Nomenklaturkommission: Unterschied zwischen den Versionen
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«Statt zwischen '''wichtigen''' und '''unwichtigen''' Namen wurde zwischen '''geschützten''' und '''ungeschützten''' Namen unterschieden, Mundartfachleute - die in die Namenschreibung gerne auch eine Weltanschauung hineintragen - benützten diese unzutreffende Unterscheidung als Gelegenheit, das im Artikel 5 [[Weisungen 1948]] umschriebene wichtige Namengut als eine Art Niemandsland zu betrachten, indem sie die Grenzen zwischen Dialekt und Schriftsprache weit vorschieben und auf dem sie zum Teil radikal vermundartlichen konnten. Spannungen zwischen Allgemeindienlichkeit und konservativen Sonderinteressen von Dialektfachleuten, Ortsnamenforschern und auch Lokalhistorikern blieben nicht aus, und namentlich die Zürcher scheinen für die Landestopographie zähe und eigenwillige Arbeitspartner gewesen zu sein.» | «Statt zwischen '''wichtigen''' und '''unwichtigen''' Namen wurde zwischen '''geschützten''' und '''ungeschützten''' Namen unterschieden, Mundartfachleute - die in die Namenschreibung gerne auch eine Weltanschauung hineintragen - benützten diese unzutreffende Unterscheidung als Gelegenheit, das im Artikel 5 [[Weisungen 1948]] umschriebene wichtige Namengut als eine Art Niemandsland zu betrachten, indem sie die Grenzen zwischen Dialekt und Schriftsprache weit vorschieben und auf dem sie zum Teil radikal vermundartlichen konnten. Spannungen zwischen Allgemeindienlichkeit und konservativen Sonderinteressen von Dialektfachleuten, Ortsnamenforschern und auch Lokalhistorikern blieben nicht aus, und namentlich die Zürcher scheinen für die Landestopographie zähe und eigenwillige Arbeitspartner gewesen zu sein.» | ||
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«Ist es richtig, extremen Mundartfachleuten als Experten ein übergrosses Gewicht bei der Festsetzung der Ortsnamen einzuräumen? Ist die Zürcher Kommission, bestehend aus einem für starke Vermundartlichung plädierenden kantonalen Beamten als Präsidenten, einem Dialektfachmann und einem Historiker offen genug, um auch die allgemeinheitlichen Gesichtspunkte genügend zur Geltung zu bringen? Oder sollte in der Kommission noch mindestens ein Fachmann Einsitz nehmen, der die berechtigten schriftsprachlichen Anforderungen an unsere Landeskarte vertritt?» | «Ist es richtig, extremen Mundartfachleuten als Experten ein übergrosses Gewicht bei der Festsetzung der Ortsnamen einzuräumen? Ist die Zürcher Kommission, bestehend aus einem für starke Vermundartlichung plädierenden kantonalen Beamten als Präsidenten, einem Dialektfachmann und einem Historiker offen genug, um auch die allgemeinheitlichen Gesichtspunkte genügend zur Geltung zu bringen? Oder sollte in der Kommission noch mindestens ein Fachmann Einsitz nehmen, der die berechtigten schriftsprachlichen Anforderungen an unsere Landeskarte vertritt?» | ||
− | Gewisse Lokalnamen mussten zwischen 1962 und 1974 zurückmutiert werden [[R%C3%BCck%C3%A4nderungen_der_Schreibweise_von_Lokalnamen#1962_-_1974_R.C3.BCck.C3.A4nderungen_ver.C3.A4nderter_Schreibweisen_von_1955| vgl. hier.]]. Seit | + | Gewisse Lokalnamen mussten im Kanton Zürich zwischen 1962 und 1974 zurückmutiert werden [[R%C3%BCck%C3%A4nderungen_der_Schreibweise_von_Lokalnamen#1962_-_1974_R.C3.BCck.C3.A4nderungen_ver.C3.A4nderter_Schreibweisen_von_1955| vgl. hier.]]. Seit Erscheinen des obigen Zeitungsartikels ist die Zusammensetzung der Nomenklaturkommission ausgewogen und der Kanton Zürich verfügt heute über eine gute Nomenklatur. |
=== Kanton Thurgau === | === Kanton Thurgau === | ||
− | + | [http://www.lokalnamen.ch/#id_201005281 Mitteilung des Departementes für Inneres und Volkswirtschaft vom 28. Mai 2010] | |
Die Arbeitsgruppe hält in ihrem [http://www.lokalnamen.ch/#id_20100323 Bericht] fest, dass im Thurgau die Schreibweise von der damaligen Nomenklaturkommission konsequent zu Gunsten einer nicht nur mundartnahen, sondern sogar einer möglichst mundartgetreuen und lautmalerischen Schreibweise festgelegt worden seien. | Die Arbeitsgruppe hält in ihrem [http://www.lokalnamen.ch/#id_20100323 Bericht] fest, dass im Thurgau die Schreibweise von der damaligen Nomenklaturkommission konsequent zu Gunsten einer nicht nur mundartnahen, sondern sogar einer möglichst mundartgetreuen und lautmalerischen Schreibweise festgelegt worden seien. | ||
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Version vom 16. Januar 2012, 07:27 Uhr
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Als Nomenklaturkommission wird die Fachstelle des Kantons für die in der amtlichen Vermessung geführten Lokalnamen (geografischen Namen der amtlichen Vermessung) bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Gesetzliche Grundlagen auf Stufe Bund
Grundsätze für geografische Namen
Verordnung über geografische Namen (GeoNV)
- Art. 4 Grundsätze zur Schreibung geografischer Namen gemäss Verordnung über geografische Namen (GeoNV) (gilt auch für Lokalnamen)
- Geografische Namen sind einfach schreib- und lesbar und werden allgemein akzeptiert.
- Sie werden, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert.
- Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.
Vollzugsregelungen
Verordnung über geografische Namen (GeoNV)
- Art. 6 Vollzugsregelungen
- Das Bundesamt für Landestopografie erlässt Regeln für die geografischen Namen der Landesvermessung und der amtlichen Vermessung (Lokalnamen). Diese bestehen insbesondere aus den Regelungen für die Sprachregionen.
Weisungen 2011 als Vollzugsregeln für die Lokalnamen.
Zuständigkeit
Verordnung über geografische Namen (GeoNV)
3. Abschnitt: Geografische Namen der amtlichen Vermessung
Art. 8 Zuständigkeit
- Die geografischen Namen werden von der für die amtliche Vermessung zuständigen Stelle erhoben, nachgeführt und verwaltet.
- Die Kantone bestimmen durch Rechtsakt, wer für die Festlegung der geografischen Namen der amtlichen Vermessung zuständig ist.
Kantonale Nomenklaturkommission
Verordnung über geografische Namen (GeoNV)
Art. 9 Kantonale Nomenklaturkommission
- Der Kanton setzt eine Nomenklaturkommission ein.
- Die Nomenklaturkommission ist Fachstelle des Kantons für die geografischen Namen der amtlichen Vermessung.
- Sie überprüft diese Namen beim Erheben und Nachführen auf ihre sprachliche Richtigkeit und Übereinstimmung mit den Vollzugsregelungen nach Artikel 6 und teilt der für das Festlegung der Namen zuständigen Stelle ihren Befund und ihre Empfehlungen mit.
- Will die zuständige Stelle den Empfehlungen der Nomenklaturkommission nicht folgen, so holt sie dazu eine Stellungnahme der Eidgenössischen Vermessungsdirektion ein.
Gesetzliche Grundlagen auf Stufe Kanton
Beispiel Kanton Bern
Verordnung über die Nomenklaturkommission (NKV) vom 15.9.2010
Anforderungen an Nomenklaturkommissionen
Koordination zwischen unterschiedlichen Interessen
- Solange Lokalnamen nicht als eigenständigenständige Fachebene der Namenforschung geführt werden, bestehen Interessenkonflikte zwischen
- Eine Nomenklaturkommission sollte daher so zusammengesetzt sein, dass auch die Allgemeininteressen genügend vertreten sind.
Lokalnamen als Geoinformation
Da heute Lokalnamen nicht nur als bedeutendes Kulturgut, sondern auch als Geoinformation eine grosse Bedeutung haben, tragen Nomenklaturkommissionen eine hohe Verantwortung für die Koordination und die Ausarbeitung von nachhaltigen Empfehlungen. Die Tätigkeit heutiger Nomenklaturkommission muss berücksichtigen, dass
- die Schreibweise von Lokalnamen nur im öffentlichen Interesse geändert werden dürfen, einfach schreib- und lesbar sein müssen und allgemein akzeptiert werden (GeoNV Art. 4)
- dass Lokalnamen nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern in einem grossen Kontext mit deren Verbreitung und Zusammenspiel mit anderen Namen vgl. Zusammenspiel von Lokalnamen und Strassen- und Stationsnamen sowie Namen von Fachdaten.
- von allen Geoinformationen im heutigen Umfeld von geografischen Informationssystemen GIS und Darstellungsdiensten im Internet mit kombinierter Darstellung aller Typen von geografischen Namen Unstimmigkeiten in der Schreibweise von Lokalnamen am schnellsten auffallen und zu Reaktionen in der Bevölkerung führen können.
- von der Bevölkerung für eine bestimmte Örtlichkeit eine einheitliche, einfach schreib- und lesbare Schreibweise erwartet wird es und nicht nachvollziehbar ist, dass eine Schreibweise zur Wahrung als Kulturgut und eine Schreibweise zum einfachen Gebrauch koexistieren.
Kritik an Nomenklaturkommissionen
Kanton Zürich
Tagesanzeiger vom 8. Dezember 1979 mit Titel «Pfannenstiel oder Pfannenstil?», die Schreibung von Ortsnamen (Lokalnamen) in der Landeskarte der Schweiz
In diesem Artikel wurde bemängelt, dass die damalige Nomenklaturkommission des Kantons Zürich auch Lokalnamen mit grosser Bedeutung mundartisiert hat und sich nicht nur auf Lokalnamen mit geringer, lokalen Bedeutung beschränkte:
«Statt zwischen wichtigen und unwichtigen Namen wurde zwischen geschützten und ungeschützten Namen unterschieden, Mundartfachleute - die in die Namenschreibung gerne auch eine Weltanschauung hineintragen - benützten diese unzutreffende Unterscheidung als Gelegenheit, das im Artikel 5 Weisungen 1948 umschriebene wichtige Namengut als eine Art Niemandsland zu betrachten, indem sie die Grenzen zwischen Dialekt und Schriftsprache weit vorschieben und auf dem sie zum Teil radikal vermundartlichen konnten. Spannungen zwischen Allgemeindienlichkeit und konservativen Sonderinteressen von Dialektfachleuten, Ortsnamenforschern und auch Lokalhistorikern blieben nicht aus, und namentlich die Zürcher scheinen für die Landestopographie zähe und eigenwillige Arbeitspartner gewesen zu sein.»
In oben erwähnten Artikel wurde auch die Frage gestellt, ob die damalige Nomenklaturkommission des Kantons Zürich richtig zusammengesetzt war:
«Ist es richtig, extremen Mundartfachleuten als Experten ein übergrosses Gewicht bei der Festsetzung der Ortsnamen einzuräumen? Ist die Zürcher Kommission, bestehend aus einem für starke Vermundartlichung plädierenden kantonalen Beamten als Präsidenten, einem Dialektfachmann und einem Historiker offen genug, um auch die allgemeinheitlichen Gesichtspunkte genügend zur Geltung zu bringen? Oder sollte in der Kommission noch mindestens ein Fachmann Einsitz nehmen, der die berechtigten schriftsprachlichen Anforderungen an unsere Landeskarte vertritt?»
Gewisse Lokalnamen mussten im Kanton Zürich zwischen 1962 und 1974 zurückmutiert werden vgl. hier.. Seit Erscheinen des obigen Zeitungsartikels ist die Zusammensetzung der Nomenklaturkommission ausgewogen und der Kanton Zürich verfügt heute über eine gute Nomenklatur.
Kanton Thurgau
Mitteilung des Departementes für Inneres und Volkswirtschaft vom 28. Mai 2010
Die Arbeitsgruppe hält in ihrem Bericht fest, dass im Thurgau die Schreibweise von der damaligen Nomenklaturkommission konsequent zu Gunsten einer nicht nur mundartnahen, sondern sogar einer möglichst mundartgetreuen und lautmalerischen Schreibweise festgelegt worden seien.
«In fünf Punkten übt der Bericht von Kellers Arbeitsgruppe Kritik an der Nomenklaturkommission:
- Doppelvokale wie in Taal, Grooss oder Hüüsere sind unnötig.
- Namen wie Tuurraa oder Hooenalber verstossen gegen das Gebot der leichten Lesbarkeit.
- Missachtet wurde die Vorgabe, Wörter wie Feld und Berg nicht zu ändern (Ottebärg, Sunebärg, Fäldhof).
- Da «Thur» als Flussname nicht verändert werden darf, wäre es besser gewesen, Thurberg oder Thurfeld statt Tuurbärg und Tuurfäld zu schreiben.
- Verletzt wurde die Bundesvorgabe, Namen von allgemeinem Interesse zu belassen. So hätte der Stählibuck nicht in Stäälibuck umbenannt werden dürfen und der Nollen nicht in Nole.»
Im Kanton Thurgau werden diverse Lokalnamen zurück mutiert (vgl. hier).
Weitere Infos
Weitere Infos zur Beziehung von Lokalnamen auf amtlichen Karten und Plänen und dem Namenbuch:
- Weisungen 2011
- Weisungen 1948
- Namenbuch und Namenforschung
- Geoinformation und Lokalnamen
- Zusammenspiel von Lokalnamen und Strassen- und Stationsnamen sowie Namen von Fachdaten