprache anlehnt. Der Grundsatz, Namen «soweit möglich und sinnvoll an die Standardsprache anzulehnen», bezieht sich auf alle geografischen Namen, also z.B. auch auf Flurnamen. Wegen ihres überregionalen Gebrauchs, ihrer Bedeutung und Funktion (z.B. irrtumsfreie Verständigung oder rasche Auffindbarkeit in Verzeichnissen) lehnt sich die Schreibweise von Gemeinde- und Ortschaftsnamen an die traditionelle, standardsprachlich ausgerichtete Schreibweise an. Diese Forderung richtet sich auch an Ortsnamen und bedeutende Flurnamen, aus denen Gemeinde- und Ortschaftsnamen häufig abgeleitet werden.


Eine Rückmutation der Schreibweise von geografischen Namen kommt einer Mutation, einer Änderung der Schreibweise gleich darf gemäss Art. 3 Abs. 1 GeoNV nur aus einem öffentlichen Interesse erfolgen.

Folgende Gründe können allenfalls als öffentliches Interesse geltend gemacht werden:

  • Veränderungen von geografischen Namen stossen nicht auf allgemeine Akzeptanz; die Anpassungen sind noch nicht erfolgt und übersteigen den Aufwand der Rückmutationen
  • Rückmutationen stossen auf allgemeine Akzeptanz, je schneller diese erfolgen, desto mehr Mehraufwand und Unsicherheiten können vermieden werden.


Wie können Rückmutationen vermieden werden?

  • Änderungen nur vornehmen, falls ein öffentliches Interesse vorhanden ist und gewährleiset ist, dass veränderte Schreibweisen von geografischen Namen auf allgemeine Akzeptanz stossen.


Beispiele von Rückmutationen

Kanton Zürich

Im Kanton Zürich wurde ca. 1955 diverse Namen gemöss Weisungen 1948 in die Mundartliche Form übertragen. Die meisten dieser Namen haben sich heute eingebürgert. Bei verschiedenen Siedlugnsnamen und Flurnamen von grosser Bedeutung musste ca. 1970-1980 Rückmutationen vorgenommen werden, da diese Namen nicht auf allgemeine Akzeptanz stiessen und im allgemeinen Gebrauch in der ursprünglichen Form erhalten blieben.


Rückmutationen von Orts- und Lokalnamen im Kanton Zürich vgl. hier


Kanton Thurgau

Rückmutationen in der Landeskarte ab 2004

In der Landeskarte 1998 wurden die meisten Schreibweisen aus dem Thurgauer Namenbuch übernommen werden. Bereits 2004 wurden aber in der Landeskarte bereits einige Namen rückmutiert (Situation in der amtlichen Vermessung nicht bekannt). Beispiele:


2010 - Planung von Rückmutationen

Pressemitteilung 28.5.2010: Aus «Roopel» soll wieder «Rotbühl» werden vgl. hier)

  • Auf Vorschlag einer Arbeitsgruppe hat der Chef des Departements für Inneres und Volkswirtschaft entschieden, die Ortsnamen wieder nach der traditionellen, schriftsprachlichen Schreibweise auszurichten. Dies soll auch bei Flurnamen möglich sein, die über das Lokale hinaus bekannt sind. Mit der Bereinigung der Orts- und Flurnamen wird eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, die ihre Arbeit bis Mitte 2011 beenden soll
  • Gemäss den Empfehlungen der Arbeitsgruppe soll sich die Schreibweise der Ortsnamen, also der besiedelten Gebiete, wieder nach der traditionellen Schreibweise richten. Diese Schreibweise entspricht derjenigen, wie sie in den Gemeinden über Jahrzehnte hinweg für die Bezeichnung der Siedlungen verwendet wurde. Die traditionelle Schreibweise ist dementsprechend in der Bevölkerung bekannt und fest verankert. Sie entspricht bei den Ortsnamen mehr der Schriftsprache als der Mundart und ist damit einfacher schreib- und lesbar. Aus «Roopel» soll also wieder »Rotbühl» werden.
  • Als zweites sollen Flurnamen, die über das Lokale hinaus bekannt sind, denen ein allgemeines Interesse auch auswärtiger Personen zukommt und die teilweise über gleichnamige Restaurants verfügen, ebenfalls wieder in der traditionellen Schreibweise benannt werden. Dazu gehören beispielsweise Ausflugsziele und Naherholungsgebiete. So soll unter anderem aus «Nole» wieder «Nollen», aus «Stäälibuck» wieder »Stählibuck» und aus «Tuurbärg» wieder »Thurberg» werden.
  • Die Schreibweise der übrigen Flurnamen, also von unbesiedelten Gebieten ohne besondere Bedeutung, soll grundsätzlich in Mundart nach den bisher angewandten Schreibregeln erfolgen.


  • Die Arbeitsgruppe hält in ihrem Bericht fest, dass im Thurgau die Schreibweise von der Nomenklaturkommission konsequent zu Gunsten einer nicht nur mundartnahen, sondern sogar einer möglichst mundartgetreuen und lautmalerischen Schreibweise festgelegt worden seien. Diese Praxis stehe aber im Gegensatz zu den Signalen, die aus der Bevölkerung zu vernehmen seien. Die Arbeitsgruppe geht deshalb davon aus, dass die Bevölkerung in erster Linie an der Erhaltung der traditionellen und vertrauten Namen interessiert sei, ob diese nun mundartlich oder hochdeutsch geschrieben seien. Dieses Vorgehen entspricht im Übrigen weitgehend den neuen Vorgaben des Bundes, die erst im Januar 2010, als die Arbeitsgruppe ihren Auftrag schon fast erledigt hatte, bekannt geworden waren (Vorgaben des Bundes vgl. hier).
  • Die neue Arbeitsgruppe, die ebenfalls unter dem Vorsitz von Andreas Keller, Generalsekretär des Departements für Inneres und Volkswirtschaft, stehen wird, wird nun als erstes das Orts- und Siedlungsverzeichnis des Kantons Thurgau aktualisieren. Dieses Verzeichnis wurde von der Dienststelle für Statistik letztmals im Jahr 2005 herausgegeben. Das Departement für Inneres und Volkswirtschaft unterbreitet den Gemeinden anschliessend das überarbeitete Verzeichnis zur Vernehmlassung. Abschliessend werden die Ortsnamen in die amtliche Vermessung eingetragen.
  • Bezüglich Flurnamen erstellt die Arbeitsgruppe eine Liste der Flurnamen von allgemeinem Interesse. Auch zu dieser Liste können sich die Gemeinden vernehmen lassen.
  • Die Rechtsgrundlagen sollen so angepasst werden, dass Streitfälle in erster Instanz vom Amt für Geoinformation entschieden werden. Rekurse werden vom Departement für Inneres und Volkswirtschaft behandelt.


Siehe auch


Hitergrund

Beharrungsvermögen der Namen und starke Bindung der Bevölkerung an die Namen

Zeitschrift für Sprache in der deutschen Schweiz, Ausgabe 2/2009: Ruedi Schwarzenbach, Namenstreit im Thurgau.

Schwarzenbach schreibt auf Seite 11 der erwähnten Zeitschrift: «Die Dokumentation «Geschichte Schreibweise Orts- und Lokalnamen» der Hochschule Rapperswil sieht Konflikte zwischen drei Ansprüchen an die geographischen Namen.» Schwarzenbach zitiert diesen Text und fährt anschliessend so weiter:

Zwei Faktoren fehlen in dieser Analyse:

Zum einen das Beharrungsvermögen der Namen, das sich aus ihrer Einmaligkeit ergibt. Ein Name ist nicht ein beliebig verwendbares Wort mit seiner Bedeutung (ein Appellativ), sondern ein Wort, das als Name einen Ort – und nur diesen Ort – meint, und zwar so lange, als man etwas von ihm wissen will.

Zum andern fehlt die starke Bindung der Bevölkerung an die Namen, die sie kennt, braucht und in ihre ‹Welt› aufgenommen hat. Er mag noch so schriftdeutsch oder noch so mundartlich geschrieben sein: So, wie sie ihn kennen und brauchen gelernt habe, so soll er bleiben. Wie der Pfannenstiel am Zürichsee, für den sich die Schreibung Pfannenstil der Landeskarte nicht durchgesetzt hat.

Dieses Beharrungsvermögen der Namen und die Bindung ihrer Träger an die überlieferte Schreibung sind es, die zu Kontroversen führen, wie die Zeitungen sie jetzt aus dem Thurgau melden.


Entwicklung der Orts- und Lokalnamen ausserhalb der Katen

Eduard Imhof in Schreibweise von Orts- und Lokalnamen:

  • Schreibweisen von geografischen Namen in Bezug auf den Gebrauch und in Bezug auf die Kartierung auf amtlichen Karten und Plänen:
    • Die Schreibformen der Ortsnamen haben sich vielfach ausserhalb der Karte und unabhängig von dieser entwickelt. Dieser «auswärtige» Bereich ist unvergleichlich weitschichtiger. Tausende von Ortsbezeichnungen sind in Hunderttausenden von geschriebenen und gedruckten Texten, Aufschriften, in Verwaltungs-, Gerichts- und Grundbuchakten, in militärischen und technischen Dokumenten, in Firmen-, Gasthof- und Strassenbezeichnungen, in Namen- und Adressverzeichnissen, in der Literatur und in gesetzlichen Erlassen verankert.
  • Sprachrealität der Namen (mundartliche und schriftsprachliche Sprachrealität)
    • Zahllose Örtlichkeiten besitzen zwei verschiedene, allgemeingebräuchliche Bezeichnungen, eine mundartliche und eine schriftsprachliche. Beide sind «sprachliche Wirklichkeit».
  • Problematik der Schreibweise von Mundartschreibung
    • Überdies ist die Mundart überhaupt eigentlich nicht schreibbar, da sich das Leben nicht in zwei Dutzend tote Buchstaben fassen lässt.
    • Im geschlossenen Zusammenhang mundartlicher Rede versteht jeder Deutschschweizer den Sinn der folgenden Ausdrücke: Für (oder Fir), Bom, Bu, Su, Sagg, Brigg, Stogg, Grot, Ror, Höli, Drägg, Bone, Sagi, tüf (oder teuf oder täif), Chüetel usw. Treten sie aber, so wie es der Karte der Fall wäre, in isoliert stehenden Wörtern und Wortverbindungen auf, so muten sie eher chinesisch an.
    • Der Sprachforscher darf in solchen Fragen nicht nur auf seine eigene Erfahrung bauen. Die amtlichen Pläne und Karten haben nicht nur ihm, sondern vor allem der Allgemeinheit zu dienen. Und überdies möchte sich auch ein Welschschweizer und ein Tessiner in den Karten der deutschen Schweiz einigermassen zurechtfinden können. Eine gewisse allgemein gültige, allgemein vertraute Normierung ist unentbehrlich; diese aber besitzen wir in der Schriftsprache.


Problematik der Mundart in Orts- und Lokalnamen

Praktisch alle Rückmutationen der Schreibweise von geografischen Namen gehen darauf zurück, dass entweder die bisherige Schreibweise hätte belassen werden müssen, resp. dass ein mundartliche Schreibung nur mundartnah und nicht mundartgetreu hätte aufallen müssen.

1916 begann der Kanton Zürich mundartlich zu schreiben. Der Hintergrund dürfte sein, dass man damals befürchtet hat, dass die Mundart aussterben könnte. Vgl. hier


Der Bund stellte sich gegen diese generelle Mundartschreibung und liess nur Mundart zu, wo nur die mundartliche Form existierte gemäss der 1937 erlassenen Instruktion für die Erstellung neuer Landeskarten:

  • «Ortsnamen, welche ohne weiteres in der Schriftsprache, als die allgemein gültige Verkehrssprache übertragen werden können und an Ort und Stelle in dieser Schreibweise gebraucht werden, bekannt und verständlich sind, sind in der Schriftsprache wiederzugeben.
  • Ortsnamen, welche dagegen nur im landläufigen Dialekt existieren und nur in dieser Form bekannt und verständlich sind, müssen in Dialektform geschrieben werden».


Weblinks