Rückänderungen der Schreibweise von Lokalnamen: Unterschied zwischen den Versionen

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{{Header geografische Namen| }}
  
 
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|[[Datei:Hünikon Siegfriedkarte.jpg|400px]]||[[Datei:Hünikon LK1984.jpg|400px]]
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|[[Datei:Hünikon Siegfriedkarte.jpg|390px]]||[[Datei:Hünikon LK1984.jpg|400px]]
 
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|Hünikon und Holzhäusern in der Siegfriedkarte 1885||Hünikon und geändertes Holzhüseren in der Landeskarte 1984
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'''Hünikon''' und '''Holzhäusern''' in der Siegfriedkarte 1885
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''Schreibweisen bis 1945 unverändert''
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'''Hünikon''' und '''Holzhüseren''' in der Landeskarte 1957-1992
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'''''Holzhäusern''' wurde 1957 in '''Holzhüseren''' geändert''
 
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|[[Datei:Hüünike LK1998.jpg|400px]]||[[Datei:Hünikon LK2004.jpg|400px]]
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|[[Datei:Hüünike LK1998.jpg|390px]]||[[Datei:Hünikon LK2004.jpg|400px]]
 
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|Hüünike und Holzhüüsere geändert in der Landeslarte 1998||Hünikon und Holzhäusern rückmutiert in der Landeskarte 2004
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'''Hüünike''' und '''Holzhüüsere''' in der Landeskarte 1998
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''Änderungen der Schreibweise gemäss Namenbuch''
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'''Hünikon''' und '''Holzhäusern''' zurückgeändert in der Landeskarte 2004
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''Schreibweisen entsprechend wieder der traditionellen Schreibweise''
 
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''Rückänderungen der Schreibweise von Ortsnamen in der Thurgauer Gemeinde Amlikon-Bissegg in der Landeskarte 2004. Im Kanton Thurgau wurde am 28.5.2010 bekannt gegeben, dass weitere Rückänderungen im grösseren Rahmen erfolgen werden (Siedlungsnamen und Flurnamen mit grosser Bedeutung) [[R%C3%BCck%C3%A4nderungen_der_Schreibweise_von_Lokalnamen_im_Kanton_Thurgau#2010_Planung_von_R.C3.BCck.C3.A4nderungen_gem.C3.A4ss_Vorschl.C3.A4gen_einer_Arbeitsgruppe|vgl. hier]]
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|Width="50%"|[[Datei:Ortstafel Holzhäusern.jpg|300px]]
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|[[Datei:Ortstafel Hünikon.jpg|248px]]
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* '''''Holzhüüsere''' wurde 2004 in der Landeskarte wieder in [http://map.geo.admin.ch/?zoom=7&X=268599.60307&Y=721890.7718 '''Holzhäusern'''] zurückgeändert. Die Schreibweise der Ortstafel blieb unverändert.''
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* '''''Hüünike''' wurde 2004 in der Landeskarte wieder in [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=269169.60307&Y=722070.7718 '''Hünikon'''] zurückgeändert (allerdings noch nicht in allen Massstabsebenen). Die Schreibweise der Ortstafel blieb unverändert.''
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== Begriffe ==
 
'''Mutation:'''
 
* Lateinisch: mutatio «Veränderung», «Wechsel»
 
* Biologie: Eine Mutation ist eine spontan auftretende, dauerhafte Veränderung des Erbgutes
 
* Vermessungswesen: Eine Mutation ist eine bewusste, reglementierte Veränderung des Vermessungswerkes, insbesondere bei Grundstücksgrenzen
 
  
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[[Swisstopo_Zeitreise|vgl. auch swisstopo Zeitreise]]
  
'''Rückmutation:'''
 
* Biologie: Mutation, die durch Wiederherstellung der ursprüngl. Nukleotidsequenz in der DNA einen mutierten Genotyp genotyp. u. phänotyp in den Wildtyp zurückverwandelt (Reversion)
 
* Vermessungswesen: Wiederherstellung eines früheren Zustandes im amtlichen Vermessungswerk. Beispiel Art. 3 Abs. 3 [http://www.rechtsbuch.tg.ch/pdf/200/211_441e1.pdf Verordnung des Regierungsrates des über die amtliche Vermessung im Kanton Thurgau]: '''Können Grenzänderungen nicht innert einem Jahr seit Abgabe des Mutationsplanes im Grundbuch eingetragen werden, setzt das Grundbuchamt unter der Androhung der Rückmutation eine Frist von höchstens drei Monaten an. Nach unbenütztem Fristablauf erteilt das Grundbuchamt dem Nachführungsgeometer den Auftrag zur Rückmutation der Grenzänderung.'''
 
  
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== Allgemeines ==
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=== Begriffe ===
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'''Rückänderungen der Schreibweise von Orts- und Flurnamen:'''
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* In diesem Kapitel geht es um das Rückgängigmachen veränderter Schreibweisen von Orts- und Flurnamen.
  
'''Rückmutationen von Orts- und Flurnamen:'''
 
* In diesem Kapitel geht es um die Wiederherstellung der Schreibweise von Orts- und Flurnamen bevor deren Schreibweise verändert wurden.
 
  
 
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=== Beharrungsvermögen der Namen und starke Bindung der Bevölkerung an die Namen ===
== Wann sollen Orts- und Flurnamen rückmutiert werden? ==
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[[Zeitschrift_SchweizerDeutsch#Namenstreit_im_Thurgau |vgl. '''Namenstreit im Thurgau''', Ruedi Schwarzenbach, ''Zeitschrift SchweizerDeutsch 2/09 Seite 11]]
Art. 3 GeoNV
 
* '''Art. 4 Grundsätze Verordnung über geografische Namen (GeoNV)'''  
 
# Geografische Namen sind einfach schreib- und lesbar und werden allgemein akzeptiert.
 
# Sie werden, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert.
 
# Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.
 
 
 
Erläuterungen dazu in Kap. 2.1 [http://gis.hsr.ch/wiki/Schreibweise_geografische_Namen#Gemeindenamen Empfehlungen zur Schreibweise von Gemeind- und Ortschaftsnamen, Richtlinien zur Schreibweise von Stationsnamen:]''Mit «Anlehnung an die Standardsprache» wird einerseits die traditionelle, meist an der Standardsprache ausgerichtete Schreibweise verstanden und andererseits, dass die Schreibweisen von Mundartnamen sich möglichst an das Schriftbild der Standardsprache anlehnt. Der Grundsatz, Namen «soweit möglich und sinnvoll an die Standardsprache anzulehnen», bezieht sich auf alle geografischen Namen, also z.B. auch auf Flurnamen. Wegen ihres überregionalen Gebrauchs, ihrer Bedeutung und Funktion (z.B. irrtumsfreie Verständigung oder rasche Auffindbarkeit in Verzeichnissen) lehnt sich die Schreibweise von Gemeinde- und Ortschaftsnamen an die traditionelle, standardsprachlich ausgerichtete Schreibweise an. Diese Forderung richtet sich auch an Ortsnamen und bedeutende Flurnamen, aus denen Gemeinde- und Ortschaftsnamen häufig abgeleitet werden.''
 
  
  
Eine Rückmutation der Schreibweise von geografischen Namen kommt einer Mutation, einer Änderung der Schreibweise gleich darf gemäss Art. 3 Abs. 1 GeoNV nur aus einem öffentlichen Interesse erfolgen.
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=== Entwicklung der Lokalnamen ausserhalb der Karten ===
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[[Eduard_Imhof#Erkenntnisse_von_Eduard_Imhof_zur_Schreibung_von_geografischen_Namen| vgl. '''Entwicklung der Lokalnamen ausserhalb der Karten''', Eduard Imhof,  ''Die Ortsnamen in den amtlichen Plänen und Karten'']]
  
Folgende Gründe können allenfalls als öffentliches Interesse geltend gemacht werden:
 
* Veränderungen von geografischen Namen stossen nicht auf allgemeine Akzeptanz; die Anpassungen sind noch nicht erfolgt und übersteigen den Aufwand der Rückmutationen
 
* Rückmutationen stossen auf allgemeine Akzeptanz, je schneller diese erfolgen, desto mehr Mehraufwand und Unsicherheiten können vermieden werden.
 
  
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=== Wie kommt es zu Änderungen und zu Rückänderungen? ===
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Bei der Überführung der Siegfriedkarte in die Landeskarte wurden ab ca. 1950 diverse Lokalnamen in der deutschsprachigen Schweiz in eine mundartliche Schreibweise verändert. Vor allem wenn nicht nur Namen von geringer, lokaler Bedeutung geändert werden resp. wenn Änderungen nicht nur in eine moderate, sondern in eine ausgeprägt lautnahe Mundart erfolgten, stiessen die neuen Schreibweisen  bei der Bevölkerung aber auch bei den betroffenen Behörden immer wieder auf grosse Opposition. Der Unmut und Ärger äusserte sich z.B. in:
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* Berichten in den Medien (Zeitungen, TV, Radio und Internet)
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* Leserbriefen und Kommentaren
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* Parlamentarischen Anfragen und politischen Vorstössen
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* Unterschriftensammlungen
  
== Wie können Rückmutationen vermieden werden? ==
 
* Änderungen nur vornehmen, falls ein öffentliches Interesse vorhanden ist und gewährleiset ist, dass veränderte Schreibweisen von geografischen Namen auf allgemeine Akzeptanz stossen.
 
  
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In der Folge sahen sich die zuständigen Behörden gezwungen, nicht akzeptierte Änderungen an der Schreibweise von Lokalnamen wieder rückgängig zu machen, wie dies im Kanton Zürich zwischen ca. 1962-1974 für einzelne Namen der Fall war und aktuell im Kanton Thurgau für relativ viele Namen zutrifft.
  
  
== Beispiele von Rückmutationen ==
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Beispiel: Kommentar der Thurgauerzeitung vom 29.5.2010:
=== Kanton Zürich ===
 
 
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|'''Pfaffhausen''' in der Siegfriedkarte ca. 1880 - 1955
 
|'''Pfaffhusen''' in der Landekarte ca. 1955 - 1970
 
|[http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=248540.93551&Y=687599.96236 '''Pfaffhausen''' in der heutigen Landeskarte]
 
 
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|[[Bild:Pfaffhausen Siegfriedkarte 1930.jpg|260px]]
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|style="background-color:#E0E0E0;" |
|[[Bild:Pfaffhusen Landeskarte 1955.jpg|260px]]
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* Deshalb werden nun 1200 Siedlungsnamen und 20 bis 100 bedeutende Flurnamen überprüft. Wie viele Namen umbenannt werden, ist nicht klar, da ein Teil der Siedlungsnamen hochdeutsch geblieben ist. Es dürften aber mehrere Hundert sein. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Gemeinden auf den Geschmack kommen könnten und noch weitere Flurnamen ändern wollen.
|[[Bild:Pfaffhausen Landeskarte 2008.jpg|260px]]
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* Entmachtet wird die Nomenklaturkommission, die sich bisher aus einem Sprachwissenschaftler, dem Kantonsgeometer und einem lokalen Gewährsmann zusammensetzte. Sie hat noch beratende Funktion.
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* Die Thurgauerzeitung und ihre Leser dürfen mit Stolz für sich beanspruchen, Auslöser der Kehrtwende zu sein.
 
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Kommentar: Schreibweise '''Pfaffhausen''' heute einheitlich auf Landeskarte, Übersichtsplan, Haltestellen und Strassennamen
 
  
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Bereits am 4., 7. und 9. April 1846 wurde über die Schreibweise von Lokalnamen auf Karten gestritten [http://www.lokalnamen.ch/#id_03_1 (vgl. hier).]
  
Im Kanton Zürich wurde ca. 1955 diverse Namen gemöss Weisungen 1948 in die Mundartliche Form übertragen. Die meisten dieser Namen haben sich heute eingebürgert. Bei verschiedenen Siedlugnsnamen und Flurnamen von grosser Bedeutung musste ca. 1970-1980 Rückmutationen vorgenommen werden, da diese Namen nicht auf allgemeine Akzeptanz stiessen und im allgemeinen Gebrauch in der ursprünglichen Form erhalten blieben. 
 
  
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Die Kontroversen um die Schreibweise von Lokalnamen beschränken sich hauptsächlich auf die deutschsprachige Schweiz. Situation in den anderen Sprachgebieten der Schweiz:
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* [[Schreibweise_geografische_Namen#Franz.C3.B6sischsprachige_Schweiz|Französisch]]
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* [[Schreibweise_geografische_Namen#Italienischsprachige_Schweiz|Italienisch]]
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* [[Schreibweise_geografische_Namen#R.C3.A4toromanischsprachige_Schweiz|Rätoromanisch]]
  
[[Beispiele_von_ver%C3%A4nderten_Lokalnamen_im_Kanton_Z%C3%BCrich |'''Rückmutationen von Orts- und Lokalnamen im Kanton Zürich vgl. hier]]
 
  
  
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=== Rechtliche Grundlagen ===
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Art. 4 GeoNV
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* '''Art. 4 Grundsätze Verordnung über geografische Namen (GeoNV)'''
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# Geografische Namen sind einfach schreib- und lesbar und werden allgemein akzeptiert.
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# Sie werden, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert.
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# Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.
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=== Kanton Thurgau ===
 
==== Rückmutationen in der Landeskarte ab 2004 ====
 
In der Landeskarte 1998 wurden die meisten Schreibweisen aus dem Thurgauer Namenbuch übernommen werden. Bereits 2004 wurden aber in der Landeskarte bereits einige Namen rückmutiert (Situation in der amtlichen Vermessung nicht bekannt). Beispiele:
 
* Bänikon - Bänike - Bänikon [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=268439.17456&Y=720701.87869 Karte]
 
* Battlehausen - Battlehuuse - Battlehausen [http://map.geo.admin.ch/?zoom=8&X=267320.42171&Y=719209.27747 Karte]
 
* Eckartshausen - Eggertshuuse - Eckartshausen [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=270636.65266&Y=733655.45738 Karte]
 
* Eutenberg - Eutebärg - Eutenberg [http://map.geo.admin.ch/?zoom=8&X=267592.18385&Y=719703.28739 Karte]
 
* Heimenhofen - Heimehofe - Heimenhofen [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=269907.79374&Y=733302.26131 Karte]
 
* Hünikon - Hüünike - Hünikon [http://map.geo.admin.ch/?zoom=7&X=269099.17456&Y=722741.87869 Karte] [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=269099.17456&Y=722741.87869 (Kleinmassstäbliche Karte noch nicht rückmutiert)]
 
* Kaltenbrunnen - Chaltebrune - Kaltenbrunnen [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=267220.36402&Y=720083.72341 Karte]
 
* Gloten - Gloote - Gloten [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=258144.58429&Y=719342.31854 Karte]
 
* Häuslenen - Hüüslene - Häuslenen [http://map.geo.admin.ch/?zoom=8&X=264105.04767&Y=710471.85447 Karte]
 
* Holzhäusern - Holzhüüsere - Holzhäusern [http://map.geo.admin.ch/?zoom=8&X=268149.68762&Y=721234.94783 Karte]
 
* Lenzenhaus - Länzehuus - Lenzenhaus [http://map.geo.admin.ch/?zoom=8&X=269095.0253&Y=733826.39564 Karte]
 
* Leutmerken - Lütmärke - Leutmerken [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=269484.61473&Y=720094.01333 Karte]
 
* Rosental - Roosetaal - Rosental [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=261296.98995&Y=715791.75172 Karte] [http://map.geo.admin.ch/?zoom=5&X=261296.98995&Y=715791.75172 (in der Karte 1:200'000 noch nicht mutiert)]
 
* Wolfikon - Wolfike - Wolfikon [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=267658.6975&Y=718200.23854 Karte]
 
* Stachen - Stache - Stachen [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=263714.26795&Y=748645.23845 Karte]
 
* Steineloh - Steiniloo - Steineloh [http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=265300&Y=748050 Karte]
 
  
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Auszug aus Kap. 2.1 [http://giswiki.hsr.ch/Schreibweise_geografische_Namen#Gemeindenamen Empfehlungen zur Schreibweise von Gemeind- und Ortschaftsnamen, Richtlinien zur Schreibweise von Stationsnamen:]
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''Mit «Anlehnung an die Standardsprache» wird einerseits die traditionelle, meist an der Standardsprache ausgerichtete Schreibweise verstanden und andererseits, dass die Schreibweisen von Mundartnamen sich möglichst an das Schriftbild der Standardsprache anlehnt. Der Grundsatz, Namen «soweit möglich und sinnvoll an die Standardsprache anzulehnen», bezieht sich auf alle geografischen Namen, also z.B. auch auf Flurnamen. Wegen ihres überregionalen Gebrauchs, ihrer Bedeutung und Funktion (z.B. irrtumsfreie Verständigung oder rasche Auffindbarkeit in Verzeichnissen) lehnt sich die Schreibweise von Gemeinde- und Ortschaftsnamen an die traditionelle, standardsprachlich ausgerichtete Schreibweise an. Diese Forderung richtet sich auch an Ortsnamen und bedeutende Flurnamen, aus denen Gemeinde- und Ortschaftsnamen häufig abgeleitet werden.''
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==== 2010 - Planung von Rückmutationen ====
 
[http://www.lokalnamen.ch/#id_201005281 Pressemitteilung 28.5.2010: Aus «Roopel» soll wieder «Rotbühl» werden] [http://roopel.blogspot.com/#Rotbuehl(Medienberichte vgl. hier)]
 
* Auf Vorschlag einer Arbeitsgruppe hat der Chef des Departements für Inneres und Volkswirtschaft entschieden, die Ortsnamen wieder nach der traditionellen, schriftsprachlichen Schreibweise auszurichten. Dies soll auch bei Flurnamen möglich sein, die über das Lokale hinaus bekannt sind. Mit der Bereinigung der Orts- und Flurnamen wird eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, die ihre Arbeit bis Mitte 2011 beenden soll
 
  
* Gemäss den Empfehlungen der Arbeitsgruppe soll sich die Schreibweise der Ortsnamen, also der besiedelten Gebiete, wieder nach der traditionellen Schreibweise richten. Diese Schreibweise entspricht derjenigen, wie sie in den Gemeinden über Jahrzehnte hinweg für die Bezeichnung der Siedlungen verwendet wurde. Die traditionelle Schreibweise ist dementsprechend in der Bevölkerung bekannt und fest verankert. Sie entspricht bei den Ortsnamen mehr der Schriftsprache als der Mundart und ist damit einfacher schreib- und lesbar. Aus «Roopel» soll also wieder »Rotbühl» werden.
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Eine Rückänderung der Schreibweise von geografischen Namen entspricht grundsätzlich einer Änderung der Schreibweise und darf gemäss Art. 3 Abs. 1 GeoNV nur aus einem öffentlichen Interesse erfolgen. Als öffentliches Interesse kann z.B. geltend gemacht werden, dass veränderte Schreibweisen von geografischen Namen nicht auf allgemeine Akzeptanz stossen, nicht einfach schreib- und lesbar sind und dass durch rasche Rückänderungen hohe Anpassungsarbeiten vermieden werden können.
* Als zweites sollen Flurnamen, die über das Lokale hinaus bekannt sind, denen ein allgemeines Interesse auch auswärtiger Personen zukommt und die teilweise über gleichnamige Restaurants verfügen, ebenfalls wieder in der traditionellen Schreibweise benannt werden. Dazu gehören beispielsweise Ausflugsziele und Naherholungsgebiete. So soll unter anderem aus «Nole» wieder «Nollen», aus «Stäälibuck» wieder »Stählibuck» und aus «Tuurbärg» wieder »Thurberg» werden.
 
* Die Schreibweise der übrigen Flurnamen, also von unbesiedelten Gebieten ohne besondere Bedeutung, soll grundsätzlich in Mundart nach den bisher angewandten Schreibregeln erfolgen.  
 
  
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=== Wie können Rückänderungen künftig vermieden werden? ===
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* Änderungen nur vornehmen, falls ein wirklich ausgewiesenes öffentliches Interesse vorhanden ist und gewährleistet ist, dass veränderte Schreibweisen von geografischen Namen auf allgemeine Akzeptanz stossen.
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* Befolgung der übrigen Grundsätze Art. 4 der Verordnung über geografische Namen [[R%C3%BCck%C3%A4nderungen_der_Schreibweise_von_Lokalnamen#Rechtliche_Grundlagen |(vgl. hier)]]
  
* Die Arbeitsgruppe hält in ihrem Bericht fest, dass im Thurgau die Schreibweise von der Nomenklaturkommission konsequent zu Gunsten einer nicht nur mundartnahen, sondern sogar einer möglichst mundartgetreuen und lautmalerischen Schreibweise festgelegt worden seien. Diese Praxis stehe aber im Gegensatz zu den Signalen, die aus der Bevölkerung zu vernehmen seien. Die Arbeitsgruppe geht deshalb davon aus, dass die Bevölkerung in erster Linie an der Erhaltung der traditionellen und vertrauten Namen interessiert sei, ob diese nun mundartlich oder hochdeutsch geschrieben seien. Dieses Vorgehen entspricht im Übrigen weitgehend den neuen Vorgaben des Bundes, die erst im Januar 2010, als die Arbeitsgruppe ihren Auftrag schon fast erledigt hatte, bekannt geworden waren [[R%C3%BCckmutationen_von_Orts-_und_Lokalnamen_(Flurnamen)#Wann_sollen_Orts-_und_Flurnamen_r.C3.BCckmutiert_werden.3F| (Vorgaben des Bundes vgl. hier).]]
 
  
* Die neue Arbeitsgruppe, die ebenfalls unter dem Vorsitz von Andreas Keller, Generalsekretär des Departements für Inneres und Volkswirtschaft, stehen wird, wird nun als erstes das [[Zusammenspiel_Orts-_und_Lokalnamen#Siedlungsdaten_im_Kanton_Thurgau|Orts- und Siedlungsverzeichnis des Kantons Thurgau]] aktualisieren. Dieses Verzeichnis wurde von der Dienststelle für Statistik letztmals im Jahr 2005 herausgegeben. Das Departement für Inneres und Volkswirtschaft unterbreitet den Gemeinden anschliessend das überarbeitete Verzeichnis zur Vernehmlassung. Abschliessend werden die Ortsnamen in die amtliche Vermessung eingetragen.
+
== Beispiele von Rückänderungen ==
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=== Kanton Zürich ===
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==== 1955 Veränderte Schreibweisen auf der neuen Landeskarte ====
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Im Kanton Zürich wurden ca. 1955 diverse Namen gemäss Weisungen 1948 von der Siegfriedkarte in die mundartliche Form auf der neuen Landeskarte übertragen. Dank der moderaten Mundartschreibweise hat der Kanton Zürich mit [[Weisungen 1948]] resp. [[Weisungen 2011]] grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht. Abgesehen von relativ wenigen Siedlungsnamen und Flurnamen haben sich die Namen meisten Namen eingebürgert (z.B. Büelen, Hus, Wise usw.). Durchgesetzt haben sich generell Mundartschreibweisen, welche sich möglichst gut an die traditionellen, vor allem schriftsprachlich ausgerichteten Schreibweisen anlehnen so z.B. '''Moos''' und '''Rohr''' (nicht '''Mos''' und '''Ror'''). Man hat sich z.T. daran gewöhnt, dass in mundartlichen Namen '''Wis''' und nicht '''Wies''' geschrieben wird. Trotzdem tauchen immer wieder Fragen auf, wenn z.B. Namen von geringer Bedeutung durch eine Überbauung, ein Stationsname usw. hohe Bedeutung erlangen und man dann rechtfertigen muss, dass z.B. ein '''Nider''' ohne '''ie''' geschrieben wird.
  
* Bezüglich Flurnamen erstellt die Arbeitsgruppe eine Liste der Flurnamen von allgemeinem Interesse. Auch zu dieser Liste können sich die Gemeinden vernehmen lassen.
+
Da im Kanton Zürich das stumme -n  (welches traditionell in ca. 40% aller geografischen Namen existiert) beibehalten wurde, mussten beutend weniger Namen geändert werden. Im Kanton Zürich konnte dadurch erreicht werden, dass viele Strassenbezeichnungen und Stationsnamen mit den entsprechenden Lokalnamen übereinstimmen [[Stummes_-n_in_geografischen_Namen |(Details vgl. hier.)]]
* Die Rechtsgrundlagen sollen so angepasst werden, dass Streitfälle in erster Instanz vom Amt für Geoinformation entschieden werden. Rekurse werden vom Departement für Inneres und Volkswirtschaft behandelt.
 
  
  
==== Siehe auch ====
+
==== 1962 - 1974 Rückänderungen veränderter Schreibweisen von 1955 ====  
* [[Siedlungen_TG_Gemeinden|Änderungen der geografischen Namen im Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis des Kanton TG mit Link auf die Kart]]
+
{|
* [[Geografische_Namen_in_historischen_Karten#Beispiel_Kanton_Thurgau|geografische Namen in historischen Karten mit Beispielen aus dem Kanton Thurgau]]
+
|'''Pfaffhausen''' in der Siegfriedkarte ca. 1880 - 1955
 +
|'''Pfaffhusen''' in der Landekarte ca. 1955 - 1974
 +
|[http://map.geo.admin.ch/?zoom=6&X=248540.93551&Y=687599.96236 '''Pfaffhausen''' in der heutigen Landeskarte]
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|[[Bild:Pfaffhausen Siegfriedkarte 1930.jpg|260px]]
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|[[Bild:Pfaffhusen Landeskarte 1955.jpg|260px]]
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|[[Bild:Pfaffhausen Landeskarte 2008.jpg|260px]]
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[[Beispiele_von_ver%C3%A4nderten_Lokalnamen_im_Kanton_Z%C3%BCrich|'''Beispiele von Rückänderungen von Lokalnamen im Kanton Zürich ca. 1962 - 1974 vgl. hier]]
  
== Hitergrund ==
 
=== Beharrungsvermögen der Namen und starke Bindung der Bevölkerung an die Namen ===
 
[http://www.zeitschriftschweizerdeutsch.ch/img/files/SchweizerDeutsch%2009_2%20Internet.pdf#search='Pfannenstiel' Zeitschrift für Sprache in der deutschen Schweiz, Ausgabe 2/2009:] Ruedi Schwarzenbach, Namenstreit im Thurgau.
 
  
Schwarzenbach schreibt auf Seite 11 der erwähnten Zeitschrift: «Die Dokumentation «Geschichte Schreibweise Orts- und Lokalnamen» der Hochschule Rapperswil sieht Konflikte zwischen drei Ansprüchen an die geographischen Namen.» Schwarzenbach zitiert diesen Text und fährt anschliessend so weiter:
 
 
''Zwei Faktoren fehlen in dieser Analyse:
 
  
Zum einen das Beharrungsvermögen der Namen, das sich aus ihrer Einmaligkeit ergibt. Ein Name ist nicht ein beliebig verwendbares Wort mit seiner Bedeutung (ein Appellativ), sondern ein Wort, das als Name einen Ort – und nur diesen Ort – meint, und zwar so lange, als man etwas von ihm wissen will.
+
=== Kanton Thurgau ===
 +
[[Rückänderungen der Schreibweise von Lokalnamen im Kanton Thurgau|Rückänderungen der Schreibweise von Lokalnamen im Kanton Thurgau]]
  
Zum andern fehlt die starke Bindung der Bevölkerung an die Namen, die sie kennt, braucht und in ihre ‹Welt› aufgenommen hat. Er mag noch so schriftdeutsch oder noch so mundartlich geschrieben sein: So, wie sie ihn kennen und brauchen gelernt habe, so soll er bleiben. Wie der Pfannenstiel am Zürichsee, für den sich die Schreibung Pfannenstil der Landeskarte nicht durchgesetzt hat.
 
  
Dieses Beharrungsvermögen der Namen und die Bindung ihrer Träger an die überlieferte Schreibung sind es, die zu Kontroversen führen, wie die Zeitungen sie jetzt aus dem Thurgau melden.''
+
== Hintergrund ==
 +
=== Problematik der Mundart in Lokalnamen ===
 +
* Praktisch alle Rückänderungen der Schreibweise von geografischen Namen gehen auf die Problematik der Mundartschreibweise zurück.
 +
* 1916 begann der Kanton Zürich mundartlich zu schreiben [[Schreibung_von_%C3%96rtlichkeitsnamen#Geschichtlicher_Hintergrund_der_Schreibung_von_.C3.96rtlichkeitsnamen| Vgl. hier.]]
 +
* Der Bund stellte sich gegen diese generelle Mundartschreibung und liess nur Mundart zu, wo nur die mundartliche Form existierte gemäss der am 9.1.1937 erlassenen Instruktion für die Erstellung neuer Landeskarten:
 +
** Ortsnamen, welche ohne weiteres in der Schriftsprache, als die allgemein gültige Verkehrssprache übertragen werden können und an Ort und Stelle in dieser Schreibweise gebraucht werden, bekannt und verständlich sind, sind in der Schriftsprache wiederzugeben.
 +
** Ortsnamen, welche dagegen nur im landläufigen Dialekt existieren und nur in dieser Form bekannt und verständlich sind, müssen in Dialektform geschrieben werden».
  
 +
  
=== Entwicklung der Orts- und Lokalnamen ausserhalb der Katen ===
+
== Siehe auch ==
Eduard Imhof in [http://www.lokalnamen.ch/bilder/imhof_1945_1.pdf Schreibweise von Orts- und Lokalnamen:]
+
* [[Swisstopo_Zeitreise|swisstopo Zeitreise]]
* Schreibweisen von geografischen Namen in Bezug auf den Gebrauch und in Bezug auf die Kartierung auf amtlichen Karten und Plänen:
+
* [[Geografische_Namen_-_Rechtliche_Grundlagen#Verordnung_.C3.BCber_Geografische_Namen_.28GeoNV.29|Grundsätze für die Schreibung von geografische Namen, Verordnung über geografische Namen (GeoNV)]]
** Die Schreibformen der Ortsnamen haben sich vielfach ausserhalb der Karte und unabhängig von dieser entwickelt. Dieser «auswärtige» Bereich ist unvergleichlich weitschichtiger. Tausende von Ortsbezeichnungen sind in Hunderttausenden von geschriebenen und gedruckten Texten, Aufschriften, in Verwaltungs-, Gerichts- und Grundbuchakten, in militärischen und technischen Dokumenten, in Firmen-, Gasthof- und Strassenbezeichnungen, in Namen- und Adressverzeichnissen, in der Literatur und in gesetzlichen Erlassen verankert.
+
* [[Weisungen 2011]]
* Sprachrealität der Namen (mundartliche und schriftsprachliche Sprachrealität)
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* [[Weisungen 1948]]
** Zahllose Örtlichkeiten besitzen zwei verschiedene, allgemeingebräuchliche Bezeichnungen, eine mundartliche und eine schriftsprachliche. Beide sind «sprachliche Wirklichkeit».
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* [[Siedlungen_TG_Gemeinden|Änderungen der geografischen Namen im Ortschaften- und Siedlungsverzeichnis des Kanton TG mit Link auf die Karte]]
* Problematik der Schreibweise von Mundartschreibung
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* [[Geografische_Namen_in_historischen_Karten#Beispiel_Kanton_Thurgau|Geografische Namen in historischen Karten mit Beispielen aus dem Kanton Thurgau]]
** Überdies ist die Mundart überhaupt eigentlich nicht schreibbar, da sich das Leben nicht in zwei Dutzend tote Buchstaben fassen lässt.
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* [[Wellenberg_oder_Weleb%C3%A4rg|Wellenberg oder Welebärg?]]
** Im geschlossenen Zusammenhang mundartlicher Rede versteht jeder Deutschschweizer den Sinn der folgenden Ausdrücke: Für (oder Fir), Bom, Bu, Su, Sagg, Brigg, Stogg, Grot, Ror, Höli, Drägg, Bone, Sagi, tüf (oder teuf oder täif), Chüetel usw. Treten sie aber, so wie es der Karte der Fall wäre, in isoliert stehenden Wörtern und Wortverbindungen auf, so muten sie eher chinesisch an.
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* [[Eduard_Imhof|Eduard Imhof]]
** Der Sprachforscher darf in solchen Fragen nicht nur auf seine eigene Erfahrung bauen. Die amtlichen Pläne und Karten haben nicht nur ihm, sondern vor allem der Allgemeinheit zu dienen. Und überdies möchte sich auch ein Welschschweizer und ein Tessiner in den Karten der deutschen Schweiz einigermassen zurechtfinden können. Eine gewisse allgemein gültige, allgemein vertraute Normierung ist unentbehrlich; diese aber besitzen wir in der Schriftsprache.
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* [[Mundart_in_Lokalnamen | Mundart in Lokalnamen]]
 
 
 
 
=== Problematik der Mundart in Orts- und Lokalnamen ===
 
Praktisch alle Rückmutationen der Schreibweise von geografischen Namen gehen darauf zurück, dass entweder die bisherige Schreibweise hätte belassen werden müssen, resp. dass ein mundartliche Schreibung nur mundartnah und nicht mundartgetreu hätte aufallen müssen.
 
 
 
1916 begann der Kanton Zürich mundartlich zu schreiben. Der Hintergrund dürfte sein, dass man damals befürchtet hat, dass die Mundart aussterben könnte. [[Geschichte_Schreibweise_Orts-_und_Lokalnamen#Periode_1916_.E2.80.93_1948| Vgl. hier]]
 
 
 
 
 
Der Bund stellte sich gegen diese generelle Mundartschreibung und liess nur Mundart zu, wo nur die mundartliche Form existierte gemäss der  1937 erlassenen Instruktion für die Erstellung neuer Landeskarten:
 
* «Ortsnamen, welche ohne weiteres in der Schriftsprache, als die allgemein gültige Verkehrssprache übertragen werden können und an Ort und Stelle in dieser Schreibweise gebraucht werden, bekannt und verständlich sind, sind in der Schriftsprache wiederzugeben.
 
* Ortsnamen, welche dagegen nur im landläufigen Dialekt existieren und nur in dieser Form bekannt und verständlich sind, müssen in Dialektform geschrieben werden». 
 
 
 
  
  
== Weblinks ==
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{{Trailer geografische Namen}}
* [[Geografische_Namen | Geografische Namen]]
 
* [[lokalnamen.ch | Orts- und Lokalnamen]]
 
  
 
<!-- Kategorien und ev. Koordinaten -->
 
<!-- Kategorien und ev. Koordinaten -->
 
[[Kategorie:Geografische Namen]]
 
[[Kategorie:Geografische Namen]]

Aktuelle Version vom 20. Juli 2014, 22:33 Uhr

Geografische Namen Lokalnamen Gebäudeadressen Inhaltsverzeichnis+Übersicht Aktuell
Hünikon Siegfriedkarte.jpg Hünikon LK1984.jpg

Hünikon und Holzhäusern in der Siegfriedkarte 1885

Schreibweisen bis 1945 unverändert

Hünikon und Holzhüseren in der Landeskarte 1957-1992

Holzhäusern wurde 1957 in Holzhüseren geändert

Hüünike LK1998.jpg Hünikon LK2004.jpg

Hüünike und Holzhüüsere in der Landeskarte 1998

Änderungen der Schreibweise gemäss Namenbuch

Hünikon und Holzhäusern zurückgeändert in der Landeskarte 2004

Schreibweisen entsprechend wieder der traditionellen Schreibweise

Rückänderungen der Schreibweise von Ortsnamen in der Thurgauer Gemeinde Amlikon-Bissegg in der Landeskarte 2004. Im Kanton Thurgau wurde am 28.5.2010 bekannt gegeben, dass weitere Rückänderungen im grösseren Rahmen erfolgen werden (Siedlungsnamen und Flurnamen mit grosser Bedeutung) vgl. hier

Ortstafel Holzhäusern.jpg Ortstafel Hünikon.jpg
  • Holzhüüsere wurde 2004 in der Landeskarte wieder in Holzhäusern zurückgeändert. Die Schreibweise der Ortstafel blieb unverändert.
  • Hüünike wurde 2004 in der Landeskarte wieder in Hünikon zurückgeändert (allerdings noch nicht in allen Massstabsebenen). Die Schreibweise der Ortstafel blieb unverändert.


vgl. auch swisstopo Zeitreise


Allgemeines

Begriffe

Rückänderungen der Schreibweise von Orts- und Flurnamen:

  • In diesem Kapitel geht es um das Rückgängigmachen veränderter Schreibweisen von Orts- und Flurnamen.


Beharrungsvermögen der Namen und starke Bindung der Bevölkerung an die Namen

vgl. Namenstreit im Thurgau, Ruedi Schwarzenbach, Zeitschrift SchweizerDeutsch 2/09 Seite 11


Entwicklung der Lokalnamen ausserhalb der Karten

vgl. Entwicklung der Lokalnamen ausserhalb der Karten, Eduard Imhof, Die Ortsnamen in den amtlichen Plänen und Karten


Wie kommt es zu Änderungen und zu Rückänderungen?

Bei der Überführung der Siegfriedkarte in die Landeskarte wurden ab ca. 1950 diverse Lokalnamen in der deutschsprachigen Schweiz in eine mundartliche Schreibweise verändert. Vor allem wenn nicht nur Namen von geringer, lokaler Bedeutung geändert werden resp. wenn Änderungen nicht nur in eine moderate, sondern in eine ausgeprägt lautnahe Mundart erfolgten, stiessen die neuen Schreibweisen bei der Bevölkerung aber auch bei den betroffenen Behörden immer wieder auf grosse Opposition. Der Unmut und Ärger äusserte sich z.B. in:

  • Berichten in den Medien (Zeitungen, TV, Radio und Internet)
  • Leserbriefen und Kommentaren
  • Parlamentarischen Anfragen und politischen Vorstössen
  • Unterschriftensammlungen


In der Folge sahen sich die zuständigen Behörden gezwungen, nicht akzeptierte Änderungen an der Schreibweise von Lokalnamen wieder rückgängig zu machen, wie dies im Kanton Zürich zwischen ca. 1962-1974 für einzelne Namen der Fall war und aktuell im Kanton Thurgau für relativ viele Namen zutrifft.


Beispiel: Kommentar der Thurgauerzeitung vom 29.5.2010:

  • Deshalb werden nun 1200 Siedlungsnamen und 20 bis 100 bedeutende Flurnamen überprüft. Wie viele Namen umbenannt werden, ist nicht klar, da ein Teil der Siedlungsnamen hochdeutsch geblieben ist. Es dürften aber mehrere Hundert sein. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Gemeinden auf den Geschmack kommen könnten und noch weitere Flurnamen ändern wollen.
  • Entmachtet wird die Nomenklaturkommission, die sich bisher aus einem Sprachwissenschaftler, dem Kantonsgeometer und einem lokalen Gewährsmann zusammensetzte. Sie hat noch beratende Funktion.
  • Die Thurgauerzeitung und ihre Leser dürfen mit Stolz für sich beanspruchen, Auslöser der Kehrtwende zu sein.


Bereits am 4., 7. und 9. April 1846 wurde über die Schreibweise von Lokalnamen auf Karten gestritten (vgl. hier).


Die Kontroversen um die Schreibweise von Lokalnamen beschränken sich hauptsächlich auf die deutschsprachige Schweiz. Situation in den anderen Sprachgebieten der Schweiz:


Rechtliche Grundlagen

Art. 4 GeoNV

  • Art. 4 Grundsätze Verordnung über geografische Namen (GeoNV)
  1. Geografische Namen sind einfach schreib- und lesbar und werden allgemein akzeptiert.
  2. Sie werden, soweit möglich und sinnvoll, in Anlehnung an die Standardsprache (Schriftsprache) der Sprachregion formuliert.
  3. Geografische Namen und ihre Schreibweise dürfen nur aus öffentlichem Interesse geändert werden.


Auszug aus Kap. 2.1 Empfehlungen zur Schreibweise von Gemeind- und Ortschaftsnamen, Richtlinien zur Schreibweise von Stationsnamen:

Mit «Anlehnung an die Standardsprache» wird einerseits die traditionelle, meist an der Standardsprache ausgerichtete Schreibweise verstanden und andererseits, dass die Schreibweisen von Mundartnamen sich möglichst an das Schriftbild der Standardsprache anlehnt. Der Grundsatz, Namen «soweit möglich und sinnvoll an die Standardsprache anzulehnen», bezieht sich auf alle geografischen Namen, also z.B. auch auf Flurnamen. Wegen ihres überregionalen Gebrauchs, ihrer Bedeutung und Funktion (z.B. irrtumsfreie Verständigung oder rasche Auffindbarkeit in Verzeichnissen) lehnt sich die Schreibweise von Gemeinde- und Ortschaftsnamen an die traditionelle, standardsprachlich ausgerichtete Schreibweise an. Diese Forderung richtet sich auch an Ortsnamen und bedeutende Flurnamen, aus denen Gemeinde- und Ortschaftsnamen häufig abgeleitet werden.


Eine Rückänderung der Schreibweise von geografischen Namen entspricht grundsätzlich einer Änderung der Schreibweise und darf gemäss Art. 3 Abs. 1 GeoNV nur aus einem öffentlichen Interesse erfolgen. Als öffentliches Interesse kann z.B. geltend gemacht werden, dass veränderte Schreibweisen von geografischen Namen nicht auf allgemeine Akzeptanz stossen, nicht einfach schreib- und lesbar sind und dass durch rasche Rückänderungen hohe Anpassungsarbeiten vermieden werden können.

Wie können Rückänderungen künftig vermieden werden?

  • Änderungen nur vornehmen, falls ein wirklich ausgewiesenes öffentliches Interesse vorhanden ist und gewährleistet ist, dass veränderte Schreibweisen von geografischen Namen auf allgemeine Akzeptanz stossen.
  • Befolgung der übrigen Grundsätze Art. 4 der Verordnung über geografische Namen (vgl. hier)


Beispiele von Rückänderungen

Kanton Zürich

1955 Veränderte Schreibweisen auf der neuen Landeskarte

Im Kanton Zürich wurden ca. 1955 diverse Namen gemäss Weisungen 1948 von der Siegfriedkarte in die mundartliche Form auf der neuen Landeskarte übertragen. Dank der moderaten Mundartschreibweise hat der Kanton Zürich mit Weisungen 1948 resp. Weisungen 2011 grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht. Abgesehen von relativ wenigen Siedlungsnamen und Flurnamen haben sich die Namen meisten Namen eingebürgert (z.B. Büelen, Hus, Wise usw.). Durchgesetzt haben sich generell Mundartschreibweisen, welche sich möglichst gut an die traditionellen, vor allem schriftsprachlich ausgerichteten Schreibweisen anlehnen so z.B. Moos und Rohr (nicht Mos und Ror). Man hat sich z.T. daran gewöhnt, dass in mundartlichen Namen Wis und nicht Wies geschrieben wird. Trotzdem tauchen immer wieder Fragen auf, wenn z.B. Namen von geringer Bedeutung durch eine Überbauung, ein Stationsname usw. hohe Bedeutung erlangen und man dann rechtfertigen muss, dass z.B. ein Nider ohne ie geschrieben wird.

Da im Kanton Zürich das stumme -n (welches traditionell in ca. 40% aller geografischen Namen existiert) beibehalten wurde, mussten beutend weniger Namen geändert werden. Im Kanton Zürich konnte dadurch erreicht werden, dass viele Strassenbezeichnungen und Stationsnamen mit den entsprechenden Lokalnamen übereinstimmen (Details vgl. hier.)


1962 - 1974 Rückänderungen veränderter Schreibweisen von 1955

Pfaffhausen in der Siegfriedkarte ca. 1880 - 1955 Pfaffhusen in der Landekarte ca. 1955 - 1974 Pfaffhausen in der heutigen Landeskarte
Pfaffhausen Siegfriedkarte 1930.jpg Pfaffhusen Landeskarte 1955.jpg Pfaffhausen Landeskarte 2008.jpg


Beispiele von Rückänderungen von Lokalnamen im Kanton Zürich ca. 1962 - 1974 vgl. hier


Kanton Thurgau

Rückänderungen der Schreibweise von Lokalnamen im Kanton Thurgau


Hintergrund

Problematik der Mundart in Lokalnamen

  • Praktisch alle Rückänderungen der Schreibweise von geografischen Namen gehen auf die Problematik der Mundartschreibweise zurück.
  • 1916 begann der Kanton Zürich mundartlich zu schreiben Vgl. hier.
  • Der Bund stellte sich gegen diese generelle Mundartschreibung und liess nur Mundart zu, wo nur die mundartliche Form existierte gemäss der am 9.1.1937 erlassenen Instruktion für die Erstellung neuer Landeskarten:
    • Ortsnamen, welche ohne weiteres in der Schriftsprache, als die allgemein gültige Verkehrssprache übertragen werden können und an Ort und Stelle in dieser Schreibweise gebraucht werden, bekannt und verständlich sind, sind in der Schriftsprache wiederzugeben.
    • Ortsnamen, welche dagegen nur im landläufigen Dialekt existieren und nur in dieser Form bekannt und verständlich sind, müssen in Dialektform geschrieben werden».


Siehe auch


Geografische Namen Lokalnamen Gebäudeadressen Inhaltsverzeichnis+Übersicht Aktuell